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Raubtier Wölfe kommen Gardelegen nahe

Der jüngste wahrscheinliche Wolfsriss in Gardelegen passierte vor einigen Tagen.

Von Gesine Biermann 09.10.2018, 01:01

Gardelegen l Viel ist nicht mehr dran an dem Reh, das da an diesem Morgen tot im Straßengraben liegt. Der größte Teil des Körpers ist aufgefressen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass hier ein oder mehrere Wölfe eine gute Mahlzeit hatten.

Aber daran ist eigentlich seit Jahren schon nichts Ungewöhnliches mehr. Wölfe reißen nun mal Rehe. Die stehen schließlich auf ihrer Speisekarte. In diesem Fall allerdings kamen die Raubtiere der Stadt extrem nahe. Das sieht nicht nur Jagdpächter Richard Kreißl so, sondern auch Expertin Julia Kamp vom Wolfskompetenzzentrum des Landes.

Deshalb ist sie am Sonntag auch selbst vor Ort, um den Fall zu prüfen, obwohl die Mitarbeiter der Idener Behörde schon längst nicht mehr zu jedem Wolfsriss rausfahren. Und schon gar nicht, wenn sich nicht um ein Nutztier handelt. Das würden sie wohl auch gar nicht mehr schaffen.

Doch dieser Riss ist schon etwas Besonderes. Diesmal war Meister Isegrim bei seiner Jagd nämlich nur wenige Meter von der Bushaltestelle am Abzweig Lindenthal/Ipse entfernt, gleich neben dem Stall der Agrargenossenschaft Ipse. Auch das Ortsschild ist - um die Ecke - fast in Sichtweite. „Und das ist aus unserer Sicht natürlich nah“, bestätigt sie. Dem Wolf indes sei die Nähe zum Ortsschild völlig egal. „Hier ist nachts kein Licht, aus Sicht des Wolfes ist das hier sein Revier.“

Wo er herkam, der Wolf, ist unklar. Immerhin zwei sicher festgestellte Wolfsrudel gibt es in der Altmark, sagt Kamp. Eines in der Colbitz-Letzlinger Heide und eines im Zichtauer Forst. Vielleicht gebe der jüngste Riss aber auch Hinweise darauf, dass sich hier gerade ein neues Rudel ansiedelt. „Wenn die Qualität der DNA ausreichend ist, können wir nämlich sogar feststellen, zu welchem Rudel der Wolf gehört.“

Erst die DNA-Probe werde aber auch Sicherheit darüber geben, ob es sich in diesem Fall überhaupt um einen Wolf, und nicht doch um einen Hund gehandelt habe, betont Julia Kamp. Das komme schließlich auch immer wieder mal vor.

Allerdings spricht diesmal vieles für den zugezogenen Räuber, zum Beispiel seien der von unten geöffnete Bauchraum, der fehlende Pansen und die Schleifspur typisch für Wölfe. „Sie schleifen das Tier umher, bis der Pansen rausfällt“, erklärt die Biologin. „Davor ekeln sie sich nämlich.“

Doch wo ist der Pansen hin? Am Fundort liegt er nämlich nicht. Aber auch dafür hat Julia Kamp eine Erklärung. Sicher sei der mittlerweile von Krähen oder Füchsen gefressen worden, vermutet sie. Die nämlich mögen das von den Räubern verschmähte Organ.

Was Julia Kamp ein wenig an der Täterschaft des Wolfes zweifeln lässt, sind allerdings die Male am Hals des Tieres. Dort müssten tiefe Löcher sein, die die langen Reißzähne hinterlassen haben. Am Reh, das vor ihr liegt, sind diese aber nur wenig ausgeprägt.

Für Jagdpächter Richard Kreißl ist das aber kein Grund an der „Täterschaft“ des Wolfes zu zweifeln. Dieser habe wohl nur kurz zugebissen, und allein der Druck habe das Reh getötet, vermutet der erfahrene Jäger. Schließlich sieht Kreißl ein solches Bild nicht zum ersten Mal. Der Wolf hat schon etliche Tiere in seinem Revier erledigt.

„Fakt ist, dass das Rehwild schrumpft“, sagt er. Viele Jährlinge seien verschwunden. Erst kürzlich habe er eine Ricke beobachtet, die zwei Junge gesetzt hatte: „Drei Wochen später waren sie weg.“ Julia Kamp kennt die Sorgen der Jäger. Dennoch ist sie froh über die Zusammenarbeit. „Es gibt zum Glück viele, die uns unterstützen“, sagt sie.

Unterstützung bietet sie dafür ausdrücklich noch einmal allen Nutztierhaltern an. „Wir kommen jederzeit und beraten kostenlos“, erinnert sie. „Das dauert nur eine Stunde.“ Ganz in der Nähe der Rissstelle grasen nämlich zum Beispiel an diesem Morgen einige kleine Pferde. Wären die Wölfe hier vorbeigekommen, wäre es für den Eigentümer wohl ein trauriger Sonntag geworden.