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Lockdown Dreikönigstag bleibt ohne Märchen

Das Genthiner Amateurtheater darf coronabedingt nicht auftreten. Die Hoffnung liegt auf der 2. Jahreshälfte.

Von Mike Fleske 05.01.2021, 05:00

Genthin l Der siebenjährige Aaron aus Jerichow besitzt eine Eintrittskarte von besonderem Wert. Denn eigentlich hätte er Gast der Bühnenpremiere des Genthiner Amateurtheaters im November 2020 sein sollen, denn im vergangenen Jahr war er als 1500. Besucher der damaligen Saison ausgewählt worden, als Geschenk gab es ein Märchenbuch und eben eine Eintrittskarte für das 50. Weihnachtsmärchen des Gat.

Doch dann konnten die Theaterleute nicht wie geplant zur großen Jubiläumstour mit dem Weihnachtsmärchen durch das Jerichower Land aufbrechen und Aaron muss seinen Gutschein noch ein wenig aufbewahren. Vielleicht klappt es ja am Jahresende 2021 mit dem freien Eintritt. Das 50. Jubiläumsmärchen haben nun alle noch vor sich. Dieser Meinung seien auch die optimistischen Theaterleute, meint Gat-Mitbegründer Eckhard Neumann. Mittlerweile bevölkere bereits die dritten Generation die Bühne. Und die ist altersmäßig bunt gemischt. Von Darstellern im jungen Kindesalter bis hin zu Mitwirkenden im fortgeschrittenen Seniorenalter reicht die Spanne. Und da das Gat mit zahlreichen Talenten gesegnet ist, lassen sich in jedem Jahr die Rollen ohne großen Aufwand typ- und altersgerecht besetzen.

„Insgesamt gab es bisher 227 Mitglieder an der Zahl.“ Daran hatte sicher noch niemand gedacht, als sich im Jahr 1971 die Mitglieder des Jugendclubs in Genthin am Theaterspielen versuchten. Einige Märchenszenen wurden einstudiert und am Jahresende sollte es losgehen. „Denn Weihnachtszeit ist nun mal Märchenzeit.“ Eher spielerisch und fast als Experiment wurde der 24. Dezember 1971 als Aufführungsdatum auserkoren. Und weil der Genthiner Lindenhof über alle Maßen mit Märchenfreunden jeden Alters vollgestopft war, gab es eine Wiederholung im nächsten Jahr. Nach und nach entwickelte sich die Tradition, dass das Weihnachtsmärchen im Advent seine Premiere fand und die Märchensaison am Dreikönigstag beendet wurde.

Interessant ist auch die Geschichte der Namensentwicklung. Aus der Märchenaufführung des Jugendclubs, wurde ab 1977 die „Märchentruhe Genthin“. Bald waren es aber nicht nur Märchen, die den Spielplan bestimmten.

Mit der ersten Schauspielinszenierung im Jahr 1987, die die Gruppe bis zum DDR-Leistungsvergleich nach Halle (Saale) führte, nannte sich das Ensemble „Genthiner Amateurtheater“. Auch das Stück, das diesen Namenswechsel begünstigte, war ein besonderes. Gespielt wurde seinerzeit „Regina B. - Ein Tag in ihrem Leben“ von Siegfried Pfaff. Das Gegenwartsstück um eine alleinerziehende Mutter erschien 1967 und war in Ost- und Westdeutschland bekannt.

So existieren sogar zwei Hörspielfassungen, eine vom Rundfunk der DDR aus dem Jahr 1967 und eine des Bayerischen Rundfunks aus dem Jahr 1969.

Und das Gat-Ensemble wandte sich nach der Teilnahme am Leistungsvergleich weiteren Bühnengenres zu. Kabarettprogramme, Lesungen, Straßentheater und anderes kam hinzu. Beliebt sind heute die Valentinaden am 14. Februar, wobei die diesjährige Auflage unter der drohenden Ausweitung der Corona-Beschränkungen zu scheitern droht und das Freilufttheater mit Stücken des Mittelalterdichters Hans Sachs. „Insgesamt waren es bisher 924 Aufführungen in 51 Orten zwischen Schöningen und Berlin, Hamburg und Halle/Saale“, zählt Neumann auf. Grob gerechnet hat man in all den Jahrzehnten etwa 250 000 Zuschauer erreicht.

Wie anerkannt das Amateurtheater im Landkreis mittlerweile ist, zeigte sich im Jahr 2019, als Landrat Steffen Burchhardt (SPD) in der Burger Aufführung von König Drosselbart kurzerhand eine kleine Rolle übernahm. Nachdem Ende Oktober 2020 feststand, dass die Premiere und die ersten Gastspiele der Saison nicht stattfinden können, zeigte sich Ensemblechef Jürgen Wagner zwar enttäuscht, machte aber auch deutlich: „Das nächste Märchen kommt bestimmt und das ist dann immer noch das 50.“ Man wolle nicht aufgeben. „Wir werden die Pause nutzen, um neue Ideen zu sammeln“, kündigte Wagner an. Denn die Begeisterung für Theater made in Genthin, ist sowohl bei den Machern als auch bei den Zuschauern ungebrochen hoch.