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Waldschutztag Medizin auch für den Wald

Zum ersten Waldschutztag haben die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) und der Forstbetrieb Kenzendorf eingeladen.

Von Gesine Biermann 13.12.2017, 22:00

Kenzendorf l Wie behandelt man einen kranken Wald? Reicht es, auf die Kraft der Natur zu vertrauen oder muss der Mensch nachhelfen? Und inwieweit darf eingegriffen werden? Mit diesem Thema befassten sich vor wenigen Tagen Wissenschaftler und Waldeigentümer im Forstbetrieb Kenzendorf. Denn der ist einer von sechs Beispielbetrieben in Deutschland. In ihnen sollen die Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes auf hohem fachlichen Niveau demonstriert und innovative Verfahren auf ihre Praxistauglichkeit erprobt werden. Gleichzeitig sollen sie als Multiplikator fungieren.

Gastgeberin Edelgard Dümpert-von Alvensleben und ihr Bruder Ludolf von Alvensleben hatten den Wald 2001 von der Treuhand zurückerworben. Die Familie sei seit Jahrhunderten in der Altmark verwurzelt, betonte Edelgard Dümpert-von Alvensleben, die ihr Unternehmen zu Beginn vorstellte. In den vergangenen Jahren sei Aufforstung ein großes Thema gewesen, leider aber auch der Schädlingsbefall.

Diplom-Forstfachwirt Christoph Hahne, der den Betrieb seit Anbeginn betreut, nannte dazu konkrete Zahlen. Große Probleme mache im Wald, vorwiegend Kiefernbestand, unter anderem die Kiefernbuschhornblattwespe und der Diplodiapilz. Erstere hatte im Jahr 2010 dafür gesorgt, dass eine Fläche von rund 20 Hektar am Stück habe abgeholzt werden müssen, berichtete Hahne.

Zwar plane das Unternehmen langfristig, den Kiefernbestand zu reduzieren. „Douglasie, Eiche oder Roteiche würden unter anderem infrage kommen.“ Allerdings sei auf einem so armen Boden die Kiefer nun mal einfacher nachzupflanzen.

„Ein stabiler Mischwald“ sei langfristig natürlich eine gute Option, betonte Michael Habermann, Leiter der Abteilung Waldschutz der NW-FVA. Dennoch spiele „das Gesetz des Örtlichen nun einmal auf einer anderen Klaviatur.“ Zudem müssten die langen Zeiträume der Forstwirtschaft berücksichtigt werden: „Der Wald ist eben nicht nur die Summe aller Bäume, sondern viel mehr.“ Störfaktoren wie Klimawandel, Stickstoffeinträge und solche Witterungsereignisse, wie sie in den vergangenen Monaten gleich dreimal vorkamen, müssten berücksichtigt und auch regionale Aspekte einbezogen werden. „Es gibt zum Beispiel Bundesländer, die noch nie ein Problem mit der Kiefernbuschhornblattwespe hatten.“

Wichtig sei beim Thema Pflanzenschutz deshalb eine sektorspezifische Leitlinie, die auch die Region berücksichtige, so Habermann weiter. Denn ohne chemischen Pflanzenschutz gehe es nicht. Einfach darauf zu vertrauen, dass sich der Wald automatisch selbst heile, sei utopisch.

Habermann fand dafür ein eindrucksvolles Beispiel: Ein kranker Mensch vertraue bei einer schweren Erkältung schließlich auch auf Medikamente, „selbst wenn beispielsweise ein Antibiotikum nicht nur die bösen, sondern auch die guten Bakterien abtötet.“ Bei einer Diagnose wie Darmkrebs helfe nun mal kein Jogging mehr und auch kein Gesundheitstee. „Dann vertraut man auf eine Chemotherapie.“ Die sei zwar extrem, aber man erhalte die Chance, weiter zu leben. Diese Chance müsse es auch für den Wald geben. Habermanns eindringlicher Appell lautete am Montag deshalb: „Auch der Wald braucht Medizin!“ Ziel sei „natürlich nicht, möglichst viel Pflanzenschutzmittel auszubringen, sondern einen Wald so zu entwickeln, dass er stabil bleibt.“

Martin Schönfeld-Simon, Projektleiter beim NW-FVA, informierte die Anwesenden beim ersten Waldschutztag schließlich über die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes und die bundesweite Leitlinie. Diese wird auf Beschluss des Bundestages vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Vorgestellt wurde von ihm unter anderem der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln des Bundesministeriums, dessen Ziel es ist, den Anteil der Forstbetriebe, die freiwillig nach den Vorgaben der Leitlinie arbeiten, zu erhöhen.

Darüber, wie integrierter Pflanzenschutz im Wald ökologisch bewertet werden kann, informierte zudem Martin Karabensch vom Institut für Strategien und Folgenabschätzung am Julius Kühn-Institut in Kleinmachnow, bevor sich die Teilnehmer zu vier verschiedenen Exkursionspunkten begaben. Unter anderem konnten sie sich die Auswirkung des Buchdruckers anhand eines Befallbeispieles aus dem Jahr 2016/17 und die Schädigungen durch die Kiefernbuschhornblattwespe in den Jahren 2009/10, sowie die Wiederaufforstung und die folgenden Probleme durch den Großen Braunen Rüsselkäfer ansehen.