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  7. Mystery Packs aus Retouren-Automaten: Jerichower Land entdeckt neuen Trend

Wundertüten für Erwachsene Neuer Trend: Für zehn Euro gibt es ein mysteriöses Paket aus dem Automaten

Auch im Jerichower Land gibt es die neuen Verkaufsstellen, die in ganz Deutschland für Aufregung sorgen: Mysteriöse, nicht abgeholte Pakete aus dem Automaten. Mit ein wenig Glück verbergen sich in den Paketen sehr wertvolle Dinge, wie Kunden in Burg berichten.

Von Johanna Flint und Mike Fleske Aktualisiert: 22.08.2024, 10:32
So sieht der Verkaufsautomat mit "Mystery Packs" der Knusperkiste in Burg aus.
So sieht der Verkaufsautomat mit "Mystery Packs" der Knusperkiste in Burg aus. Foto: Johanna Flint

Burg/Genthin - Im Jerichower Land wird es mysteriös. Auch hier haben sie Einzug gehalten: Automaten mit geheimnisvollen Paketen, die auf neue Besitzer warten. Aber niemand weiß, was in ihnen steckt. Die „Mystery Packs“ oder „Secret Packs“ liegen derzeit voll im Trend. Wohl auch, weil hier echte Schätze lauern. Was schon alles rausgefischt wurde.

Am Burger Bahnhof hat Betreiber Marc Baier im Juli den ersten dieser Automaten im Jerichower Land unter dem Namen „Knusperkiste“ aufgestellt. Aus einem etwas kuriosen Grund: „Ursprünglich wollte ich einen klassischen Snack- und Getränkeautomat betreiben“, berichtete er der Volksstimme. Doch leider war ein Mitbewerber ein wenig schneller und sicherte sich den Standort.

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Angelköder statt neuem Handy

Doch gemeinsam mit dem Vermieter und dem Betreiber des anderen Automaten gab es eine Einigung, dass Baier einen Automat dazustellen könne, wenn sich der Inhalt grundlegend unterscheide. So wurde der ursprüngliche Snack-Automat zum Paket-Automat umgebaut und ergänzt nun das Angebot am Bahnhof. Der Ablauf ist wie bei jedem anderen Automaten auch: Geld einwerfen, Fach wählen und schon fällt ein Päckchen in das Ausgabefach. Und dann kommt der Moment der Wahrheit: Hopp oder topp.

Eine junge Frau probiert ihr Glück am Burger Automaten. Für fünf Euro ergattert sie ein kleines, schmales Paket. „Ich hab es schon einmal versucht und zehn Euro für eins der größeren Pakete bezahlt. Da war dann leider nur Seife drin, die auch noch gestunken hat. Aber ein Freund von mir hat schon Handyzubehör aus dem Automaten geholt, deswegen probiere ich es noch einmal“, erzählt sie.

Mehr als 500 Millionen Pakete werden jährlich als Retoure besonders im Online-Handel zurückgeschickt. Einiges davon landet neu und undurchsichtig verpackt im Automaten.
Mehr als 500 Millionen Pakete werden jährlich als Retoure besonders im Online-Handel zurückgeschickt. Einiges davon landet neu und undurchsichtig verpackt im Automaten.
Foto: picture alliance/dpa

Beim Auspacken ist die Enttäuschung dann groß - eine kleine blaue Tüte befindet sich im Paket, und sie sieht leer aus. Bei genauerer Betrachtung findet sie einen Angelköder darin. Nicht das, was sie sich vorgestellt hat. So etwas komme vor, weiß Marc Baier. Aber es mache den Reiz der Automaten aus. „Aus Rückmeldungen von Kunden weiß ich, dass sich in den ersten Wochen mindestens vier neue und originalverpackte Handys in den Paketen befanden.“ Ansonsten findet sich darin alles, was grundsätzlich online bestellt wird - von der Handyhülle über Bekleidung und Schmuck bis hin zu Elektronikartikeln.

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Verkaufen statt Vernichten

Denn aus dem Online-Handel kommen die mysteriösen Pakete. Man unterscheide dabei zwischen Retouren und Secret Packs, erklärt Marc Baier. Retouren seien unerwünschte Artikel, die aus einer (Online-)Bestellung an den Händler zurückgesandt wurden. Die Secret Packs seien Pakete/Sendungen, die nicht zugestellt werden konnten, deren Annahme verweigert wurde oder bei denen Zollgebühren nicht entrichtet wurden und eine Adressermittlung bei Absender und Empfänger erfolglos geblieben sei.

„Ich lege Wert darauf, einen möglichst hohen Anteil an Secret-Packs im Automaten zu haben.“ Diese seien an Zustellvermerken, Zollerklärungen und geschwärzten Adressen zu erkennen. Das Besondere sei, dass nicht selten wertvollere Artikel darin sind, die den Kaufpreis am Automaten deutlich übersteigen. Experten der Verbraucherzentrale sehen die Retourenautomaten etwas hin- und hergerissen. Zwar sei es gut, dass Waren nicht vernichtet würden. Allerdings gelte laut der Verbraucherzentrale kein allgemeines Rückgaberecht, wenn etwa die Ware für den Käufer nutzlos ist.

Reklamationen sind schwierig

Ein Widerruf des Kaufvertrags sei in der Regel nicht möglich. Ist die enthaltene Ware defekt, gelten normale, gesetzliche Gewährleistungsrechte, Reklamationen liefen dann über den Verkäufer der Ware. Das wäre hier der Betreiber des Automaten. Somit müsste dieser dann für eine Kostenerstattung, Reparatur oder Ersatz sorgen. „Ein Nachteil dieses Verkaufsprinzips“, findet Jens Schwieger, der in Genthin ein 24-Stunden-Automatengeschäft betreibt.

Er halte es immer für schwierig, wenn Kunden Dinge kaufen, die sie zuvor nicht sehen, dazu komme, dass sich die Reklamationen als problematisch erweisen könnten. Im stationären Handel gäbe es Verträge mit den Herstellern der Ware, die im Geschäft verkauft werde. Über diese würde retourniert und gutgeschrieben. „Beim Automaten funktioniert das so nicht, und deshalb kommt für mich ein Mystery-Automat nicht in Frage“, sagt Schwieger.

Somit bleiben die Genthiner mit Snack-, Getränke- und Süßigkeitenautomaten gut versorgt. Überraschungspakete aus dem Automaten gibt es in Genthin in nächster Zeit wohl eher nicht.