Ist Gommern auf Hochwasser vorbereitet? Überschwemmungen der Ehle machen den Menschen in Gommern schon seit Jahrhunderten zu schaffen
Ein Blick in die Geschichte der Ehlehochwasser hilft, auf kommende Ereignisse vorbereitet zu sein.

Gommern - Die schrecklichen Bilder der massiven Überschwemmungen in Teilen Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz von vor knapp zwei Wochen sind noch allgegenwärtig. Ganze Orte wurden nahezu von den Wassermassen weggerissen. Brücken, Häuser, selbst Fundamente wurden einfach weggespült. An die 200 Menschen sind bei der Katastrophe ums Leben gekommen. Die Schicksale derer, die alles verloren haben, kann man nur erahnen. Die Aufräum- und Aufbauarbeiten werden Milliarden kosten und viele Jahre in Anspruch nehmen.
Topografie spielt Gommern in Karten
Sieht man diese Bilder, fragt man sich zwangsläufig: Könnte so etwas auch in Gommern passieren? Die topografische Lage der Ehlestadt ist grundlegend anders, als die der westdeutschen Katastrophengebiete, die teilweise in Tälern liegen. Dass die Ehle - ähnlich der Bäche im derzeit betroffenen Gebiet - auf bis zu acht Meter ansteigen könnte, ist daher ausgeschlossen.
Gerade in den letzten Jahren ist aber verstärkt zu beobachten, dass die sogenannten Starkregenereignisse zunehmen. Immer wieder kommt es zu massiven Regenfällen, die die Abwasserkanäle an ihre Grenzen bringen. Ganze Straßenzüge stehen unter Wasser, Keller laufen voll. Sollte es zu einer Kombination aus Starkregenfällen mit einem zeitgleichen Ehlehochwasser kommen, könnte es auch in Gommern extrem brenzlig werden.
Erinnerung an Elbhochwasser 2002 und 2013
„Ach, bis jetzt ist uns noch nie was passiert“, ist ein oft gehörter und schnell gesagter Satz, der die Leichtfertigkeit im Umgang mit Unwetterkatastrophen zeigt. Kurz nach den Überschwemmungen von vor zwei Wochen wurden Fragen laut, ob man nicht hätte wissen können, dass so etwas passieren könnte. Eine allgemeine Katastrophenvergesslichkeit wurde konstatiert.
Liegen Extremereignisse zehn, 20 oder 30 Jahre zurück, sind sie noch im kollektiven Bewusstsein gespeichert. Wohl jeder kann sich noch an die Elbhochwasser 2002 und 2013 erinnern. Man erinnert sich, wie schlimm es war und wieder sein könnte. Was aber ist mit weit zurückliegenden Überschwemmungen und ihren Auswirkungen, die eine Warnung sein könnten?
Ein Blick in die Chroniken Gommerns zeigt, dass Ehlehochwasser den Menschen seit Jahrhunderten zu schaffen machen. Die Chronik stammt von Emil Meyer aus dem Jahre 1897. Seine Aufzeichnungen beginnen mit einem Hochwasser der Ehle im Jahre 1595. Gommern soll halb überschwemmt gewesen sein und alle Brücken wurden stark beschädigt.
Anwohner aus Kahn versorgt
Weihnachten 1601 führte starkes Tauwetter wieder zu Hochwasser der Ehle. Im Jahre 1622 trat die Ehle fast jeden Monat über ihre Ufer. 1795 ein sehr strenger Winter mit Hochwasser, dass am 10. und 11. Februar „der Strom durch den Hagen ging“, sprich: Die Hagenstraße wurde von der Ehle überflutet. Im Jahre 1828 lief das Wasser wieder durch die Hagenstraße, über den Marktplatz bis zur Breiten Straße und zur Apotheke. Der Pfarrgarten und die Pfarrscheune standen unter Wasser. Der Superintendent fuhr mit einem Kahn durch die Hagenstraße und reichte den Eingeschlossenen Essen und Trinken. Danach wurden die Ehledämme erhöht und verstärkt.
Am 3. März 1855 gab es durch Tauwetter wieder Hochwasser. Für das 2. Quartal des Jahres 1871 bezeichnete Emil Meyer die Witterung als anormal. Es regnete fast jeden Tag. Alles stand unter Wasser. Am 17. Februar 1876 trat die Ehle wieder über ihre Ufer und überschwemmte Äcker und Wiesen und auch zum Teil die Kreischaussee zwischen Gommern und Dannigkow. Im Jahre 1879 gab es im Januar und Februar große Schneemassen, deren Auftauen wieder zu Überschwemmungen führte.
Hagenstraße immer wieder überschwemmt
Auch 1881 wieder mal Überschwemmung in Gommern. Im März 1886 schneite es dermaßen viel, dass nach dem Schnee das Tauwetter dafür sorgte, dass die Ehle wieder über die Ufer trat. Der Wasserstand erreichte dieselbe Höhe wie 1876.
Und es geht weiter: Januar 1968 trat Tauwetter auf. Die Ehle führte Hochwasser, der Schützengang war überflutet, ebenso die Gärten. Ein drohender Bruch des Ehlewalls konnte verhindert werden. 1979 wieder Hochwasser. Der Schützengang und die Gärten standen unter Wasser. Anfang April gab es wieder Hochwasser, ausgelöst durch viele und starke Regenfälle.
Die letzten Ehlehochwasser datieren auf September 2010 und Januar 2011. Teile der Hagenstraße und die Gartenanlagen rund um den Schützengang standen unter Wasser. Seither ist es ruhig. Doch der Blick in die Geschichte zeigt, dass man vorbereitet sein sollte.
Hagenstraße würde komplett unter Wasser stehen
Genauere Informationen zur Gefahrenlage bei einem Ehlehochwasser findet man auf den Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten Sachsen-Anhalts vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW). Die Karten sind unterteilt in zehnjährige, 100- und 200-jährige Ereignisse.
Bei einem 200-jährigen Hochwasserereignis der Ehle stünde die Hagenstraße samt aller links und rechts befindlicher Gebäude komplett unter Wasser. Ebenso Schützengang und der anliegenden Gartenanlage - teilweise bis zu zwei Meter tief. Ebenso würde das Gebiet zwischen Walther-Rathenau-Straße, Großer und Kleiner Gartenstraße unter Wasser liegen. Stark betroffen wären zusätzlich auch die Wiesenstraße und Teile der Manheimerstraße. Von der Wasserburg bis hin zur Pretziener Straße samt Sportanlage am Volkshaus stünde bis weit hinter den Königlichen Weg alles unter Wasser.
Kleine Hochwasser können gefährliches Problem werden
Wie ist man in Gommern auf ein solches Ereignis vorbereitet? „Wir hatten meiner Erinnerung nach bisher keine Extremhochwasser in den letzten 50 Jahren“, äußert sich Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein. „Aber auch kleinere Hochwasser haben uns gezeigt, dass unser kleines Flüsschen schnell mal zu einem gefährlichen Problem werden kann. Mit der Ehle haben wir das Problem, dass das Wasser einmal als Drängewasser aus der Gartenanlage am Schützengang in die Hagenstraße drückt und zusätzlich zwischen Wasserburg und der ersten Bebauung hineinläuft“, schätzt Hünerbein ein.
„Das sind wir in den letzten Jahren angegangen und haben auch an neuralgischen Punkten auf den Wiesen Richtung Dannigkow Wallungen verbaut“, so der Bürgermeister. In Zusammenarbeit mit dem LHW gibt es ein Hochwasserschutzkonzept der Ehle. „Davon haben wir schon einige kleinere Maßnahmen umgesetzt. Ein größeres Projekt soll folgen. Es geht darum, die Abflussgeschwindigkeit der Ehle innerorts zu erhöhen, um Hochwasser schneller aus dem bebauten Bereich abzuleiten.“


