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Sommerabenteuer Filigrane Betonteile sind weltweit gefragt

Zum Finale des Volksstimme-Sommerabenteuers 2016 hat der Betonfertigteilhersteller Befer in Halberstadt die Türen geöffnet.

Von Dennis Lotzmann 04.08.2016, 11:33

Halberstadt l Was war es gut, dass Benjamin Geller die Anfrage der Volksstimme, beim Sommerabenteuer in die Rolle des Gastgebers zu schlüpfen, angenommen hat. So hatten am gestrigen Mittwoch knapp 25 Leser die Möglichkeit, unter fachkundiger Führung hinter die Kulissen der Halberstädter Befer-Betonfertigteilbau- und Betonwaren GmbH zu schauen. Einerseits. Andererseits konnte auch der 51-jährige Geschäftsführer von Befer wissenstechnisch einigen Zugewinn verbuchen. Schließlich hatten mit Erika Wilde und Hanna Vaupel zwei ehemalige Mitarbeiterinnen des Halberstädter Betonwerks Tickets zum Rundgang durch „ihren“ früheren Betrieb ergattert.

Die beiden mittlerweile 79 Jahre alten Seniorinnen glänzten mit reichlich Fachwissen. Was mit Blick in die beruflichen Biographien nur logisch war. Erika Wilde arbeitete von 1971 bis 1996 als Hauptbuchhalterin hier, Hanna Vaupel fungierte von 1975 bis 1982 als Planungsleiterin.

Dass sich Besucher mit gewissen Grundkenntnissen rund um Beton unter die Gäste mischen würden, hatte Geller freilich geahnt: Mit den Worten „Einige von ihnen haben wahrscheinlich schon mal im polytechnischen Unterricht Beton gestampft“, empfing er seine Gäste, die dies nickend bestätigten. Allerdings hat sich seit dem DDR-Schulunterricht verdammt viel geändert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, seien hier zunächst Fertigteile aus Trümmerresten gefertigt worden, erinnerte Geller. Später fertigten rund 500 Mitarbeiter in dem zum Beton-Leichtbaukombinat Dresden gehörenden Betrieb verschiedenste Bauteile aus dem universell formbaren Baustoff. Darunter in den 1980er Jahren auch Teile für das bei Stendal geplante Atomkraftwerk, das jedoch nie ans Netz ging.

Heute, so Benjamin Geller, sei Befer international unterwegs, um mit rund 100 Beschäftigten nach Kundenwunsch passgenaue Betonfertigteile zu fertigen oder im Tunnelbau mitzumischen. Globalisierung und weltweites Engagement stünden dabei auf der Tagesordnung. „Aktuell fertigen wir Tunnelsegmente für das Bahnprojekt Stuttgart 21 und für den Brenner-Basistunnel“, berichtete der studierte Bergbauingenieur, der seit 2003 als Geschäftsführer die Geschicke von Befer maßgeblich mitbestimmt.

Seine ganz spezielle Handschrift in Form von filigranen Armierungskonstruktionen, die einst in Halberstadt entwickelt wurden, hinterließ Befer aber auch schon in Australien, Israel, bei der Kopenhagener Metro oder in Singapur. Die weltweiten Entfernungen, verriet der Geschäftsmann den Besuchern, seien nicht das Problem: „Wenn die in Container verladenen Sachen erstmal auf dem Schiff sind, kostet das alles nicht mehr viel.“

In der Metallbauhalle bekamen die Gäste wenig später einen Eindruck, wie tonnenschwere Armierungsstähle in die richtige Form gebracht und verschweißt werden. Die maßgenauen Rundbögen tragen später bei Tunnelprojekten mitunter Armierungsmatten, die wiederum die Basis für Spritzbeton-Auskleidungen sind.

Millimeterarbeit auch in der Nachbarhalle, wo unter anderem Beton-Platten für Balkone gegossen werden. Die Zutaten: Aus 500 Kilogramm Armierungsstahl, gut fünf Tonnen Beton und geballtem Fachwissen der Betonbauer wird binnen kurzer Zeit eine fertige Platte. „Wir liefern aber nicht nur Balkone oder Garagendächer, sondern auch ganz spezielle Konstruktionen“, verriet Geller. Die Gebäude für das Übungsdorf Schnöggersburg, das in der Colbitz-Letzlinger Heide aus dem Boden wächst, damit die Bundeswehr Auslandseinsätze trainieren kann, ist Made by Befer.

Benjamin Geller nutzte den Rundgang, um das eine oder andere Detail zu erklären, Fragen der Gäste zu beantworten und kleine Geheimnisse zu lüften. Darunter auch Anekdötchen aus vergangenen Tagen, die heute immer noch Garanten zum Schmunzeln sind. Wie jener Fassadenauftrag für die SED-Parteizentrale in Halberstadt. Die Genossen wünschten sich seinerzeit schönen knallroten Beton – mangels Farbe wurde jedoch an der falscher Stelle gespart, sodass letztlich Schweinchenrosa herauskam. Was wiederum für die Verantwortlichen ein blaues Wunder zur Folge gehabt haben soll. . .

Eine Episode, die beim Rundgang ebenso zur Sprache kam wie die DDR-typischen Austauschgeschäfte zwischen Betrieben. Lutz Schindler ist Bauingenieur und war einst unter anderem im Ausbesserungswerk der Reichsbahn (RAW) tätig. „Der Versuch, irgendwo aus einem Betonwerk Fertigteile für das RAW heran zu organisieren, war nahezu aussichtslos“, plauderte er während des Rundgangs aus. Als jedoch die Betonbauer mitbekamen, dass es im RAW eine gut aufgestellte Tischlerei gibt, gingen in typischer DDR-Kooperation sofort alle Ampeln auf Grün: „Helft ihr uns mit euren Tischlern beim Bau unserer Betonformen, sind Fertigteile für das RAW kein Problem.“

Das alles ist Geschichte. Geller, der 2003 von der HeidelbergCement AG kam und damals die Wahl hatte zwischen einem Job in Vancouver oder Halberstadt, sieht in Befer ein bisschen „sein Kind“. „Wir sind immer am Drücker, um neue Aufträge ranzuholen, das ist das A und O.“ Insgesamt sei die Baubranche nach dem wendebedingten Boom-Jahren noch immer am Schrumpfen. Befer könne aber aufgrund seiner Produkte und der Nischen, die bedient würden, ganz gut mithalten. „Und das soll so bleiben.“

Übrigens: Mit der Werksvisite bei Befer enden die diesjährigen Sommerabenteuer der Volksstimme. Bei sechs Aktionen konnten Leser einen Blick hinter die Kulissen wagen oder Bereiche betreten, die sonst tabu sind. Spaß und Freude waren dabei die Begleiter – soll heißen: Fortsetzung folgt.