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Beruf Eine Genthiner Friseurin mit Leib und Seele

Vor 60 Jahren ist Renate Polotzek Friseurmeisterin geworden. Jetzt erinnert sich an ihr Arbeitsleben.

Von Mike Fleske 05.12.2023, 18:00
Renate Polotzek aus Genthin mit dem diamantenen Meisterbrief.
Renate Polotzek aus Genthin mit dem diamantenen Meisterbrief. Foto: Mike Fleske

Genthin - „Ich habe meinen Beruf immer gern ausgeübt“, sagt Renate Polotzek. Die 84-jährige Genthinerin ist 1963 Friseurmeisterin geworden und hat kürzlich den diamantenen Meisterbrief der Handwerkskammer in Magdeburg erhalten. Grund genug, auf ein langes Berufsleben zurückzuschauen.

Dieser hängt nun gut sichtbar in der Diele ihrer Wohnung. Für sie sei diese Ehrung etwas Besonderes gewesen. „Ich war nur eine von zwei Frauen, die unter 18 Geehrten ausgezeichnet wurde“, erzählt sie stolz.

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Stolz ist sie auch auf ihr Berufsleben. Über Umwege kam sie zum Friseurberuf, lernte die Tätigkeit und wusste: Das ist das Richtige. Wenn man sie nach dem Warum fragt, muss sie nicht lange überlegen. „Es ist ein Beruf, bei dem man ständig mit der Mode gehen muss, man muss sich über sogenannte Trends informieren und muss sich die modernen Haarschnitte immer aneignen.“

Frisuren von Bräuten auf Hochzeit vorbereitet

Dafür gab es damals immer im Frühjahr die aktuellen Modelinien, in denen die Trends für die Saison gesetzt worden seien. Zudem hätten die jungen Frauen zu der Zeit eine sehr umfangreiche Ausbildung erhalten. So seien Haarschnitte und Schminkvarianten Teil des Berufsalltages gewesen. „Was mir immer Spaß gemacht hat, war Bräute auf die Hochzeit vorzubereiten, schöne Frisuren zu stecken und dafür zu sorgen, dass die Bräute am schönsten Tag ihres Lebens auch schön aussehen.“

Selbst das Perückenmachen habe sie gelernt und daran großen Spaß gehabt. „Heute ist das ein eigener Beruf, damals haben wir das auch gemacht.“ Da seien die Haarteile dann auf einem großen Holzkopf gefertigt worden. Daneben gab es den Alltag im Friseursalon mit dem sprichwörtlichen „Waschen, schneiden, legen“. Doch Routine sei nie aufgekommen. „Jede Kundin ist anders, wir mussten uns immer neu auf die Wünsche einstellen“, sagt Renate Polotzek.

Kein Tag wie der andere

Daher sei kein Tag wie der andere gewesen. Als Friseurin sei man immer auch ein wenig Vertraute, wer sich die Haare schneiden lasse, plaudere auch mal frei von der Leber weg und daher müsse man als Friseurin immer auch kommunikativ sein, sagt sie. Das habe sich über all die Jahre sicher nicht geändert. Auch nicht, dass man in diesem Beruf viel auf den Beinen ist.

„Wenn es früher auf Weihnachten zuging, dann liefen die Trockenhauben im Dauerbetrieb“, erinnert sich die Genthinerin. Dann wollten alle für die Feiertage gut aussehen. Vor der Wende war Renate Polotzek viele Jahre angestellt. Denn der Weg zum eigenen Salon sei in der DDR sehr mühsam gewesen.

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Nur wenige Friseure führten einen privaten Betrieb, zumeist waren es Ehepaare. Der Mann war Eigentümer, die Frauen sogenannte „mithelfende Ehefrauen“. Wesentlich verbreiteter waren bis in die ländlichen Regionen die sogenannten PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks). Lohn und Preise waren staatlich geregelt. Die Mitarbeiterinnen erwarben, anders als in vielen Privatbetrieben, Rentenansprüche. Heute, wo viele der damaligen Friseurinnen im Ruhestand sind, macht sich dieser Unterschied bemerkbar.

Doch auch Renate Polotzek wagte fast unvermittelt den Sprung in die Selbstständigkeit. Mit der Wende musste sie sich, damals selbst schon 50 Jahre alt, neu orientieren. So begab sie sich für die letzten Berufsjahre auf für sie neues Terrain, betrieb Friseursalons in Genthin, Bergzow und Parey. Insgesamt 22 Friseurinnen lernten bei ihr das Handwerk von Grund auf.

Stichwort: Produktionsgenossenschaft des Handwerks

  • Eine Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) war in der DDR eine sozialistische Genossenschaft.
  • Die Genossenschaften waren eine Alternative zu privaten Firmen. Mitglieder waren Handwerker oder Gewerbetreibende mit Eintrag in der Handwerks- oder Gewerberolle. Die PGH hatte auch steuerliche Vorteile.
  • In den 1970er Jahren wurden den Genossenschaften alle Privilegien entzogen. Im Februar 1973 wurden sie in die Zentralplanwirtschaft eingebunden.

Mehr als 20 Auszubildende

„Ich bin darauf stolz, dass ich Wissen weitergeben konnte und dass meine Auszubildenden im Beruf Fuß fassen konnten und selbst Salons übernahmen.“ So konnte sie mit ihrem Ruhestand im Jahr 1999 auf ein bewegtes Berufsleben zurückblicken.

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„Das war meine Welt, ich war mit Leib und Seele Friseurin“, sagt sie rückblickend. Sie finde, es sei auch heute noch ein schöner Beruf, der vielfältige Möglichkeiten bietet, wenngleich es sicher ungleich schwerer sei, sich heute in der Arbeitswelt zu behaupten.

Es gäbe unzählige Möglichkeiten, die Haare zu machen, und die Menschen gingen heute viel seltener zum Friseur. „Dabei kann ein professioneller Friseur die Persönlichkeit seiner Kunden so richtig zum Ausdruck bringen.“