Köder im Genthiner Abwasser Schwups und weg: Klo-Abfälle locken Ratten in die Rohre
Immer wieder landet Unrat im Abwasser und zieht lästige Nager an. Was die Pumpsysteme belastet und wie die Rattenplage verhindert wird.

Genthin. Da eine Windel, hier ein Scheuerlappen oder gar ein halber Kleiderschrank. Die Genthiner Pumpsysteme haben schon so einiges eingefangen. Doch die kleinen, unscheinbaren Hygieneartikel plustern sich in der Masse zum Problem auf und locken hungrige Nager an.
Nicht selten wickeln sich die Faserstoffe der fehlentsorgten Produkte um die Pumpen, bis die Laufräder zum Stillstand kommen. Doch nicht nur die üblichen Verdächtigen bereiten den Mitarbeitern Sorgen, halten die Anlagen von ihrer Funktion ab und verursachen vermeidbare Zwischenfälle.
Leichtsinn verstopft Rohre
Für ein modernes Leben sind Abwasseranlagen unverzichtbar. Sie sorgen für die sichere Entsorgung von häuslichem und industriellem Abwasser, sie sammeln, transportieren und reinigen. Wenn leichtfertig Müll durch die Spülung in die Rohre gelangt, kann es schnell mal eng werden. Im wahrsten Sinne des Wortes.
„Feuchttücher, Windeln, Scheuerlappen sowie Unterwäsche sorgen in unseren Rohren am häufigsten für Zwischenfälle“, so Loretta Kablitz – Verbandsgeschäftsführerin des Trinkwasser- und Abwasserverbandes (TAV) Genthin.
Die Menge macht das Gift
Das Problem: Die Pumpwerke sind groß und halten einiges aus, doch die meisten Materialien – seien sie noch so klein - zersetzen sich nicht oder erst nach vielen Jahren. Wenn es irgendwann so viel wird, dass nichts mehr läuft, spricht der Experte von einer „Verzopfung“.
Die Laufräder der Pumpen blockieren, das Pumpwerk fällt aus. Dann rollen die Mitarbeiter des TAV an, um das „Verzopfte“ mühselig und zeitaufwendig zu reparieren.
Insgesamt unterhalte der Verband 155 Pumpwerke. Die Kosten könnten bei einer Verstopfung nicht genau beziffert werden, da das Material und die Arbeitskräfte aus dem Inneren des Verbandes kämen. Dennoch bedeutet jeder Vorfall ein Ärgernis, das in den meisten Fällen vermeidbar wäre.
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Wie schnell eine Störung in den Griff zu kriegen wäre, beantwortet die Geschäftsführerin so: „Eine Störung ist im Normalfall nach spätestens einem Tag behoben. Unser Anspruch ist es, die Ver- und Entsorgung 365 Tage im Jahr zu gewährleisten.“ Ein modernes Fernwirksystem gebe automatisch ein Signal, wenn eine Störung auftrete.
In einem besonderen Fall seien unweit einer Schule Sporttextilien in die Rohre gespült worden, erinnert sich Kablitz. Weil die Textilien sich nicht zersetzten, hätte ein Team die Störungen beseitigen müssen. Wie oft es zu diesen Fällen käme, kann Kablitz nicht pauschal beantworten: „Es gibt Monate, da kommen Störungen häufiger vor, dann ist es auch mal wieder eine Zeit lang ruhig.“
Lebensmittel in die Tonne
Viele Menschen wüssten bis heute nicht, dass Lebensmittel in die braune Tonne oder in den Restmüll gehörten. Werden nun die Reste vom Mittagstisch in der Toilette entsorgt, blecken sich im Untergrund unerwünschte Nager bereits die Zähne. Immer wieder müsste der Verband prophylaktisch Köder auslegen, um Ratten aus den Rohren fernzuhalten.
Diese würden zwar nicht in den Kanälen wohnen, aber die Rohre als Laufwege nutzen. Wenn nun ganze Mahlzeiten durch den Abfluss gespült werden, wäre das für die Ratten eine Einladung zu bleiben. Eine Plage wäre vorprogrammiert. Das sei nicht nur hinsichtlich einer möglichen Krankheitsübertragung bedenklich, auch könnten die Tiere mit ihren scharfkantigen Zähnen die Rohrwände beschädigen.
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Wenn ein Rattenbefall vorliegt, fällt das so schnell keinem auf. Meistens würde der Verband darauf aufmerksam, wenn Anwohner die Nager gesichtet hätten oder bei obligatorischen Kanalreinigungsarbeiten durch TAV-Mitarbeiter. Sollte ein Nagerbefund in den Rohren festgestellt werden, sind zwei speziell ausgebildete Mitarbeiter des Verbands zur Stelle.
Ein gefundenes Fressen
Die Lebensmittel in der Toilette zu entsorgen, sei aber nicht nur hinsichtlich der Nager problematisch. Wenn besonders fettig gekocht wird, kann auch das im System für Verstopfung sorgen. Denn mit der Zeit härten fetthaltige Speisen aus, was wiederum Hausanschlüsse verengen und somit für vermeidbare Zwischenfälle sorgen kann.
Auch Wattestäbchen sind ein Problem: Obwohl sie seit 2021 nicht mehr aus Plastik bestünden, löse sich auch die Pappvariante erst über eine gewisse Zeit im Schmutzwasserstrom auf. Hochproblematisch sei allerdings nicht der Stiel der beliebten Stäbchen sondern die Watte an der Spitze.
Baumwollfasern und synthetische Materialien wie Polyester – woraus der Wattekopf besteht – verklumpen leicht und verbinden sich mit anderen Stoffen im Abwasser.
Wie oft die Rohre gereinigt und gewartet werden, beschreibt Kablitz so: „In unserer Branche spricht man vom Zehn-Jahres-Rhythmus.“ Das bedeute allerdings nicht, dass die Rohre nur alle zehn Jahre durchgeblasen werden. Vielmehr würden innerhalb dieses Zyklus die einzelnen Abschnitte überprüft und gereinigt. Damit auch in Zukunft Abwasser ungehindert fließen kann.