1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Fast vergessene Schönschrift

Sütterlin  Fast vergessene Schönschrift

Im Genthiner Kreismuseum durften sich Freiwilligeam Schreiben der alten Sütterlinschrift versuchen.

Von Mike Fleske 20.11.2017, 00:01

Genthin l „Wer lesen kann, hat Freude dran“, den mit Kreide auf die alte Schultafel geschriebenen Satz konnten die Teilnehmer der historischen Schulstunde im Genthiner Kreismuseum recht gut lesen. Dabei war er in einer uns nicht mehr ganz so vertrauten Schrift geschrieben wurde: Sütterlin. „Ich habe das noch gelernt“, verriet eine Dame aus dem Rund.

Die Schrift, benannt nach dem deutschen Grafiker Ludwig Sütterlin, wurde von etwa 1900 bis etwa 1942 und dann noch einmal bis in die 60er Jahre in deutschen Schulen unterrichtet. Sütterlins Weiterentwicklung der Kurrentschrift sollte dem Schriftenwirrwarr der Kaiserzeit Einhalt gebieten. Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier in Fraktur und da in Antiquaschrift geschrieben. In manchen Texten gab es sogar eine Mischung aus beiden Formen, Schulen lehrten unterschiedliche Schriften.

Ludwig Sütterlin trat an, um besonders den Kindern das Schreibenlernen zu vereinfachen. Bei vielen Älteren ist die von Sütterlin erfundene Schrift als „deutsche Schrift“ schlechthin in Erinnerung. Bis in die 60er Jahre hinein wurde sie in Schulen gelegentlich noch als Zweitschrift gelehrt, damit man etwa Briefe von älteren Verwandten lesen konnte.

In Genthin gab Kreismuseumleiterin Antonia Beran einen Einblick in das Schreiben der Sütterlinschrift wie vor 100 Jahren. Dafür wurde der Versammlungsraum als Schulklasse eingerichtet. Die Museumsleiterin schlüpft in die Rolle von Fräulein Rösler, denn verheiratete Lehrerinnen gab es damals nicht, und ließ die Teilnehmer ihren Namen mit Schreibgriffeln auf kleine Schiefertafeln schreiben. Da hatten es Ida und Klaus recht einfach.

Aber Wolfgang oder Ingeborg? Da wird es schon schwerer. „Achtung“, rief Fräulein Rösler, „die Buchstaben müssen sich immer anfassen.“ Das ist nämlich das Besondere an der Sütterlinschrift, dass sich die Wörter, sobald man die Schrift beherrscht, zügig schreiben lassen, da die Buchstaben relativ einfach gehalten sind und ineinander übergehen. „Rauf, runter, rauf und Pünktchen drauf“, brachte eine Teilnehmerin das Schreiben des ‚i‘ auf eine einfache Formel.

Noch etwas ist an der Sütterlinschrift besonders: „Es gibt das spitze ‚s‘ im Wort in der Unterscheidung zum ‚s‘ am Ende des Wortes“, erläuterte Fräulein Rösler. Daneben gibt es auch das ‚ß‘. „Das ist zusammengesetzt aus dem ‚s‘ und dem ‚z‘, daher hat es auch seinen Namen „Eszett“. Außerdem macht die Schrift die Unterscheidungen zwischen den Buchstaben ‚n‘ und ‚u‘ nur durch Häkchen deutlich. Beim Lesen und Schreiben der Sütterlinschrift gibt es also manche Tücke.

„Meine Damen und Herren, wir wollen doch so schreiben, dass es möglichst wenig quietscht“, musste die Lehrerin ebenfalls ermahnen. Denn auch das Schreiben auf den alten Schiefertafeln will gelernt sein, setzt man den Griffel falsch, macht es beim Schreiben fürchterliche Schabegeräusche.

Aber mit etwas Übung schaffte es auch die achtjährige Elisa als Jüngste in der Runde, ihren Namen auf die Tafel zu bringen. Als kleine Beigabe präsentierte die Museumleiterin noch einige Utensilien aus der historischen Schulzeit. Etwa eine alte Schultasche mit Griffelkasten und an der Seite baumelnden Schwämmchen für die kleine Tafel, die jeder Grundschüler immer dabei hatte.

Genthin war damals bereits ein wichtiger Schulstandort. Gab es doch eine Mädchen- und eine Jungenschule sowie das Progymnasium als Privatschule für die mittlere Reife (bis 1907). Außerdem gab es das Lehrerseminar zur Ausbildung von Pädagogen (bis 1926). Diese und andere interessante Fakten können Besucher des Kreismuseums in der derzeit laufenden Ausstellung „Bildung als Schlüssel zur Welt“ erleben, die vom Kreismuseum und dem Förderverein Genthiner Stadtgeschichte gemeinsam gestaltet wurde.