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Psyche Wenn Weihnachten Angst macht

Die Tage rund um Heiligabend können massiven psychischen Druck bedeuten. Das beobachten auch die Beratungsstellen im Jerichower Land.

Von Susanne Klose 22.12.2018, 00:01

Burg/Genthin l „Perfektionismus ist nicht gut“ – Klaus Heinemann hält wenig von dem hochglanzpolierten Bild der unfehlbaren Familie, die zu den Feiertagen zusammenkommt. Denn Perfektionismus und der Druck, der dadurch auf emotionaler und psychischer Ebene entsteht, kann krank machen, bis zur Panikattacke, allein beim Gedanken an die kommenden Festtage. Diese schleichende Spirale kennt Heinemann, Leiter einer Selbsthilfegruppe für Angst- erkrankungen in Burg, aus eigener Erfahrung.

„Ich bin selbst daran erkrankt, ich hatte so etwas wie einen Burn-Out, das nannte damals nur noch niemand so“, erzählt der 68-Jährige. 2000 wurde er in der Tagesklinik Burg, einer Außenstelle des AWO Fachkrankenhauses Jerichow, behandelt. Die positiven Erfahrungen dort wollte er unbedingt weitergeben und gründete 2009 die Selbsthilfegruppe für Angsterkrankungen.

Dass psychische Erkrankungen auch im Jerichower Land weiter auf dem Vormarsch sind, spiegelt der DAK-Gesundheitsreport 2018 wider. Im Vergleich zu 2016 sind im Jahr 2017 die Fehltage pro 100 Arbeitnehmer allein im Bereich psychischer Erkrankungen um rund 24 Prozent gestiegen. Im Schnitt verursachten diese Erkrankungen 274 Fehltage auf 100 Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt, im Jerichower Land sind es 378. Damit liegt die Region im Vergleich 43 Prozent über dem Durchschnitt.

„Die Ursachen der Erkrankungen sind komplex, die eine Ursache gibt es in der Regel nicht“, erklärt Dr. Henning Preisler, Amtsarzt des Landkreises. Dabei spielten auch „soziale Faktoren“ eine Rolle. Insbesondere langanhaltende Stresssituationen wie beispielsweise berufliche und familiäre Belastungssituationen seien hier von Bedeutung.

Und die können sich gerade um die Feiertage häufen. „Insgesamt gibt es da in der dunkleren Jahreszeit einen Trend nach oben, gerade wenn sich Weihnachten und Silvester nähern“, so Jan Eiglmeier von der Drogen- und Suchtberatungsstelle (DROBS) Burg. Das gelte auch für die Gruppe der Suchtkranken. Die Beratungsstelle verweist dann auch an Klaus Heinemanns Selbsthilfegruppe.

„Die Ursache für eine Angsterkrankung ist in vielen Fällen Stress“, weiß Heinemann. Das kulminiere dann an den Feiertagen. Alle zwei Wochen trifft sich die Gruppe, um sich gegenseitig gegen die Angst zu helfen.

Denn Außenstehenden fällt es oft schwer, sich in die Rolle der Personen, die unter dieser „unsichtbaren“ Erkrankung leiden, hineinzuversetzen. Rund ein Viertel der Angehörigen und Freunde habe kein Verständnis für Angst- und Panikerkrankungen, sagt Heineman. „Es ist wichtig, dass die Betroffenen sich nicht alleine fühlen“, so der Gruppenleiter.

Dafür sind dann die Selbsthilfegruppen erster Ansprechpartner, auch in Genthin. „Unsere drei Selbsthilfegruppen für Depressionen haben sich vor den Feiertagen alle noch einmal getroffen“, so Andreas Fehrecke, Leiter der Drogen- und Suchtberatung Genthin.

Für Klaus Heinemann sind die Gruppenmitglieder aber nicht reine Leidensgenossen. „Wir machen Ausflüge zusammen, bei uns wird auch viel gelacht“, betont der 68-Jährige. Vor allem aber sind sie eins: Erste Ansprechpartner, wenn es mal besonders kritisch wird. „Wir haben unsere Nummern untereinander ausgetauscht“, erklärt Heinemann.

Sollte also an den Feiertagen jemand von den etwa zehn Teilnehmern der Gruppe bemerken, wie die Atmung flacher wird, der innere Druck steigt und sich eine Panikattacke anbahnt, weiß er: Ich bin nicht alleine.