Jubiläum Kita „Max und Moritz“ in Gommern: Von der DDR in die Gegenwart
Die Kita „Max und Moritz“ wird 50. Ein Blick in die Geschichte offenbart Skurriles, von den Anfängen in der DDR.

Gommern - „Viele Bauberatungen und Baubesprechungen wurden einberufen, es ging heiß her, und es hatte oft den Anschein, als wollte der kleine Wohnwagen der Bauarbeiter bersten. Es gab Schwierigkeiten zu überwinden, angefangen bei der Materialbeschaffung, Schaffung von Baufreiheiten und fehlenden Arbeitskräften“, ist auf den ersten Seiten eines höchst interessanten Buches zu lesen. Geht es um eine aktuelle Baustelle? Es klingt fast so, denn vor exakt den gleichen Problemen stehen Bauherren derzeit allerorten.
Der Text stammt jedoch aus dem „Brigadebuch der Kombination Kindergarten“ - der heutigen Kita „Max und Moritz“ in Gommern - und ist exakt 50 Jahre alt. Dort ist von den Bauarbeiten des Kindergartens zu lesen und den allgegenwärtigen Schwierigkeiten bis hin zur Eröffnungsfeier. So heißt es unter anderem weiter: „Nachdem der Außenbau abgeschlossen war, ging es mit den gleichen Schwierigkeiten im Innenausbau weiter.“
„So froh, wie sich die PGH 'Frohes Bauen' nannte, sah die Sache nicht aus“, wird weiterhin im Brigadebuch angeprangert. Doch Termin ist Termin. Und die Eröffnung des Kindergartens war für den 30. Juni 1972 angesetzt. Komme, was wolle. Angedachte Verschiebungen schmetterte der damalige Bürgermeister Gommerns Bruno Marquardt ab und bestand auch auf den Einzug der Kinder am Tag der Eröffnung.
„Für die Eröffnung sollten zwei Räume vorbildlich eingerichtet sein, um sie der Öffentlichkeit zu übergeben. Alle anderen Räume blieben unter Verschluss, nach dem Motto: Doch wie's da drinnen aussieht, geht niemanden etwas an“, gibt das Brigadebuch weitere Einblicke in den real existierenden Sozialismus vor 50 Jahren.
War in der DDR-Kinderbetreuung alles gut?
Aus heutiger Sicht ist das alles recht amüsant zu lesen, doch damals war es ganz sicher kein Zuckerschlecken. Erstaunlich ist vor allem die Tatsache, dass über die widrigen Bedingungen so freimütig im Brigadebuch berichtet wurde. Ob die Autorin in Folge dessen Schwierigkeiten mit der staatlichen Obrigkeit bekam, ist allerdings nicht überliefert.
„Ich hüte das Buch wie einen Schatz“, sagt Gabriele Eggert. Sie ist seit 2017 Leiterin der Kita, arbeitet - mit einer Unterbrechung - schon seit 1981 in der Einrichtung. Und sie kann einiges von früher berichten. „Im Zusammenhang mit dem Wachsen des ZRAW und Erdöl-Erdgas mussten die vielen Arbeiter irgendwo wohnen. So kam es Anfang der 70er Jahre zum Bau des Neubaugebietes Max-Planck-Straße und Albert-Schweizer-Straße und auch zum Bau der Kindergarten und Krippen-Kombination - Kurzname Kombi Gommern“, berichtet Gabriele Eggert.

Die feierliche Eröffnung fand trotz aller Widrigkeiten am 30. Juni 1972 um 15 Uhr statt. Einem Freitag. Die Leiterin Irmgard Casper erhielt den symbolischen Schlüssel von Otto Bannier, Bauleiter und Stadtrat für Bauwesen. Im begleitenden Artikel der Volksstimme ist von Problemen nichts zu lesen.
Oftmals wird die Vergangenheit verklärt. Insbesondere die Kinderbetreuung zu DDR-Zeiten wird oft noch immer in den höchsten Tönen gelobt. War damals alles perfekt?
„Es gab einen Bildungs- und Erziehungsplan, an den sich gehalten werden musste. Es war alles sehr starr. Jetzt arbeiten wir nach einem situationsorientierten Ansatz, mit dem jedes Kind individuell gefördert werden kann“, zeigt Gabriele Eggert einen großen Unterschied zu damals auf. „Früher standen die Kinder in der Schlange, warteten bis sie dran waren - zum Beispiel beim Essen. Alles war auf Disziplin ausgelegt. Die Kinder waren darauf geprägt, daran gewöhnt. Heute geht es um Selbstbestimmung, das ist unser Ziel.“
Rückgang bei Geburten sorgte für Probleme
Ohne diese Ausprägung auf Gehorchen und Disziplin wäre es schwierig geworden - denn von einem Betreuungsschlüssel wie heute, konnten die Erzieherinnen damals nur träumen. „Ich hatte in der Kita 23 Kinder alleine zu betreuen“, erinnert sich Gabriele Eggert. „Im Krippenbereich ist heute eine Erzieherin für fünf Kinder da, im Kita-Bereich für zwölf“, zeigt sie die positive Veränderung auf.
Und sie berichtet vom Geburtenknick nach der Wende. „Es wurde zeitweilig darüber nachgedacht, den oberen Bereich der Einrichtung als Jugendclub zu nutzen, da er nicht mehr genutzt wurde“, erzählt sie.
Doch das ist Geschichte. Heute besuchen mehr Kinder als je zuvor die Kita „Max und Moritz“. Und all diese Kinder, ihre Eltern, Großeltern, Freunde und viele, viele Ehemalige feierten am Freitag ein großes Kinderfest zum 50. Jubiläum der Einrichtung, das lange in Erinnerung bleiben wird.