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Katholische KircheDas letzte Abendmahl in St. Marien

Die St.-Marien-Kirche, Gotteshaus der katholischen Gemeinde Loburg, ist in einem bewegenden Gottesdienst entwidmet worden.

Von Stephen Zechendorf 31.12.2018, 07:00

Loburg l „Hiermit entspreche ich der Bitte des Kirchenvorstandes und erkläre die Profanierung der Kirche Unbefleckte Empfängnis in Möckern, Ortsteil Loburg für vollzogen.“ Es sind diese Worte, die das Ende des Gotteshauses St. Marien endgültig besiegeln. Ausgesprochen werden sie von Pfarrer Jörg Bahrke, dem es hörbar schwer fällt, die Worte über die Lippen zu bringen. Es sind die rechtsverbindlichen Worte einer jeden Profanierung, niedergeschrieben vom Magdeburger Bischof Dr. Gerhard Feige.

Es sind nicht nur Mitglieder der Loburger Gemeinde in die Kirche gekommen. Die zuständige Pfarrei „St. Johannes“ mit Sitz in Burg umfasst die Pfarrbereiche Burg, Gommern und Loburg. „Manche sind gekommen, um die Profanierung zu erleben, manche sind nicht gekommen, weil sie es nicht erleben wollen“, so Pfarrer Bahrke zum Anlass des Gottesdienstes: „Der Verstand sagt Ja, aber das Herz sagt Nein. Trotzdem gab es die Entscheidung, die wir heute begehen wollen und vielleicht auch müssen. Ein Weg geht zu Ende, ein neuer Weg fängt an. Danke, dass wir Heimat finden dürfen, in der evangelischen Gemeinde Loburg.“

Es ist die letzte Zusammenkunft der Katholiken im 1909 erbauten Gotteshaus. Es ist eine umstrittene Entscheidung, dass die Gemeinde ihr Gotteshaus nach 109 Jahren aufgibt. Das weiß auch Pfarrer Jörg Bahrke: „Es kann sein, dass wir miteinander nicht alles richtig gemacht haben oder manchmal vielleicht auch die Kommunikation nicht stimmte. Wir hatten verschiedene Erwartungen, aber trotzdem gehen wir gemeinsam diesen Weg. Gott möge uns einen.“ Auch in den weiteren Worten und den Fürbitten ist die Hoffnung herauszuhören, dass die Gemeinde auch nach dieser Entscheidung nicht gespalten werde.

Bahrkes Amtsvorgänger in Loburg, Dr. Gerhard Nachtwei, der 1998 nach dem Tod von Pfarrer Josef Stache für drei Jahre die Amtsgeschäfte in Loburg übernahm, findet in seiner Predigt tröstende Worte: „Wir wissen, alle Dinge haben ihre Zeit und sind irgendwann zu Ende.“ Wie bei Beerdigungen gelte es, nicht nur zu betrauern, was man verliert, sondern auch zu danken, was man hatte. „Wir müssen uns ständig von irgendetwas trennen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Gesellschaft so, wie sie jetzt lebt, auf Dauer weiterleben kann. Irgendwann werden die Leute sich fragen, ‚wollen wir Weihnachten wirklich ganz ohne Religion feiern?‘ Irgendwann brauchen wir vielleicht nicht nur Technik und Wissenschaft, sondern auch so etwas wie Wunder, Glauben und Gefühl. Und vielleicht bauen wir sogar wieder eine neue Kirche!“

Die musikalische Umrahmung dieses Gottesdienstes übernimmt der Kammerchor des evangelischen Kirchenkreises Elbe-Fläming „Laudate“. Auch als Dankeschön dafür, dass der Chor unter Leitung von Thorsten Fabrizi die Kirche einige Male als Probenraum nutzen konnte.

Zu Beginn stimmt die Gemeinde das Lied „Gott ruft sein Volk zusammen“ an. Doch in den vergangenen Jahren war in Loburg nicht mehr soviel Volk gekommen, wenn Gott rief. Zu den Gottesdiensten in St.-Marien fand sich manchmal nur eine Handvoll Gläubige ein, heißt es aus dem Pfarramt in Burg. So sah sich der Pfarrgemeinderat, der sich aus Gemeindemitgliedern aus Burg, Gommern und Loburg zusammensetzt, zur Profanierung des Loburger Gotteshauses veranlasst. Investitionsaufwand und Besucherzahlen standen in keinem Verhältnis mehr, heißt es.

Der letzte Gottesdienst zeigt dagegen eine Besucherzahl, wie man sie der Kirche immer gewünscht hätte. Gemeinsam feiert man das letzte Abendmahl. Alles scheint ganz normal zu sein. Erst die Zeremonie der Profanierung, die all dem ein Ende setzt, macht wieder allen bewusst, warum man sich versammelt hat. Die Zeremonie ist angefüllt mit symbolischen Handlungen. Als erstes entnimmt Pfarrer Bahrke dem Taufstein die Taufschale, danach trägt er das Lesepult aus dem Altarbereich. Es folgt die Heilige Schrift. Danach wird der Tabernakel als Aufbewahrungsort der Hostien geöffnet und ausgeräumt. Und das „Ewige Licht“ erlischt endgültig.

Als letztes schlagen Pfarrer Jörg Bahrke und Gemeindereferentin Kathrin Feineis die Decke des Altars zurück und legen den Reliquienstein im Altar frei. Darunter befindet sich in einem unscheinbaren Kästchen die Reliquie des Gotteshauses. Selbst Pfarrer Bahrke weiß nicht, um welche Reliquie es sich dabei handelt. Ein Splitter aus dem Kreuze Jesus wird es wohl nicht sein. „Dann wäre die Kirche sicher nicht geschlossen worden“, antwortet Bahrke auf entsprechende Nachfrage. Was immer in dem Kästchen enthalten ist – die Reliquie wird an den Bischof zurückgegeben. Ebenso das Missionskreuz und der Tabernakel.

Bevor das katholische Gotteshaus als profaniertes Gebäude an den „Erdbeerkönig“ Robert Dahl abgegeben wird, muss weiteres Inventar ausgeräumt werden. Für Harmonium und Leuchter wurden Interessenten in der Gemeinde gesucht. Andere Gegenstände werden im Haus verbleiben. Auch die Figuren im Chorraum. Seit 1967 ziert ein Relief das Rund hinterm Altar. Es zeigt die Heiligen Laurentius, Petrus, Paulus, Johannes den Täufer, Maria, den Evangelisten Johannes und in der Mitte Jesus Christus. Auch die Keramik über dem Tabernakel wird bleiben.

Während des Aktes der Profanierung singen Kammerchor und Gemeinde „Laudate omnes gentes“ – „Lobsingt, ihr Völker alle“. Der Gesang gilt als ökumenisch, weil er in katholischen und evangelischen Gesangbüchern steht. Es ist der Abgesang auf 109 Jahre katholische Kirchbaugeschichte in Loburg.

Gemeindereferentin Kathrin Feineis verliest Zahlen, die belegen, für wie viele Menschen das Loburger Gotteshaus in all den Jahren eine besondere Rolle gespielt hat: 2123 Menschen haben hier die Taufe empfangen. 2012 haben ihren Glauben in der Feier der Firmung bekannt. Hinzu kommen 1211 erste heilige Kommunionen und zahlreiche Eheschließungen.

Viele Anwesende haben ihre ganz persönliche Geschichte, die mit dem Gotteshaus verknüpft ist. Etwa die Dame, die als Flüchtlingskind von Hohenziatz bis nach Loburg zur Christenlehre lief und später hier heimlich ihren Sohn taufen ließ.

„Es war eine feierliche Beerdigung“, sagt eine andere Frau nachher. Doch das katholische Gemeindeleben in Loburg soll weitergehen und sich künftig in der evangelischen St.-Laurentius-Gemeinde abspielen. Der nächste katholische Gottesdienst findet dort am 12. Januar um 18 Uhr statt.