Doppeljubiläum Ein Brief von Thomas Mann nach Dardesheim
Wie die heutige Sekundarschule im Osterwiecker Ortsteil vor 75 Jahren zum Namen des bedeutenden Schriftstellers gekommen ist.

DARDESHEIM. - Es ist ein besonderes Doppeljubiläum, das die Sekundarschule „Thomas Mann“ in Dardesheim in kleinem Kreis gewürdigt hat. Mit aktiven und ehemaligen Lehrern, mit ihrer früheren Schulleiterin Helga Hirth, mit Bürgermeister Dirk Heinemann (SPD) und Ortsbürgermeister Ralf Voigt (Förderverein Dardesheim), mit Schülern aus den drei sechsten Klassen. Letztere haben sich mit ihren Lehrerinnen Gundula Bodenstein und Kathi Heinrichs mit dem berühmten Namensgeber ihrer Schule beschäftigt und daraus ein kleines Programm mit Text, Film und Musik gestaltet.
Thomas Mann (1875 bis 1955), einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, wäre in diesem Monat 150 Jahre alt geworden. Und seit 75 Jahren trägt die Dardesheimer Schule seinen Namen.
Geht es um die Dardesheimer Schulgeschichte, sind die Aufzeichnungen des früheren Lehrers und Chronisten Wilfried Fritz (1932 bis 2005) die erste Adresse. Wie es 1950 zum Namen für die Schule kam, damals übrigens der Grundschule, darüber ist aber bei ihm nur wenig zu lesen. Im Vorfeld der Feierstunde wurde deshalb nochmals recherchiert und auch der Brief von Thomas Mann, der nach wie vor gut bewahrt wird, hervorgeholt und verlesen.
Demnach hatte Wilhelm Möhring, der von Osterwieck aus auch die Dardesheimer Grundschule leitete, im Sommer 1950 einen Brief an Thomas Mann, der damals in Kalifornien (USA) lebte, verfasst. Eine Antwort ließ monatelang auf sich warten, wurde erst am 5. November 1950 geschrieben. Aus gutem Grund.
„Liebe junge Freunde“, schrieb Thomas Mann. „Es tut mir wahrhaft leid, dass ich euch so lange auf meinen Dank für eueren schönen Brief habe warten lassen, der auch von dem Herrn Schulleiter unterschrieben war. Ich war vier Monate lang auf weitläufigen Reisen in diesem Lande und in Europa und das Unglück wollte, dass euer Brief hier liegen blieb und mir erst jetzt vor Augen kam. Ungern stelle ich mir vor, dass ihr aus meinem Schweigen geschlossen haben könntet, ich sei unempfänglich für den Wunsch, den ihr mir in euerem Schreiben ausdrücktet, d. h. für eueres und euerer Lehrer Vorhaben, euere Schule auf meinen Namen zu taufen. Ich bin aber keineswegs gleichgültig gegen diesen Gedanken, sondern freue mich aufrichtig, dass ihr ihn fasstet. Wenn ihr mir also euere Sympathie bewahrt habt und auch heute noch an dem Wunsche festhaltet, euere Schule nach mir zu nennen, so stimme ich dem mit großem Vergnügen zu und werde dieser Kollektiv-Patenschaft immer gerne gedenken.“
Seinem Brief, der nach Dardesheim in der – zu dem Zeitpunkt nach Gründung der DDR 1949 formell nicht mehr bestehenden – „Russian Zone“ adressiert war, legte Thomas Mann ein Foto mit Widmung bei. Eine Vergrößerung davon ziert seit dem Um- und Neubau der Sekundarschule 1999 eine Wand in der Aula.
Bei Wilfried Fritz war schließlich zu lesen, dass 1950 über dem Haupteingang ein Schild mit der Aufschrift „Thomas-Mann-Schule“ angebracht wurde. Dieses hat fortan die nicht mehr als zeitgemäß angesehene Tafel mit der Inschrift „Gottes Wort mit uns in Ewigkeit“ verdeckt.
Schulleiterin Margret Bosse motivierte die Sechstklässler wie der Namensgeber kritisch zu sein und auch Umwege zu gehen, um zum Erfolg zu kommen. So sei Thomas Mann zwar nur ein mäßiger Schüler gewesen, habe es aber über Umwege zu Großem gebracht.

