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Wirtschaft: Traditionsunternehmen 140 Jahre Halberstädter Würstchen

Handverlesen sind die Unternehmen, die140 Jahre bestehen. In Halberstadt gehört die Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH zum elitären Kreis.

Von Jörg Endries Aktualisiert: 22.09.2023, 12:14
Bis heute gehören Halberstädter Würstchen zu den Verkaufsschlagern des 1883 gegründeten Halberstädter Unternehmens.
Bis heute gehören Halberstädter Würstchen zu den Verkaufsschlagern des 1883 gegründeten Halberstädter Unternehmens. Foto: Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH

Halberstadt - 140 Jahre alt und trotzdem noch knackig. Für diesen Jungbrunnen würde ein Haufen Leute viel Geld ausgeben. Aber wer will schon über 45 Minuten bei bis zu 85 Grad im Rauch hängen. In Halberstadt gehört das jedoch zur Prozedur, damit aus Würstchen die berühmten original Halberstädter Würstchen werden - ein seit 1883 patentiertes Kaminrauchverfahren.

Der Unternehmer Friedrich Heine gründete 1883 die Hal-berstädter Würstchenfabrik - die heutige Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH. Stolz sind die Geschäftsführer Silke Erdmann-Nitsch und ihr Bruder Stefan Nitsch auf die lange Geschichte des Unternehmens - trotzdem kommt keine richtige Feierstimmung bei ihnen auf. Die Auswirkungen von Corona-Pandemie, der Energiekrise und die Inflation bereiten der Firma Probleme, betont Silke Erdmann-Nitsch im Volksstimme-Gespräch.

Inflation treibt die Preise

Die inflationsbedingten Preiserhöhungen würden sich in Regionen bewegen, die man in der Geschäftsführung der Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH noch nie erlebt habe. „Im vergangenen Jahr waren das bedingt immerhin 20 Prozent, in diesem Jahr waren es auch schon neun bis zehn Prozent“, so die Chefin. Vor allem der Fakt, dass das Unternehmen Monate benötigt, um die aufgelaufenen Kosten im Handel durchsetzen zu können, würde dem Betrieb finanziell zusetzen.

„Die hohe Inflation und das nicht Umsetzen können der Preise im Handel bereiten Sorgen. Zwar sind die Gespräche mit allen Handelsketten zäh verlaufen, aber besonders ein Handelspartner hat uns das Leben zur Hölle gemacht, der immerhin 30 Prozent des Umsatzes der Firma ausmacht“, berichtet Silke Erdmann-Nitsch. Von Mai bis September 2022 schlug man sich mit dem Problem herum. Zwar habe man die vollen Preise für die gelieferten Waren in Rechnung gestellt, bezahlt wurden sie jedoch nicht.

Preisstreit mit Konsequenz

Schließlich gipfelte der Preisstreit in der Konsequenz, dass der Kunde zweieinhalb Monate nichts mehr in Halberstadt bestellt habe. Die Folge, die Belegschaft der Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH musste in die Kurzarbeit. Mittlerweile habe es zumindest mit dem Kunden eine Einigung gegeben, die Kurzarbeit ist wieder beendet, aber in der Firma sei es das erste Mal finanziell sehr eng zugegangen, so die Geschäftsführerin. Aus diesem Grund musste man sich leider auch von fünf Mitarbeitern trennen. „Das hört sich nicht viel an, ist aber dennoch nicht schön. Zumal wenn das Geschäft wieder anläuft, fehlen sie.“ Trotzdem zeigt sich Silke Erdmann-Nitsch verhalten optimistisch, was die Zukunft des Betriebs betrifft. Der Großkunde sei seit Anfang August wieder mit im Boot, in diesem Monat habe man den Umsatz des Vorjahresmonats wieder erreicht. Konkrete Zahlen möchte die Unternehmerin nicht nennen.

Insgesamt würde das Unternehmen derzeit etwa 200 Mitarbeiter beschäftigen. Dazu gehören neben der Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH unter anderem das Vier-Sterne-Superior-Hotel „Villa Heine“ samt Restaurant und ein Betrieb in Niedersachsen.

Neue Verpackungen gefragt

Zum Portfolio des Halberstädter Unternehmens gehören neben den bekannten Würstchen auch Suppen und Eintöpfe sowie Wurstspezialitäten. In den nächsten Jahren müsse man im Betrieb neue Verpackungsstrategien und -lösungen finden, denn Blechbüchse, Glas oder Plastikverpackung seien nicht zukunftsfähig, sagt Silke Erdmann-Nitsch. „Folie ist negativ belastet, Glas und Dose sind energiebelastet. Junge Menschen kaufen kaum Dose.“ Lösungen gebe es noch nicht, aber da werde in der Zukunft noch viel passieren.

Der Trend, fleischlos zu essen würde auch im Halberstädter Traditionsbetrieb ankommen. „Wir werden den Trend mitgehen, aber auch künftig wird Fleisch eine große Rolle in der Erzeugnispalette spielen“, so die Geschäftsführerin.

Firmen-Rettung 1992

Rasant war der Aufstieg der Marke „Halberstädter“ von der Gründung durch Friedrich Heine im Jahr 1883, dem Erfinder der Dosenwürstchen, bis 1913, als das Unternehmen als „größtes Fleischverarbeitungswerk Europas“ gefeiert wurde. Knapp 100 Jahre später, nach zwei Weltkriegen, Weltwirtschaftskrise und 40 Jahren DDR, stand das Traditionsunternehmen plötzlich vor dem Aus. Ulrich Nitsch, Unternehmer aus Niedersachsen, bewahrte die Firma vor der Schließung. Am 1. April 1992 kaufte er die Halberstädter Würstchen- und Konservenfabrik und führte die Marke erfolgreich in die Marktwirtschaft und damit in die Zukunft.

Die Produktpalette umfasst rund 80 Erzeugnisse, zu denen neben den weltbekannten Würstchen auch Suppen, Fertiggerichte, vegetarische Produkte und sogar schweinefleischfreie Erzeugnisse gehören. Um das Werk für die Anforderungen der Zukunft fit zu machen, hat Unternehmer Ulrich Nitsch nach eigenen Angaben seit der Übernahme über 40 Millionen Euro investiert.

Silke Erdmann-Nitsch und ihr Bruder Stefan Nitsch führen das Hal-berstädter Unternehmen als Geschäftsführer. Hier präsentieren sie vor dem Bild des Unternehmensgründers Friedrich Heine das Gewinnspiel anlässlich des 140. Firmen-Geburtstages. Eine große Feier gibt es hingegen nicht.
Silke Erdmann-Nitsch und ihr Bruder Stefan Nitsch führen das Hal-berstädter Unternehmen als Geschäftsführer. Hier präsentieren sie vor dem Bild des Unternehmensgründers Friedrich Heine das Gewinnspiel anlässlich des 140. Firmen-Geburtstages. Eine große Feier gibt es hingegen nicht.
Foto: Jörg Endries