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Konzert Chansonabend mit Suzanna und Karsten Troyke

Karsten Troyke und Suzanna gastierten in Gardelegen. Rund 70 Zuhörer erlebten in der Bibliothek ein Konzert der besonderen Art.

Von Petra Hartmann 04.10.2017, 03:00

Gardelegen l „Chanson total“ - so nannten Suzanna und Karsten Troyke ihr Programm. Und was „total“ meinte, merkten die rund 70 Zuhörer in der Gardeleger Bibliothek schnell: Eine Welt von Liebe, Wahnsinn und Alltagsfrust, skurrilen Begegnungen und musikalischem Temperament, dramatische Szenen, die auf ihrem Höhepunkt in schrägen Humor umkippen, Sprechgesang und Stimmakrobatik. Ein Abend von Kreisler bis Cohen, von der Bibel bis zur Internationalen, eine Weltreise mit russischen und Roma-Liedern, französischen Chansons, jiddischen und hebräischen, sogar sächsischen Klängen – eben total.

Mit Liedern von Georg Kreisler eröffnete das Duo, begleitet von dem Pianisten Götz Lindenberg den Abend: „Ein Abend zu zweit“ hieß es programmatisch, die Gedanken eines Paares, beide grau geworden, beide gelangweilt, missmutig und den anderen nicht mehr ausstehen könnend, aber: „Wir wollen Ihnen eigentlich nicht einen langen Fernsehabend ersetzen“, versprach Troyke und rief zum Schunkelabend auf - „aber nur jeder zweite.“

Wahnsinn und Tiefsinn, ein Loblied auf die Schizophrenie folgten, und als Suzanna mit der Leidenschaft einer Triebtäterin von der unwiderstehlichen Notbremse eines Zuges sang - „Ach, Herr Stationsvorsteher, ich tat es ja aus Not, mich reizte ja so sehr das Schild mit dem Verbot“ - welcher Stationsvorsteher hätte sie da noch verurteilen können?

Leidenschaftlich und gleichzeitig biblisch ging es weiter: Eines der ältesten Liebeslieder der Welt hatten Troyke und Suzanna mitgebracht und trugen den „Erev shel shoshanim“ aus dem „Shir hashirim“, dem Hohen Lied Salomos vor.

Zungenbrecherisch und in rasantem Tempo sprudelte Troyke die böhmische Telefonbuchpolka hervor, erzählte, was nach dem Tode kommt, jedenfalls soweit es Seeleute betrifft, und wechselte vom Grab in den Wellen unversehens zur Internationalen über.

Ein Höhepunkt des Abend waren zweifellos die jiddischen Lieder, die Troyke mit seiner eigenwilligen, markanten Kratzstimme vortrug. Ein lebendiges „Shuloym Aleykhem“ klang auf, aber auch die Begegnung mit einer Welt, die in Trauer ist. In drei Sprachen – Englisch, Hochdeutsch und Jiddisch, übersetzt von Troyke – war Leonard Cohens „Dance me to the end of love“ zu hören.

Suzannas Roma-Lieder rissen das Publikum mit, und als die beiden die russischen „Otchii Tschornoye“ besangen, sang das Publikum aus voller Kehle mit: „Ja lubljú tebjá – heißt: Ich liebe dich.“

Verblüffend auch ein Stimmwechsel der beiden, als Suzanna das Lied von Laila aus dem Freudenhaus in Algier anstimmte, und plötzlich aus ihrem Mund die röchelnde Stimme eines im Lazarett verendenden Legionärs kam – perfekt hineinsynchronisiert von Karsten Troyke. Und als zum Abschluss im breitesten Erzgebirgeton der Wunsch „Ich möchte einen Mann verhätscheln – wie seine Mutter es getan“ durch den Raum hallte, applaudierte das Publikum begeistert.

Es war ein Abend, der mitriss und Spaß machte, der absurde Geschichten, feurige Rhythmen, Gelächter und eine musikalische Weltreise in sich vereinte. Wer nicht dabei war bei diesem Konzert zum Altmärkischen Musikfest, der hat eine Menge verpasst.