Haushalt Verordneter Stillstand

Die unsichere Zukunft der Diesterwegschule blockiert wichtige Projekte in der Stadt. Doch nicht alles liegt auf Eis.

Von Theo Weisenburger 16.06.2016, 01:01

Halberstadt l Die gute Nachricht zuerst: Entgegen erster Befürchtungen werden nicht alle Vorhaben an städtischen Schulen zurückgestellt. Der Finanzausschuss hat am Dienstagabend zwei Projekte befürwortet, von denen - eine Zustimmung des Stadtrates vorausgesetzt - Goethe- und Miriam-Lundner-Schule profitieren würden. Die Lundner-Schule bekommt für 30 000 Euro einen neuen Heizkessel, für 310 000 Euro werden die Flachdächer der Goetheschule saniert.

Das war‘s dann aber auch. Weitere 3,25 Millionen Euro, die für Schulen, Straßenbau und Feuerwehr vorgesehen waren, werden zurückgestellt. Das hatte sich bereits vergangene Woche abgezeichnet, nun ist es eine Tatsache. Das Rathaus hat die Vorlagen gar nicht erst dem Finanzauschuss vorgelegt. Warum, das erläuterte Stadtjustiziar Timo Günther. Das maßgeblich vom Siedlerverein initiierte Bürgerbegehren zum Erhalt der Diesterweg-Grundschule ist zulässig. Die dafür erforderlichen 3 000 Unterschriften wurden erreicht.

Nun entscheidet der Stadtrat in seiner Sitzung vom 23.  Juni darüber, ob es zu einem Bürgerentscheid kommt. Wäre dies der Fall und die Halberstädter stimmen mehrheitlich für den Erhalt der Diesterwegschule, kommen auf die Stadt Sanierungskosten in Millionenhöhe zu.

Damit greift eine Regelung der Kommunalverfassung: Bis zum Ausgang des Bürgerentscheids darf die Stadt nichts unternehmen, was dem Bürgerentscheid zuwiderläuft. In diesem Fall also darf das Rathaus kein Geld ausgegeben, das dann eventuell für die Sanierung der Diesterwegschule fehlen würde.

Einzig die CDU-Abgeordnete Frauke Weiß ergriff im Ausschuss das Wort. Deren Fraktion hat schon immer vor den finanziellen Folgen einer Sanierung der Diesterwegschule gewarnt und folglich im Stadtrat auch dagegen gestimmt. „Da muss ich meinen Unmut aussprechen“, sagte sie angesichts der zumindest weit nach hinten geschobenen Investitionen. Gerade die Schulen, die sich Hoffnungen auf die Mittel aus dem Stark-V-Programm gemacht hatten, geraten laut Weiß nun „in eine prekäre Situation“.

Betroffen vom Finanzierungsstopp sind sieben Projekte: Sanierung der Kita „Bummi“ (1,2 Millionen Euro), energetische Sanierung der Miriam-Lundner-Grundschule (160 000 Euro), Sanierung der Kita „Kinderland“ (741  200 Euro), Zuschuss für die Kita „Rappelkiste“ (400 000 Euro), Sanierung der Westerhäuser Straße (310 000 Euro), Sanierung der Emerslebener Ratsstraße (120 000 Euro) sowie die Löschwasserversorgung im Industriegebiet Ost (210 000 Euro).

Für diese Gelder aus dem Stark-V-Programm des Landes wird die Zeit knapp. Laut Beschlussvorlage müssen für mindestens die Hälfte der Mittel die Anträge bis zum 30. September eingereicht werden. Sollte der Stadtrat am 23. Juni dem Bürgerentscheid zustimmen, muss dieses innerhalb der nächsten drei Monate erfolgen. Damit könnte sich das ganze Prozedere ebenfalls bis in den September hinein hinziehen.

Bereits zu spät dürfte es für den Einsatzleitwagen der Feuerwehr sein. Auch der Kauf dieses rund 80 000 Euro teuren Fahrzeuges wurde zurückgestellt. Damit besteht kaum noch eine Chance, das Auto in diesem Jahr zu beschaffen, sagte gestern Ingo Wetzel, der stellvertretende Abteilungsleiter Feuerwehr im Rathaus. Grund dafür seien lange Ausschreibungs- und Lieferfristen.

Die Einsatzbereitschaft der Halberstädter Kameraden sei allerdings nicht gefährdet. Sie hätten sich auch in der Vergangenheit mit einer provisorischen Lösung beholfen. Allerdings hätten am Montag die zahlreichen durch den Starkregen ausgelösten Einsätze gezeigt, dass ein modernes Einsatzleitfahrzeug wünschenswert sei. Wetzel: „Wir haben improvisieren müssen.“

Doch alle Improvisationskunst dürfte irgendwann an ihre Grenzen stoßen. Das aktuell für den Einsatzleitdienst eingesetzte Fahrzeug ist 13 Jahre alt und hat 110 000 Kilometer auf dem Tacho.

Recht betagt ist auch das Mannschaftstransportfahrzeug der Klein Quenstedter Wehr. Es stammt aus dem Jahr 1993, hat 145 000 Kilometer auf dem Buckel und ist dringend reparaturbedürftig. Doch diese Kosten würden den Wert des Wagens überschreiten, ein neues sei deshalb sinnvoll, steht in der abgesetzten Beschlussvorlage zu lesen.

Auch in diesem Fall ist die Einsatzbereitschaft nicht in Gefahr, sagt Wetzel. Er sieht allerdings ein anderes Problem. Die geplanten Anschaffungen stehen so im beschlossenen Brandschutz-Bedarfsplan. Aber nicht nur diese, weitere neue Fahrzeuge und Geräte sollen folgen. Doch wenn sich die finanzielle Situation nicht ändert und die Anschaffungen immer weiter nach hinten verschoben werden, sei ein Investitionsstau zu befürchten.