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Geschichte Pappenheims altmärkische Wunderwaffe

Am 20. Mai 1631, während des 30-Jährigen Krieges fiel die Stadt Magdeburg. Die dafür geplante „Geheimwaffe“ wurde in Gardelegen gebaut.

Von Jürgen Bajerski 20.05.2018, 01:00

Gardelegen l Schon zwei Jahre zuvor hatte sich General Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim mit dem Angriff auf Magdeburg befasst – und dabei die Vorschläge des italienischen Ingenieurs Pompeo Targoni berücksichtigt. Targoni nämlich hatte leicht aufzubauende Schutzwände zum Bau oberirdischer Tunnel und mobile Brückenkonstruktionen vorgeschlagen.

Und Pappenheim, ab 1628 als Generalzeugmeister der Katholischen Liga für die Entwicklung und Erprobung neuer Waffen zuständig, gefielen die Vorschläge offenbar.

Und so begannen auf seine Anweisung bereits im Mai 1629 in Gardelegen die Arbeiten zum Bau einer gigantischen Brückenkonstruktion.

Diese war mit etwa 15 Metern Höhe, 13 Metern Breite und 37 Metern Länge das vermutlich größte fahrbare Kriegsgerät der damaligen Zeit. Aufgrund des Eigengewichtes war es nach Pappenheims Aussage allerdings nur auf festem Terrain einsatzfähig.

Am 10. September 1629 übernahm Pappenheim von General Albrecht von Wallenstein den Oberbefehl über die Belagerung Magdeburgs. Drei Tage später empfing er Abgeordnete des Magistrats der Stadt.

Denen gegenüber bekräftigte Pappenheim noch einmal die Kontributionsforderungen des Kaisers Ferdinand II. und drohte mit der Erstürmung Magdeburgs. Wörtlich soll Pappenheim gesagt haben, dass er: „an der Stelle, welche für die festeste gelte, ohne Schaden (mit seinen Truppen) herein gelangen könnte!“

Gemeint war damit schon zu diesem Zeitpunkt offensichtlich ein Angriff mit der im Bau befindlichen Brückenkonstruktion durch den fünf Meter tiefen Trockengraben der nördlichen Stadtbefestigung.

Richtig ernst nahmen die Mitglieder des Magistrats die Drohung allerdings erst drei Monate später.

Zu diesem Zeitpunkt war in Gardelegen, damals Pappenheims Quartierort, der riesige Kriegswagen nämlich nicht mehr zu verheimlichen. Die Fertigstellung der Brückenkonstruktion war damals zwar noch nicht abgeschlossen – dies sollte noch bis Weihnachten 1630 dauern. Dennoch sorgte sie bereits für Geschrei und Aufregung in aller Munde.

In der Nähe der Tag und Nacht bewachten Konstruktion wurden Schaulustige aus Stendal, Salzwedel, Helmstedt, Bremen und auch aus Magdeburg gesehen.

Am 9. Oktober 1629 musste die Belagerung Magdeburgs allerdings zunächst vorzeitig abgebrochen werden. Schwedische Kriegsschiffe bedrohten die Küsten, und so mussten Pappenheims Kompanien im Eilmarsch nach Wismar marschieren.

In der Zwischenzeit nahm der Kunstwagen in Gardelegen allerdings Form an. In der Gardeleger Chronik „Notabilia“ wird berichtet, wie die Konstruktion am 24. Dezember 1630 von rund 100 Soldaten mit langen Seilen ins Rollen gebracht wurde.

Später wurden „innenwendig zwischen den Rädern“ zwei Pferde gesehen. Vermutlich sollten sie die zum Sturm gedachte Brücke durch oberirdische Galerien bis an das feindliche Festungswerk ziehen.

Die Lenkung erfolgte übrigens durch eine Person, die oben mit einem „Ramm-Rad!“ die Richtungsänderungen vornahm. Und das funktionierte offenbar. Nach diversen Rollversuchen wurde der Wagen nämlich zunächst wieder auseinander gebaut und im Marstall von Gardelegen eingelagert.

Ab März 1631 wurde Magdeburg dann erneut von den kaiserlichen Truppen belagert, und Pappenheims Regimenter übernahmen den Angriff auf den nördlichen Abschnitt der Stadtbefestigung.

In der Nacht zum 20. Mai 1631 ließ er dort sieben oberirdische Galerien aufstellen. Im Schutz dieser Galerien gelangten Pappenheims Truppen fast unbehelligt bis an den Fuß der Neuen Bastion und des Hohen Tores.

Die Erstürmung des Festungswerkes erfolgte mühselig mit Leitern und Seilen, die vermutlich vorher in Gardelegen eingesammelt worden waren.

Mit Hacken und Picken wurden für den Angriff auch Stufen in das Festungswerk geschlagen. Erst nach zwei Stunden konnten Pappenheims Truppen in die Stadt eindringen.

Mit dem Einsatz der Brückenkonstruktion wären die Kampfhandlungen vermutlich anders verlaufen. Denn der von Pappenheim angedachte Einsatz der Brückenkonstruktion blieb letztendlich aus. Die Konstruktion befand sich zu diesem Zeitpunkt nämlich bereits an einem Ort, den nur von Wallenstein kannte.

Der hatte schon am Anfang 1630 versucht, die Brückenteile zu stehlen. Während einer Besprechung mit Pappenheim schickte er heimlich dreißig Fuhrwerke nach Gardelegen, um sich der Konstruktion zu bemächtigen.

Doch die Fuhrwerke mussten nach zwei Tagen leer zurück fahren, weil entsprechende Anweisungen von Pappenheim fehlten.

Erst am 30. August 1630, dem Bartholomäustag, gelang es von Wallenstein doch noch, die Brückenteile nach Halberstadt zu überführen.

Danach verlieren sich die Spuren des „Kunstwagens“, der damals im altmärkischen Gardelegen für so viel Aufsehen gesorgt hatte.

 

 

Quellen:

-Seidel, Paul 1616: Notabilia oder Aufmerkliche Sachen von der Stadt Gardelegen Staatsbibliothek zu Berlin ms. Boruss. Quart. 7 (Handschrift), S.189 und 199.

-Schultze, Christophorus 1668: Auf-und Abnehmen der löblichen Stadt Gardelegen, Gedruckt bei Andreas Güssow /Stendal, Reprint 1995 dbw Märkischer Kunst- und Heimatverlag Kalbe/Milde- Hechthausen, S.142

- Stadler, Barbara 1991: Pappenheim und die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Gensberg-Verlag Winterthur, S.403, 364,365,366,389 und 798