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Interview Fußball und Sprache Hand in Hand

Der Riesenfußballfan ist sie nicht, doch bei einer Weltmeisterschaft schaut und vor allem hört auch VHS-Leiterin Yvonne Nitzsche hin.

Von Marco Hertzfeld 20.06.2018, 16:30

Welche Rolle die Sprachen des Weltfußballs in der Kreisvolkshochschule spielen, darüber hat Redakteur Marco Hertzfeld mit der Leiterin der Bildungsstätte gesprochen.

Volksstimme: Brasilien ist mit fünf Titeln Rekord-Weltmeister. Eine Weltsprache ist Portugiesisch aber nicht. An welcher Position spielt Portugiesisch in Ihrem Programm?

Yvonne Nitzsche: An gar keiner Position. Nach Portugiesisch hat in den letzten sechs Jahren niemand gefragt. Deshalb gibt es auch keinen Kurs. Ich habe eine brasilianische Schwägerin. In meinem Privatleben spielt diese Sprache eine Rolle, im Berufsleben nicht.

Italien hat wie Deutschland den Pott bislang viermal gewonnen. Das südeuropäische Land ist ein Lieblingsurlaubsziel vieler Menschen im Jerichower Land. Inwieweit kickt das Land in der Kreisvolkshochschule vorn mit?

Italienisch spielt wieder eine Rolle, sowohl in Burg als auch in Gommern, weil wir eine neue Dozentin gewinnen konnten. Nach einer Veröffentlichung im Programmheft fanden wir zueinander. Sie unterrichtet seit Oktober. Die Kurse waren ganz schnell ganz voll. Weitere Kurse sind geplant. Italienisch ist eine attraktive Sprache. Sie klingt in den Ohren vieler wie Musik.

Deutschland ist der Titelverteidiger. Was bietet Ihre Einrichtungen den Deutschen selbst, in Wort und Schrift am Ball zu bleiben und voranzukommen?

Wir können und dürfen nur Deutsch als Fremdsprache anbieten, leider. Das Erwachsenenbildungsgesetz ist 1992 geändert worden. Will jemand den Haupt- oder Realschulabschluss nachholen und sich dafür vorbereiten, kann er allenfalls am Abendkolleg in Magdeburg oder gar Halle teilnehmen. Wer auf dem Land wohnt, hat diese Möglichkeit nicht. Die beiden Großstädte sind für viele Leute ziemlich weit entfernt. Und selbst wenn: Wir bräuchten für dieses Angebot richtig ausgebildete Lehrer, die sich wegen des allgemeinen Lehrermangels derzeit wohl eher schlecht finden ließen.

Flüchtlinge wollen und müssen Deutsch lernen. Keine leichte Aufgabe. Niemand soll im Abseits stehen. Wie sieht Ihrer Strategie aus?

Ich komme gerade aus dem Unterricht. Momentan laufen sieben Integrationskurse parallel in Burg und Genthin. Gut 100 Menschen lernen bei uns. Die meisten sind mit Feuereifer dabei, natürlich gibt es auch Ausnahmen. Jeder Teilnehmer lernt nach seinen Möglichkeiten, und die sind eben auch unterschiedlich ausgeprägt. Nicht jeder erreicht das große Ziel, aber das würde ich umgekehrt ja auch von keinem Deutschen erwarten.

Argentinien und Uruguay sind zweifacher Weltmeister, Spanien einfacher. Spanisch wird in fast ganz Südamerika und nicht allein im Mutterland gesprochen. Seefahrer, Kolonialherren und moderne Europäer: Wie vielfältig ist diese Sprachfamilie bei Ihnen aufgestellt?

Spanisch ist ein großes Problem. Wenn ich Muttersprachler habe, bleiben diese oft nur zwei, drei Jahre und finden dann einen Job in Hamburg, Berlin oder München. Derzeit suchen wir händeringend nach neuen Dozenten. Das Potenzial ist da, immer wieder fragen Bürger nach. Ich bin optimistisch, dass wir schon bald je einen Kurs in Genthin und Burg anbieten können. Doch dafür braucht es einen Lehrer oder eine Lehrerin.

Frankreich und England haben die Weltmeisterschaft einmal gewonnen. In der Bilanz der Volkshochschulen bundesweit feiern beide Sprachen regelmäßig den Kantersieg. Welche Sprachen könnten den beiden in Zukunft gefährlich werden?

Französisch läuft gut. Für das nächste Semester möchten wir wieder zwei Kurse in Genthin und einen in Burg anbieten. Hier gibt es eine gewisse Verlässlichkeit: Wer einmal mit Französisch anfängt, der macht auch weiter. Auch Englisch haben die Menschen im Jerichower Land keinesfalls satt. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Wir können Englisch mittlerweile sogar auf einem sehr hohen Niveau anbieten. Ab Herbst wird sogar ein ehemaliger Universitätsdozent in Biederitz unterrichten. Wer das Abitur-Niveau erreicht hat, ist dort dann richtig. Englisch bleibt sicherlich die Nummer eins unter den angebotenen Sprachen. Jeder findet den für ihn passenden Kurs, vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen. Schön ist auch, dass die Kurse über den Landkreis verteilt stattfinden können. Die einzelnen Gemeinden unterstützen uns bei den passenden Unterrichtsorten.

Wer eine Sprache lernt, egal welche, dem hilft oft ein sogenannter Muttersprachler. Wen haben Sie im Aufgebot?

Wir haben die besagte Italienerin als Muttersprachlerin, eine Französin und eine Polin, die Polnisch und Deutsch lehrt. Wir haben zudem eine Russin, die Englisch unterrichtet. Ein US-Amerikaner lehrt das, was seine Mutter spricht, Englisch. Ach ja, eine Russin unterrichtet Yoga. (lacht)

Im Profifußball ist irgendwann Mitte 30 Schluss. Wer kann in welchem Alter noch zum Sprachkurs antreten?

Eine Sprache lernen kann jeder, egal, wie alt er ist. Wir haben viele Seniorenkurse, gerade in Englisch. Sie lernen für den Urlaub oder weil ihre Enkel beispielsweise nach Australien ausgewandert sind und es nun Leute in der Familie gibt, die kein Deutsch sprechen.

Acht Länder haben sich bisher in die Siegerliste eingetragen. Wie lang ist Ihre Liste der Sprachen und inwieweit haben Exoten eine Chance?

Wir probieren es immer wieder, der Erfolg ist bislang gering. Wir haben zum Beispiel bereits Gälisch, das noch in Teilen Schottlands gesprochen wird, angeboten. Auch Polnisch und Russisch haben es sehr schwer und spielen derzeit keine Rolle. Russisch zähle ich inzwischen sogar zu den Exoten. Seit sechs Jahren versuchen wir, einen Kurs auf die Beine zu stellen. Umsonst, einmal abgesehen von Russisch-Nachhilfe. Aktuell im Programm haben wir also: Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch. Daran wird sich auch erst einmal nichts ändern.

Wie sieht die nächste Saison Ihrer Einrichtung aus?

Das neue Jahresprogramm mit vielen neuen Sprachkursen wird Ende August als Postwurfsendung in alle Haushalte kommen. Jährlich organisieren wir 300 Kurse mit insgesamt gut 11.000 Unterrichtsstunden und circa 3500 Teilnehmern.

Bitte frei von der Zunge: Welche Sprache spricht der Weltmeister 2018?

Meine Kollegin sagt, sie würde es den Isländern gönnen. Deshalb sage ich: Der neue Weltmeister spricht Isländisch.