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Pferdezucht „Zur rechten Zeit am rechten Ort“

In große Fußstapfen ist vor einem Jahr Antje Lembke, die neue Zuchtleiterin des Pferdezuchtverbandes Brandenburg-Anhalt, getreten.

Von Stefanie Brandt 08.01.2021, 04:12

Trüstedt l Im kleinen Dörfchen Trüstedt wohnt die neue, große Frau des Pferdezuchtverbandes Brandenburg-Anhalt: Antje Lembke hat vor gut einem Jahr ihre Aufgabe als Zuchtleiterin übernommen und die Nachfolge von Dr. Ingo Nörenberg angetreten, der sich nach fast drei Jahrzehnten in den Ruhestand verabschiedet hat.

„Es sind sehr große Fußstapfen, in die ich trete. Was er an Wissen hat – da braucht man noch ein, zwei Jahrzehnte, bis man da herankommt“, zollt Antje Lembke ihrem Vorgänger großen Respekt. Selbigen hat sich die 42-Jährige allerdings auch schon längst unter den Pferdefreunden in Deutschland erarbeitet. Dabei hatte sie diesen Berufsweg gar nicht geplant.

In Kremkau bei der Mutter aufgewachsen, wurde ihr vom Vater in Trüstedt die Liebe zu den Pferden vererbt. „Wir waren regelmäßig dort und bis zum Studium bin ich selbst geritten“, berichtet sie. Bis zum 19. Lebensjahr war sie im Vielseitigkeitssport aktiv. Doch obwohl Vater Hans-Adolf Lembke selbst erfolgreicher Züchter ist – aus seinem Stall kommt unter anderen der vierfache DSP (Deutsches Sportpferd) Champion DSP De Sandro – schlug Antje Lembke nie selbst eine Jungzüchter-Laufbahn ein, lief aber viel mit dem Vater mit.

„Ich habe auch nicht klassisch Landwirtschaft studiert, sondern Mikro-Molekularbiologie in Braunschweig“, erzählt Lembke. Wegen ihres Mannes ging sie dann nach Dresden. Dort bewarb sie sich 2008 erfolgreich auf eine Stelle als Assistentin des Zuchtleiters, war beim sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie angestellt. 2013 folgte der Wechsel zum Pferdezuchtverband Sachsen-Thüringen, wo die Altmärkerin ab 2014 als stellvertretende Zuchtleiterin und Geschäftsführerin aktiv war.

„Ich war immer zur rechten Zeit am rechten Ort. Es waren glückliche Umstände“, erklärt die junge Frau bescheiden. Das Glück ist mit den Tüchtigen, weiß der Volksmund, und so war es Antje Lembke dann auch 2019 hold, als sie gefragt wurde, ob sie die Nachfolge von Dr. Ingo Nörenberg antreten wolle.

Ein Angebot, zu dem man kaum nein sagen könne – schon gar nicht als Altmärkerin. „Die Altmärker sind schon ein bisschen stolz auf ihre Pferde. Züchterisch ist es ja auch ein hoch wertvolles Gebiet“, weiß die neue Zuchtleiterin. Immerhin kommen aus der Altmark jüngst Pferde wie Asha P, Weltmeisterin der siebenjährigen Vielseitigkeitspferde 2018 und 2020 unter Ingrid Klimke auch Deutsche Meisterin, gezüchtet von der Pietscher GbR (Zethlingen), oder DSP Alice, gezüchtet von Ralf Mewes (Berkau), die unter Simone Blum 2018 den Weltmeistertitel im Springen holte. Antje Lembke glaubt, für sie sei es ein großer Vorteil, dass sie aus dieser Region komme und viele Reitpferdezüchter schon länger kenne. Inzwischen ist sie auch selbst zurück in die Altmark gezogen, wohnt in Trüstedt, hat den stolzen Vater als Nachbar.

Im Pferdezuchtverband Brandenburg-Anhalt ist sie aber nicht nur für die erfolgreichen Deutschen Sportpferde verantwortlich, sondern für derzeit 41 Rassen. „Dieser Vielrassenverband – es sind immer so um die 40 bis 50 – ist die große Herausforderung“, weiß die 42-Jährige. Und ihr ist wichtig, dass sie alle gefördert werden – vom mächtigen Kaltblut bis zum kleinen Shetland Pony.

Zu den Aufgaben einer Zuchtleiterin gehören dabei neben der Umsetzung der Zuchtprogramme auch die Organisation und Durchführung von zahlreichen Veranstaltungen: Leistungsprüfungen, Fohlenschauen, Stuteneintragungen, Prämienschauen, Körungen und natürlich das „Schaufenster der Besten“ in Neustadt/Dosse als Höhepunkt. Bis zu 50 Termine sind es im Jahr.

„Ich mache aber natürlich nicht alles alleine. Ich profitiere hier stark davon, dass alle im Büro wissen, wie es abläuft“, sagt Lembke und ist froh über ihre guten, erfahrenen Mitarbeiter in Stendal.

Dabei verlief das Jahr 2020 auch für die Alteingesessenen im Zuchtverband alles andere als normal. Gleich zu Beginn ihrer Amtszeit musste sich die neue Leiterin mit den Auswirkungen des Coronavirus arrangieren. Die Veranstaltungen des Verbandes fanden zwar zum Großteil statt, aber unter besonderen Bedingungen. So habe es bei den Fohlenschauen keine End­ringe gegeben, auch bei den Stuten sei nur bewertet und identifiziert worden, aber ohne eine Siegerin zu ermitteln. Um Kontakte zwischen den Ausstellern zu minimieren, habe jedes Pferd eine eigene Startzeit erhalten.

Auch auf die Zucht selbst wirkte sich das Virus aus. „Gefühlt ist es so, dass mehr Besitzer, gerade aus dem Sportpferdebereich, in dem ja viele Turniere ausfielen, die Zeit nutzten und ihre Stuten decken lassen haben“, berichtet Lembke. Im kommenden Jahr könnte es also mehr Fohlen geben.

Zu den Aufgaben von Antje Lembke gehört es auch, die Väter dieser Fohlen mit „auszusuchen“. Als Mitglied der Körkommission bestimmt sie mit, welche Hengste für die Zucht offiziell zugelassen werden. Dabei werden Stärken und Schwächen des jeweiligen Tieres bewertet. Stimmt das Exterieur, also das äußere Erscheinungsbild, mit dem überein, was für die jeweilige Rasse erwünscht ist? Hat das Pferd gute Grundgangarten? Wie ist der Gesamteindruck?

Die letzte Auswahl trifft aus dem großen Lot der gekörten Hengste im Land aber der Züchter. „Und da ist es bei den Springhengsten auf jeden Fall so, dass, wenn die sich im Sport nicht zeigen, die Züchter diese Hengste auch nur wenig annehmen.“ Der Trend insgesamt gehe allerdings dahin, dass die Zahl der bodenständigen Züchter aufgrund von häufig fehlendem Nachwuchs abnehme und der Anteil der nicht leistungsorientiert Züchtenden in den letzten Jahren zugenommen hat, schätzt Lembke ein.

Dabei ist die Pferdezucht in einer schnelllebigen Zeit eine Angelegenheit, die viel Geduld und Weitsicht erfordert. Unter diesem Aspekt hofft die Zuchtleiterin, dass sich die Fohlen in den kommenden Jahren gut verkaufen lassen. In diesem Jahr sei der Online-Absatz erfreulich gut gewesen. „Ich hoffe, dass die Zahlen so bleiben. Bei der Vermarktung müssen wir aber mehr machen, die Züchter noch deutlich mehr unterstützen“, formuliert Lembke die anstehende Aufgabe. Ziel sei es, das Deutsche Sportpferd deutschlandweit voranzubringen.