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Restauration Schönheitskur für Heiligen Antonius

Seltene Ritzmalereien im Chorraum der Rosianer Dorfkirche werden für die Nachwelt erhalten. Hinter den Kulissen einer Restauration.

Von Stephen Zechendorf 27.04.2020, 01:01

Mit einem Skalpell den dicken Zementputz eines Kirchenaltarraumes abkratzen, diesem Vorhaben widmet sich seit Mitte März ein Restauratorenteam in der Rosianer Dorfkirche

Rosian l Im kleinen Altarraum der Rosianer Kirche findet sich eine Besonderheit: die Darstellung der zwölf Apostel in feinen roten Linien. Es handelt sich um mittelalterliche Ritzmalereien aus der Zeit um 1500, wie sie heutzutage nur noch selten erhalten sind. Sie zeigen in zwei Reihen rechts und links an den Wänden die Darstellungen von Heiligen. Erkennbar sind etwa Petrus, Andreas, Paulus und Antonius.

„Der Ostchor der Kirche, der auch einen Flügelaltar aus der Zeit um 1480 beherbergt, soll in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege in den Zustand um 1500 zurück versetzt werden“, erklärt der für Rosian zuständige evangelische Pfarrer Georg Struz: „Restauratorische Untersuchungen haben ergeben, dass um diese Zeit die Kirche komplett ausgebrannt ist.“ Die Ursprünge des Rosianer Gotteshauses gehen auf das 13. Jahrhundert zurück. Eine erste schriftliche Erwähnung der Kirche stammt aus dem Jahr 1274.

In den Altarraum wurde vor über 100 Jahren wegen aufsteigender Feuchtigkeit an Wand und Boden eine Zementschicht aufgebracht. Dieser Zement ist es, der die Ritzmalerei teils verdeckt und zu zerstören droht. „Der Zementputz hat viel kaputt gemacht“, sagt Petra Drott, die das Restauratorenteam leitet.

Weil die Feuchtigkeit nicht verdunsten konnte, griff sie den Kalkputz an, in den die Zeichnungen geritzt wurden. Es ist Aufgabe von Petra Drott, Friederike Hänold und Denis Breitkreutz, die Zementschicht mit Skalpell und leichtem Werkzeug wieder zu entfernen. „Da wird noch viel zum Vorschein kommen“, ist die Restauratorin sicher. Vieles ist in den zurückliegenden Jahrhunderten übermalt worden, möglicherweise nach der Reformation.

Zugleich festigen die Restauratoren die obere Malschicht. Mit einer Spritze rückt Petra Drott dem Heiligen Antonius zuleibe und hinterfüllt einen Hohlraum im locker gewordenen Originalputz. Ziel der Arbeiten ist jetzt die Freilegung. Der Verlust der vorhandenen historischen Substanz soll verhindert werden.

„Hier in der Gegend habe ich solch eine Malerei noch nicht gesehen“, lobt Petra Drott die malerische Qualität der lebensgroßen Figuren. „Perspektive und Proportionen sind im Lot, alles ist stimmig konstruiert. Das hat jemand gemalt, der sein Handwerk verstanden hat“, so Drott. Sie glaubt, dass der Künstler aus Magdeburg kam, damals eine kulturelle Hochburg. Die Restauratorin vermutet, „dass die Kirche einmal Geld bringen sollte, vielleicht als Wallfahrtskirche.“

Das bestätigt auch Pfarrer Struz: „Als eine der Pfarrkirchen des Domkapitels in Magdeburg besaß sie wohl eine größere Bedeutung. Angelegt als eine dreischiffige Basilika wurde die Kirche schließlich doch nur einschiffig gebaut. Reste der alten Fundamente sind noch im Außenbereich der Kirche sichtbar.“

Vermutlich im Mai, wenn der Zementputz entfernt ist, muss in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalschutz überlegt werden, wie es weitergehen soll. Es ist dann auch zu klären, welcher Stand erhalten werden soll. Denn im Altarraum sind ehemalige Fensterbögen zu erkennen. Um diese herum verliefen auch die Malereien. Doch um das Jahr 1530 wurden diese Fenster zugemauert und verputzt. Auch in den Nischen finden sich Anzeichen von Malereien, die sich von den Ritzmalereien unterscheiden.

Der jetzigen Restaurierung vorangegangen war eine Bestandsaufnahme durch eine Studentin für Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung von Kunst und Kulturgut an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Martina Klinkert hatte die Ritzungen untersucht, die vor Jahrhunderten in den feuchten Putz geführt worden waren, sie dokumentierte die linearen und grafischen Darstellungen und lobte die interessante Symbiose aus Malerei und Grafik: „Vermutlich wurde in eine helle Tünche erst geritzt und dann mit Rötelfarbe gemalt.“

Ermöglicht wird die aktuelle Sanierungsmaßnahme unter anderem durch 148 000 Euro Leader-Mittel der Europäischen Union, den Kirchenkreis, den Verein Straße gotischer Flügelaltäre und zahlreiche Spenden, informiert Pfarrer Struz.

Seit dem Jahr 2006 ist die Gemeinde dabei, das kleine Gotteshaus zu sanieren. Die Sanierung und Restaurierung geht nur in kleinen Schritten. Begonnen wurde mit dem Fachwerkturm, es folgten 2010 die Sanierung und Instandsetzung des Dachstuhls samt Neueindeckung sowie die Außenputzarbeiten im Bereich des Ostchores. 2013 schlossen sich die Dachstuhlsanierung, Neueindeckung und Außenputzerneuerung am Hauptschiff an. 2016 folgte die Untersuchung der Ritzmalereien im Altarbereich und die Erstellung des Restaurierungskonzeptes.

Für 2020 sind neben der Restaurierung des Altarraumes auch eine Fußbodenerneurung und die farbliche Gestaltung der Wände und Decke vorgesehen.