1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Gefährliches Kriegserbe

Waldbrand Gefährliches Kriegserbe

Hat eine Brandbombe den Waldbrand am Dienstag in Genthin-Wald verursacht? Die Polizei hält dies für möglich.

Von Simone Pötschke 06.06.2019, 01:01

Genthin l Erst vor wenigen Tagen beklagten sachsen-anhaltische Landespolitiker, dass Fundmunition in den Wäldern die Feuerwehrleute bei ihren Einsätzen gefährde. In der Kritik stand eine schleppende Räumung des Kriegserbes. Eine durchaus berechtigte Sorge, die sich nur wenige Tage später, bei dem Waldbrand in Genthin-Wald, als berechtigt erweisen sollte. Denn bei den Löscharbeiten beförderten die Feuerwehrleute tatsächlich Fundmunition aus dem Zweiten Weltkrieg ans Tageslicht. Es handelte sich Angaben der Polizei zufolge um eine Brandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg.

Mittlerweile schließt die Polizei nicht mehr aus, dass die Bombe den Brand ausgelöst haben könnte. So hätten die Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes an der Bombe korrodierende Stellen an dem Munitionsteil ausgemacht. Welche Sprengstoffsubstanzen frei geworden, welche Reaktionen sie mit dem Sauerstoff eingegangen sind und ob diese tatsächlich zu einer Entzündung geführt haben, müsste allerdings erst von Fachleuten untersucht und geklärt werden.

Einen vergleichbaren Fall gab jedenfalls es in der jüngeren Vergangenheit in der Region Genthin nicht, räumte Polizeihauptkommissar Jörg Löffler auf Anfrage der Volksstimme ein.

Brandbomben aus dem Zweiten Weltkrieg enthalten verschiedene, schwer löschbare Brandmittel, die mit sehr hohen Temperaturen an der Aufschlagstelle abbrennen.

Auch in der Region Genthin gebe es durchaus Flächen, die als Kampfmittelverdachtsflächen auf Grundlage von Karten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Sachsen-Anhalt eingestuft sind, erklärte Thomas Barz, Beigeordneter des Landkreises. Die Daten des Kampfmittelkatasters vom Kampfmittelbeseitigungsdienst seien allerdings für die Öffentlichkeit tabu und dienten ausschließlich der Gefahrenabwehr. Eine Angabe, ob es sich beim dem Gebiet Silva um eine Kampfmittelverdachtsfläche handelt, wollte Barz deshalb nicht machen. Eine Stellungnahme in dieser Angelegenheit, begründete er nachvollziehbar, könnte Munitionssammler ermutigen, dort zu graben.

„Als Feuerwehrleute sind wir natürlich eingewiesen, wo mögliche Kampfmittelverdachtsflächen ausgewiesen sind“, sagte Walter Metscher, Kreisbrandmeister des Jerichower Landes. Die ganze Problematik, die sich dahinter verberge, zeigte sich für ihn bei den großen Waldbränden im vergangenen Jahr im brandenburgischen Jüterbog. Er selbst sei Zeuge von gewaltigen Bombenexplosionen bei einem Waldbrand in Fichtenwalde geworden. Zum Glück sei im Jerichower Land noch kein vergleichbarer Fall eingetreten.

Grundsätzlich gelte für die Feuerwehrleute bei Waldbränden, die zum Einsatz auf belastete Flächen gerufen werden, nicht in den Wald hineinzugehen. „Wir bleiben an Waldwegen und -kanten stehen, um eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Alles andere wäre zu gefährlich.“ Jeder Einsatzleiter handele danach, meint der Kreisbrandmeister.

Der Fund von Munition in diesem Bereich von Genthin-Wald kam für Frank Ozimek, zuständiger Förster des Forstbetriebes Altmark, nicht gerade unerwartet. Das Gelände, auf dem sich bis Mitte 1945 die Silva-Munitionswerke befanden, ist auch nach mehr als sieben Jahrzehnten für Zufallsfunde bekannt. Hinweisschilder mahnen Waldspaziergänger zur Achtsamkeit. Gerade bei der ausgerufenen Waldbrandwarnstufe 5 kann man nicht oft genug an die Vernunft der Leute appellieren, meint Frank Ozimek auch im Hinblick auf die bevorstehenden Pfingstfeiertage.

In Genthin-Wald stellte die Silva-Metallwerk GmbH, eine Gründung der Magdeburger Polte-Werke, bis April 1945 hauptsächlich Infanterie-, Flak- und Bordmunition her, unter anderem auch Patronen für das deutsche Infanterie-Standard-Gewehr 98.

Im Genthiner Werk arbeiteten 1938 mehr als 1600, im Jahr 1939 bereits mehr als 3700 und 1945 schließlich mehr als 4 300 Menschen.

Schon 1938 waren deutsche und österreichische Frauen zum Dienst im Genthiner Werk verpflichtet worden. Ab 1939 wurde ein Lager für Zwangsarbeiterinnen aus den besetzten Gebieten errichtet. Und von 1943 bis 1945 gab es unweit des Werksgeländes ein KZ-Außenlager. Dort waren im April 1945 über 700 Frauen eingesperrt.