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Beschluss Jerichower ärgern sich über Stilllegung

Der Gemeinderat Elbe-Parey beschließt, die Fähre Ferchland-Grieben stillzulegen. Dies löst in Nachbargemeinde Jerichow großen Unmut aus.

Von Thomas Skiba 15.05.2020, 23:01

Jerichow l Als sich abzeichnete, dass die Fähre in der Nachbargemeinde ihren Betrieb für immer einstellen werde, schüttelten viele Jerichower mit den Köpfen. Nicht nur die Gastronomen oder die Mitarbeiter der Klosteranlage bekannten ihren Unmut über den Beschluss, auch zahlreiche Bürger ärgern sich über die nach ihrer Meinung überstürzte Entscheidung des Pareyer Stadtrates.

Julia Bolle aus Redekin sagt: „Bei unseren Familienausflügen fuhren wir oft mit dem Rad nach Tangermünde, die Fähre erlaubte uns einen schönen Rundkurs.“ Auch Anne Ehrich aus Magdeburg, den Jerichowern bekannt durch ihre Arbeit bei der Landgesellschaft Sachsen-Anhalt, fährt leidenschaftlich gern Fahrrad und nutzte bis dato den Übergang Ferchland – Grieben als Wendepunkt, denn „Tangermünde war mir dann doch zu weit“. Sie sehe als Magdeburgerin das Einstellen des Fährbetriebes als Fehler, der die touristischen Möglichkeiten einschränke. Ehrich gilt als Expertin für die Erstellung lokaler Entwicklungsstrategien, ihre Einschätzung hat Gewicht, denn sie erarbeitet integrierte gemeindliche Entwicklungskonzepte (IGEK) und bezieht bei der Analyse der Region „nördliches Jerichower Land“ auch die Verkehrsanbindungen ein. „Hier spielt die Fährverbindung Ferchland – Grieben für die weitere Entwicklung des Tourismus eine nicht unbedeutende Rolle.“

In Sachsen-Anhalt können Radtouristen auf beiden Seiten der Elbe zu ihren Zielen radeln. Der Wechsel zwischen den Ufern sei beliebt und werde gern genutzt, so eine Befragung unter den Reisenden und Anwohnern. Gerade Fähren seien nicht wegzudenkende Übersetzpunkte, die Rad- oder Motorradwanderern ermögliche, viele Sehenswürdigkeiten, Pensionen oder Zeltplätze anzusteuern und das ohne zeit- und kräfteraubende Umwege.

Viele Radwandergruppen und Tagestouristen aus Tangermünde, Stendal oder Magdeburg setzen mit der Fähre über. „Ich kann nicht sagen, ob wir im Ort Pendler haben, die auf die Fähre angewiesen sind“, sagt Andreas Dertz, Ortsbürgermeister von Jerichow. Doch er gehe davon aus, dass sowohl Rad- und Motorradtouristen nicht mehr in Jerichow Station machen werden.

Dertz weiß, dass viele Tagestouristen in den Gaststätten der Klosterstadt pausieren und „die werden den Wegfall der Fährverbindung zu spüren bekommen“. Dertz geht noch einen Schritt weiter. Auch die Freizeitgestaltung vieler Familien werde darunter leiden. Er könne die wirtschaftlichen Aspekte, die hinter der Entscheidung stehen, nachvollziehen, doch das gehe auch Gemeinden so, die beispielsweise ein Schwimmbad betreiben: „Die haben erst mal die Kosten und viele andere nutzen es, ohne sich daran zu beteiligen – da hilft nur miteinander sprechen.“ Harald Bothe, Bürgermeister der Gemeinde Jerichow, findet zur Stilllegung der Fähre eindeutige Worte: „Ich bin für das weitere Betreiben der Fähre. Sie ist wichtig für die Attraktivität unserer Region.“

Wenn die Gemeinde Elbe-Parey Unterstützung braucht – Jerichow sei gesprächsbereit. Warum die Gemeinden nicht schon vor der sich abzeichnenden Schließung ins Gespräch gekommen sind, kann Bothe nicht sagen. „Die Anfrage muss von der Gemeinde Elbe-Parey ausgehen“, so der Bürgermeister, dann werde er mit dem Jerichower Stadtrat sprechen und prüfen, was möglich sei.

Folgt man dem Bürgermeister, sollte über die Einrichtung einer Gierfähre nachgedacht werden. Sie sei mit nur einer Person zu betreiben, außerdem, da kein Motorantrieb, umweltfreundlich, und sie fährt auch bei Niedrigwasser. Gastronom Rainer Lucke erinnert an die Erzählungen seines Großvaters: „Es gab dort schon mal eine Gierfähre bis Anfang des 20. Jahrhunderts.“

In Sandau, mehrere Kilometer elbabwärts fahre immer noch eine, so Rainer Lucke und stellt fest: „Wenn erst einmal etwas abgeschafft wird, kommt es so schnell nicht wieder.“

Jerichow sei an den Elberadweg angebunden und Radtourismus steht bei den Bürgern hoch im Kurs, weiß Bernd Witt, Geschäftsführer der Klosterstiftung Jerichow. Zudem sei der Tourismus das Pfund, mit dem die Region wuchern könne. Viele Radreisende fahren auf der anderen Elbseite bis Ferchland, setzen dort über, „und wollen unser Kloster besuchen“. Das falle dann bedauerlicherweise weg, denn wenn die Radler einmal bis Tangermünde gelangt sind, so Witt, fahren sie nicht extra wieder zurück. „Das trifft uns als touristischen Anziehungspunkt ganz besonders hart“, stellt Witt fest und greift vor, „Das werden wir an unseren Besucherzahlen merken und es wird wehtun!“

Warum die Schließung nicht mit allen Betroffenen schon lange im Vorfeld besprochen wurde, kann auch er sich nicht erklären: „Ich muss es sagen – ich ärgere mich sehr über diese Entscheidung.“ Einen Brückenbau, elf Kilometer von der Tangermünder Brücke entfernt, halte er für illusorisch, auch wenn diese Option von der Politik ins Spiel gebracht werde.

Die Gemeinde Elbe-Parey gibt für die Schließung der Fährverbindung Ferchland – Grieben mehrere Gründe an: Zum einen sei es die fehlende Unterstützung bei der Finanzierung der laufenden Kosten, zum anderen müsse die Fähre alle fünf Jahre eine Landrevision durchführen. Diese Wartungs- und Untersuchungsmaßnahme wird auch als „TÜV“ für Fähren bezeichnet und ist geknüpft an die Gültigkeitsdauer des Fährzeugnisses. Diese gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung steht in diesem Jahr bei der Ferchländer Fähre an. Nimmt die Gemeinde dafür Landesfördermittel in Anspruch, müsste die Fähre noch fünf weitere Jahre betrieben werden.

Ein anderes Problem stellt, rückwärts gesehen, die eingeschränkte Betriebszeit dar. 2019 stand die Fähre an 150 Tagen still, denn bei Niedrigwasser darf sie nicht ablegen.

Das Betreiben der Fährverbindung gilt als freiwillige Leistung der Gemeinde.