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Rekorde 40-Jähriger küsst Kuckuck wach

Die historische Kuckucksuhren-Fabrik im Harz soll Touristen locken. Ein Gernröder macht den Weg dafür frei.

Von Dennis Lotzmann 23.09.2016, 09:26

Gernrode l Nein, die touristischen Hinweisschilder, die Besuchern in Gernrode den Weg zur historischen Kuckucksuhren-Fabrik weisen, müssen nicht verschwinden. Schließlich winkt jener Manufaktur, die laut Guinnessbuch der Rekorde die größte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes besitzt, nach der Insolvenz eine neue Zukunft. Am Donnerstag haben Ortsbürgermeister Manfred Kassebaum (CDU), Jürgen Schröter von der Initiativgruppe zum Erhalt der Uhrenfabrik und der neue Besitzer Christian Bertram gemeinsam die Pläne vorgestellt.

Dreh- und Angelpunkt ist dabei der örtliche Metallbau-Unternehmer Bertram. Er hat Geld in die Hand genommen und die über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Immobilie erworben. Zur Höhe des Kaufpreises mag der 40-Jährige zwar nichts sagen – das Wachküssen der vor Jahren in einen Dornröschenschlaf gefallenen Manufaktur packen er und seine Mitstreiter aber voller Elan an.

Noch in diesem Jahr soll ein Gastronom vom Löderburger See wieder Leben in die einstige Gaststätte bringen. Zudem sei geplant, Werkstatträume im Erdgeschoss für den Gernröder Maler und Designer Michael Zeitzmann zu öffnen. „Das sind die kurzfristigen Vorhaben“, erklärt Christian Bertram. Mittel- und langfristig schmieden er und Unterstützer aus dem Ort rund um die einstigen Fertigungsräume weitere Pläne.

Dort sieht es auch Jahre nach der Insolvenz der Kuckucksuhren-Fabrik aus, als wäre bis gestern produziert worden. Werkzeug und Teile liegen griffbereit, überall hängen verschiedene Uhren. Optimale Voraussetzungen, um die Visionen der Gernröder Wirklichkeit werden zu lassen. Hier könnte, wie einst, wieder ein Rundgang durch eine Schauwerkstatt mit musealem Anstrich entstehen, hier könnten sich aber auch Gernröder Firmen mit ihren touristischen Produkten präsentieren.

„Wir haben einen Schnitzer im Ort, wissen eine Likörfabrik bei uns und haben viele Einwohner mit Engagement und Ideen“, sagt Jürgen Schröter. Der 74-Jährige war einst Unternehmer mit mehreren Firmen und ist – wie man so schön sagt – rund um Gernrode bestens vernetzt. Mit anzusehen, wie die historische Uhrenfabrik im Stadtzentrum vom Touristenmagnet langsam zur Ruine verkommt, habe ihn geschmerzt, verrät er.

Einst war die 1948 gegründete Fabrik – die einzige außerhalb von Süddeutschland – mit ihren Kuckucksuhren sogar in Amerika bekannt. Die Amerikaner sorgten mit ihrer Liebe für die Pendeluhren mit Kuckucksruf bis nach der Jahrtausendwende für den nötigen Umsatz. Dann brach der Markt in Übersee zusammen, die Firma rutschte 2009 in die Insolvenz. Für die historische Produktionsstätte gab es keine Perspektive.

Deshalb packte Jürgen Schröter an. Er nutzte Kontakte und baute Brücken, um gemeinsam mit Gleichgesinnten in der Initiative zum Erhalt der historischen Uhrenfabrik einen Käufer für die Immobilie zu suchen und schließlich in Christian Bertram zu finden.

Dass Bertram das angepeilte Ziel allein nicht erreichen kann und will, ist allen Beteiligten klar. „Er schafft mit dem finanziellen Engagement gewissermaßen den Rahmen, nun sind auch die Gernröder gefragt, um das touristische Kleinod zu beleben“, formuliert Schröter die Hoffnung. „Wir wollen einen Verein gründen und sprechen Einwohner und ehemalige Mitarbeiter der Uhrenfabrik gleichermaßen an“, wirbt er um Mitstreiter.

Er selbst erinnert sich noch an die Zeiten, als zuhauf Besucher durch die Manufaktur geführt wurden und einen Blick hinter die Fertigungskulissen werfen konnten. „Bis 2009 zählten wir hier bis zu 90 000 Gäste im Jahr. Wenn wir im kommenden Jahr vielleicht starten und dann 20 000 anlocken, wäre das ein tolles Ergebnis.“

Der Gernröder Ortsbürgermeister Manfred Kassebaum beobachtet das Engagement sichtlich erfreut. „Es wäre schön, wenn wir unser Kulturdreieck mit Stiftskirche, Elementarschule und Uhrenfabrik wieder komplettieren könnten“, so der 60-Jährige. Das Ziel ist klar: Touristen anlocken und an die Zeiten, als ganze Heerscharen durch die Schauwerkstatt pilgerten, anknüpfen. Der geplante Verein könne helfen, Fördermittel zu beschaffen.

Christian Bertram, der selbst Vater von drei Kindern ist, hat bei seinen Visionen auch die jüngeren Generationen im Blick. Bastelaktionen rund um Uhren für Kinder könne er sich ebenso vorstellen wie Weihnachtsmärkte. „Die Einwohner sind eingeladen, sich mit ihren Ideen einzubringen“, betont er.

Worte, die Jürgen Schröter sichtlich erfreut registriert. Nach Jahren von Stagnation und Niedergang gebe es endlich wieder eine Perspektive, sagt er und erinnert an das einmalige Pfund, mit dem das Uhrenmuseum werben könne: „Wir haben das weltweit größte Wetterhaus, mit 7,45 Metern Höhe das größte Thermometer und obendrein die kleinste und die größte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes. Das sind vier Guinnessbuch-Rekorde auf 2000 Quadratmeter Fläche – kann das jemand überbieten?“

Kontakt zu Jürgen Schröter: (01 60) 94 59 15 31