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Lockdown Kritik am Homeschooling

Unterricht zuhause, das läuft an der Sekundarschule Möser offenbar nicht so gut, wie Eltern sich das vorstellen. Wir haben nachrecherchiert.

Von Anke Reppin 19.01.2021, 00:01

Möser l „Was hier passiert, das ist kein Unterricht“, beschwert sich der Vater eines Sekundarschülers (Name ist der Redaktion bekannt). „Da wird einfach etwas hingeschmissen und nun macht mal, aber kontrolliert wird es nicht“, sagt er. Letzteres sogar mit Ansage. Ein Fachlehrer hat auf seinem Wochen-Arbeitsblatt für die Achtklässler notiert: „Bitte sendet mir Aufgaben nur zu, wenn ich es ausdrücklich verlange. Alle anderen Aufgaben kontrolliert ihr selbständig.“ Dazu würden die Lösungen zeitversetzt zugesandt. Der Lehrer bietet an, dass er bei Fragen per Mail zu erreichen ist. Oder einmal pro Woche für eine Stunde telefonisch – bei vorheriger Anmeldung per Mail.

Sein Eindruck sei, sagt der Vater, einige Lehrer würden es sich einfach machen wollen. „Es wird einfach nur schnell abgewickelt.“ Seit geraumer Zeit versuche er, telefonisch dazu mit der Schulleitung in Kontakt zu treten – ohne Erfolg. Es werde sogar „frech aufgelegt“.

Schulleiterin Simone Kießling ist verwundert. Weder bei ihr noch beim genannten Fachlehrer sei eine Beschwerde angekommen. Bei der Organisation des Distanzlernens würde sich die Sekundarschule Möser an die Vorgaben des Landes halten, erklärt Kießling. „Jeder Klassenlehrer und jeder Fachlehrer hält Kontakt zu seinen Schülern“, sagt sie. Da die wöchentliche Stundenanzahl unterschiedlich sei, sei auch die Vergabe von Aufgaben unterschiedlich zu handhaben.

Wenn für ein Fach laut Stundentafel eine Stunde vorgesehen sei, dann würden auch die Aufgaben wochenweise aufgeteilt. „Dass nicht jede Aufgabe eingesammelt wird, ist selbstverständlich“, so die Schulleiterin. Genauso selbstverständlich sei es, dass die Schüler nach Erledigung der Aufgaben Lösungen bekämen, wie auf dem Aufgabenblatt vermerkt, und so selbstständig die Aufgaben kontrollieren könnten.

„Mit dem Angebot zur Besprechung geht der Kollege genau den Weg, den das Bildungsministerium vorsieht.“ Eine Stunde Unterricht pro Woche bedeute auch eine Stunde Kontakt zu den Schülern. „Da die technische Ausstattung unserer Schule keine Videokonferenzen zulässt, sind wir auf Mails oder das Telefon angewiesen“, erklärt Simone Kießling. Um den Nachfragen gerecht zu werden, müsse man sich schon organisieren, was nur per notwendiger Anmeldung per Mail möglich sei.

Die Schulleiterin gibt darüber hinaus zu bedenken, dass die Kollegen weiterhin den Unterricht der Abschlussklassen vor Ort leisten müssten und auch deshalb nicht zu jeder Zeit zu sprechen sind.

Der Vater des Achtklässlers klingt regelrecht verzweifelt. Schon vor dem Distanzunterricht seien regelmäßig drei bis vier Fächer aufgrund von Lehrermangel ausgefallen. Aus seiner Sicht geben sich die Lehrer wenig Mühe, den Unterricht auch in der Distanz so ordentlich wie möglich fortzusetzen. So habe der Unterricht in einem Fach vor Weihnachten so ausgesehen, dass die Kinder unter anderem beantworten sollten, was das weiße auf den Zimtsternen ist – Buttercreme, Zuckerguss oder Puderzucker? Wenn das Unterricht für Achtklässler sei: „Wie sollen die Kinder denn dann in anderthalb Jahren ihren Abschluss machen?“, fragt er besorgt. Er ist mit dieser Sorge unter den Eltern nicht allein.

Während andere Schulen Moodle und Videokonferenzen nutzten, muss man sich, um die Aufgaben für die Schüler der Sekundarschule Möser herunterzuladen, erstmal den Webbrowser Firefox herunterladen. Einen Browser, den so gut wie niemand benutzt.

Unverständlich ist die wenige digitale Gestaltung des Distanzunterrichtes insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Sekundarschule Möser zu den so genannten Lindius-Netzwerkschulen im Jerichower Land gehört, wie die Kreisverwaltung im November 2020 mitteilte. Wer das Prädikat „Lindius“ erhalte, der fungiere als regionales Zentrums der Lehrerfortbildung. Hier würden neue Unterrichtskonzepte erarbeitet und erprobt, heißt es in einer Pressemitteilung des Landkreises. Neben dem Titel erhielten die Schulen auch Geld für zusätzliche technische Ausrüstung. An der Sekundarschule Möser sind das 140.000 Euro. Ein Teil des Geldes soll auch in die Anschaffung neuer Laptops investiert werden, insbesondere aber geht das Geld in die Erneuerung der veralteten Servertechnik. Das ist aber ganz offensichtlich Zukunftsmusik. Das Prädikat wird demnach schon verliehen, bevor Schulen und ihre Lehrer technisch überhaupt in der Lage sind, dem gerecht zu werden.

Grundsätzlich gebe es keine konkreten Vorgaben zur Übermittlung von Aufgaben und Inhalten durch das sachsen-anhaltische Bildungsministerium, erklärt dessen Pressesprecher Stefan Thurmann. Es sei „Teil der pädagogischen Freiheit, den geeigneten Weg zu wählen“. Allerdings habe das Land über die verschiedenen Anwendungen des Bildungsservers zahlreiche Möglichkeiten im Angebot, wie der Distanzunterricht zu organisieren sei. Unter dem Dach des Bildungsservers seien alle Möglichkeiten gebündelt. Hier stünden Apps, Moodle, E-Maildienste, emuCloud, emuTube und vieles mehr zur Verfügung.

Ob und wie die Inhalte des Bildungsservers genutzt würden, sei abhängig von der technischen Ausstattung und vom Kollegium der jeweiligen Schule, weiß Thurmann. Nutzen könnten den Server grundsätzlich alle Schulen. Jede Schule müsse ihren individuellen Weg finden, sagt der Pressesprecher. Eltern, die Probleme beim Distanzunterricht sehen, empfiehlt er, das Gespräch mit dem Klassenlehrer zu suchen.

„Es ist eine verständliche Sorge, dass Abschlüsse keinen Corona-Makel haben sollen“, sagt Thurmann. Ziel des Ministeriums sei es, dass die Prüfungsbedingungen „angemessen“ sein sollen. Es solle definitiv keinen geschenkten Abschluss geben. Dennoch solle die Pandemie-Situation mit ihren Auswirkungen, wie eben dem monatelangen Distanzunterricht, ausreichend berücksichtigt werden. Dies könnte nach den heutigen Vorstellungen des Bildungsministeriums etwa über vermehrte Wahlaufgaben bei den Prüfungen gelingen.