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Erdgastrasse Ein Treffen für ein Lebensgefühl

Seit zehn Jahren kommen die ehemalige Trassenerbauer nach Zabakuck. Alle Gäste waren einst am Bau der „Erdgastrasse UdSSR“ beteiligt.

Von Mike Fleske 08.05.2016, 07:00

Zabakuck l Viel los war am Feiertag auf dem Gelände des Touristenzentrums in Zabakuck. Gäste aus Venezuela, Portugal, Dänemark Österreich, der Schweiz und allen Teilen Deutschlands tummelten sich auf dem Platz. „Es ist auch für uns nicht alltäglich“, befand Bärbel Höschel, Leiterin des Touristenzentrums Zabakuck. Grund für den Ansturm rund um den Zabakucker See war das 6. Trassentreffen in Zabakuck.

Die rund 400 Gäste waren am Bau der Gasleitungen vom Südural bis an die Westgrenze der damaligen Sowjetunion beteiligt. Anfang der 1980er Jahre wurde diese sogar bis nach Westeuropa ausgebaut. Es war das größte Bauprojekt der DDR. Mehrere Zehntausende waren Teil dieses Kults, sahen es als Chance an, dem Gewohnten zu entkommen und schlossen viele Freundschaften entlang der Trasse.

„Für Außenstehende ist es Nostalgie, für uns ist es ein Lebensgefühl“, sagt Olaf Münchow, der das sechste Trassentreffen in Zabakuck organisierte. Alle zwei Jahre sind die ehemaligen Trassenbauer seit 2006 in Zabakuck. „Wir haben hier beste Bedingungen und kommen gut mit Dauercampern und den Betreibern zurecht“, lobt Münchow. Viele der Besucher kommen zum wiederholten Mal zum Treffen nach Zabakuck.

„Klar, das ist ein echtes Pflichtprogramm“, sagt Ralf Jäger aus Burg. Der 56-Jährige begann 1986 im sibirischen Bada als Baumaschinenfahrer. Die Arbeit sei hart gewesen. Zwölf-Stunden-Schichten waren die Regel. Einer musste sich auf den Anderen verlassen können. Fern der Heimat entstanden Freundschaften für das Leben. Heute sind die Trassenbauer durch das Internet bestens vernetzt.

Im Internet werden täglich Nachrichten geschrieben, Bilder hochgeladen, Erinnerungen aufgefrischt und Termine weitergegeben. „Ich habe von diesem Wochenende von einer Bekannten von der Facebook-Gruppe gehört“, verrät Beatrix Liefke. Diese Gruppe hat mittlerweile mehr als 460 Mitglieder. Liefke war zwischen 1985 und 1991 an der Trasse bei den LT-Rohrverlegern.

„Es ist einfach super, die Leute hier wiederzusehen.“ Trotz der vielen Jahre erkenne man sich noch. Liefke oder „Trixi“, wie sie an der Trasse genannt wurde, war einst bei der Reinigungsgruppe. „Das war eine genauso harte Arbeit wie bei den Leuten draußen. Mehrfach am Tag seien die Unterkünfte und die Versammlungshalle gereinigt worden.

„Es gab Schlammzeiten, da standen die Arbeiter knöcheltief im Matsch, den Dreck haben sie mit in die Räume gebracht, wir mussten richtig schuften, um alles sauber zu halten“, erinnert sie sich. Dennoch sei der Zusammenhalt einmalig gewesen. „Neid, Missgunst kannten wir nicht.“ Fotograf Gerd Döllstedt fügt hinzu: „Man hat ein ganz anderes Verhältnis zu den Menschen entwickelt, das habe ich auch in meiner späteren Tätigkeit gemerkt.“

Döllstedt hat schon an der Trasse fotografiert, heute hält er die Treffen im Bild fest. Ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur. Auch die Reisen in den Ural gehören dazu. Frank Hohmann aus Halberstadt war einer, der im vergangenen Jahr mit mehr als 20 anderen die Reise an die alte Wirkungsstätte in den Ural wagte.

„Das ist so weit, wie von hier nach Moskau und dann das ganze noch mal“, beschreibt er. „Doch es war sehr bewegend, Dinge zu sehen, die wir damals gebaut haben.“ Was viele nicht wissen: Die Trassenbauer errichteten auch Wohnhäuser, Kindergärten oder Einkaufsläden. Darauf bin ich heute noch stolz“, sagt Hohmann, den man zu Trassenzeiten im Bereich RIV (Rohr reinigen, isolieren und versenken) nur „Pumuckl“ rief. Mit den Spitznamen wie Willi, Strippe oder Kelle rufen sich die Trassenbauer noch heute. „Unsere echten Namen kennen wir manchmal gar nicht“, sagt einer.

Feiern könne man aber ohnehin immer. Das wurde in den vergangenen Tagen kräftig getan. Etwa bei einer Apres-Ski-Party in Wintermontur oder während eines Konzertes mit dem „Sax´n Anhalt-Orchesters“. Danach ging es natürlich lange weiter. Gemeinsam saßen viele Trassenbauer noch lange vor ihren Zelten und erzählten von den alten Zeiten.