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Synagogen Wer zahlt für Sicherheit in Halberstadt?

Für Syngagogen gelten nach dem Halle-Attentat gelten neue Sicherheitsregeln. Doch der Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt fehlt das Geld.

Von Sabine Scholz 23.07.2020, 01:01

Halberstadt l Polizisten stehen schon lange nicht mehr als bewaffneter Schutz vor der Klaussynagoge in Halberstadts Altstadt. Stattdessen sitzen junge Polizisten oft in dem Gebäude, das heute Heimstatt der Moses-Mendelssohn-Akademie ist. An den Seminartischen geht es um Grundlagen des Judentums und die Fragen, was ist Antisemitismus, woran erkennt man die modernen Formen dieses ausgrenzenden, abwertenden Umgangs mit Juden?

Das Haus ist wieder Lehrstube, so, wie es im 18. Jahrhundert Berend Lehmann wollte, der Stifter des Rabbinerseminars. Zwar werden in der Klaus keine Rabbiner mehr ausgebildet, aber Menschen unterschiedlichster Generationen lernen Neues über die Geschichte der Juden in Deutschland und Europa, tauchen in spezielle Aspekte jüdischen Lebens ein oder lernen Grundlagen jüdischen Lebens kennen. Staatsbedienstete, Beamte, Lehrer, Schüler, Rentner, Firmenteams, Studenten, ein bunter Mix, nicht nur an Berufen und Altersklassen, sondern auch an Nationalitäten. Schließlich ist die Moses-Mendelssohn-Akademie Halberstadt internationale Begegnungsstätte. Angehörige und Nachfahren jüdischer Familien, die bis 1942 in der Domstadt zu Hause waren, sind ebenso regelmäßig zu Gast wie junge Israelis, die mit den Menschen der Harzregion ins Gespräch kommen.

Die Akademie spielt zudem eine wichtige Rolle in der Vermittlung der Glaubensgrundlagen, obwohl es keine lebendige Gemeinde mehr gibt. Ende der 1990er Jahre begann zwar jüdisches Gemeindeleben, doch die aus den ehemaligen sowjetischen Republiken nach Deutschland gekommenen Juden fanden im Harz kaum Arbeit, zogen weg.

So wichtig die Akademie für das Wirken der jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt auch ist, dass in Halberstadt keine Gemeinde existiert, beschert ihr große Geldsorgen. Als wichtiger Ort jüdischen Lebens wurde die Akademie zwar mitsamt des dazugehörenden Museums und Cafés einbezogen in die Sicherheitsanalysen des Landes nach dem Halle-Attentat. Doch Geld zur Umsetzung der Empfehlungen soll sie nicht bekommen. Weil die Akademie nicht von einer Gemeinde getragen wird. Und sich offenbar kein Ministerium so richtig zuständig fühlt.

Nach dem Halle-Attentat standen bewaffnete Beamte über mehrere Wochen jeden Tag rund um die Uhr vor den Gebäuden der Akademie. Die Sicherheitsbehörden erstellten Konzepte, wie die zumeist unter Denkmalschutz stehenden Gebäude sicherer gemacht werden können.

„Wir sind dankbar für die sicherheitstechnischen Empfehlungen“, sagt Akademie-Direktorin Jutta Dick „Aber wir wissen nicht, wie wir die Umsetzung dieser Empfehlungen bezahlen sollen.“ Rund 500.000 Euro, so schätzt Jörg Felgner, wären dafür erforderlich. Felgner ist Vorstand der Stiftung Moses Mendelssohn Akademie und hatte das Problem schon Ende 2019 in Magdeburg angesprochen. Bevor Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) im Januar die Einrichtung besuchte und sich ein Bild von deren Arbeit machte.

„Damals gab es erste Überlegungen, jüdische Einrichtungen in der Sicherheitsfrage finanziell zu unterstützen“, erinnert sich Felgner. Er nahm Kontakt zum Innenministerium auf, weil das für Sicherheitsfragen zuständig ist und die Akademie aufgrund der Neukonzeption des Museums ohnehin einige Umbauten plante. „Wir hofften auf eine rasche Klärung, damit wir nicht Geld für etwas ausgeben, was wir dann wieder zurückbauen müssen.“

Inzwischen liegt das Sicherheitskonzept vor. Darin geht es um moderne Einbruchmeldeanlagen und Bauelemente, die einen Einbruch erschweren. Es geht um Fenstergrößen, Mauerhöhen, Schutzräume, explosionssichere Fenster. Doch in den bislang gewährten Fördergeldern für die Umgestaltung der Dauerausstellung sind sicherheitstechnische Einbauten nicht vorgesehen.

Im Juni schloss die Landesregierung mit den jüdischen Gemeinden im Land eine Zusatzvereinbarung ab, die sich auf Artikel 3 des Vertrages des Landes mit der jüdischen Gemeinschaft bezieht. In der Presse-Information zu der Zusatzvereinbarung hieß es am 16. Juni sie „beinhaltet die Förderung von baulich-technischen Sicherungsmaßnahmen an Synagogen und anderen Einrichtungen, die dem jüdischen Gemeindeleben im Bundesland dienen“.

Doch die Moses-Mendelssohn-Akademie kann nicht in den Genuss dieser Förderung kommen. Denn „Vertragspartner sind die jüdischen Gemeinden und der Landesverband, inhaltlich geht es um bauliche und technische Maßnahmen, die von ihnen genutzte Liegenschaften betreffen“, sagt Ministerialrat Dr. Wolfgang Schneiß auf Volksstimme-Nachfrage. Schneiß ist Ansprechpartner für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus. Er bestätigt: „Kultureinrichtungen und Gedenkstätten mit Bezug zur jüdischen Tradition und Geschichte, wie etwa die Moses-Mendelssohn-Akademie in Halberstadt, werden nicht von den jüdischen Gemeinden im Land oder vom Landesverband getragen und sind insoweit nicht Gegenstand dieser Zusatzvereinbarung“. Heißt im Klartext, es gibt kein Geld.

Auch wenn „Schutz und Sicherheit dieser Einrichtungen für die Landesregierung gleichwohl von hoher Bedeutung“ seien. Sie unterlägen gleichfalls besonderen Gefährdungen mit antisemitischem Charakter, heißt es in der Antwort aus der Staatskanzlei. Deshalb habe das Innenministerium ja auch die Gefährdungsanalysen vom Landeskriminalamt für die Akademie erstellen lassen. Die Umsetzung der sicherheitstechnischen Empfehlungen sei durch die Träger der Einrichtung zu prüfen.

Mal eben 500 000 Euro hat die Stiftung Moses Mendelssohn Akademie nicht übrig. Und Anträge auf Geld entsprechend der Kulturförderrichtlinie des Landes scheinen wenig aussichtsreich. Denn wie Schneiß bestätigt, wären sicherheitstechnische Maßnahmen, die dem Schutz und der fach- und sachgerechten Unterbringung des Kulturguts in der Ausstellung und im Depot dienen, grundsätzlich förderfähig. Doch für Sicherheitsmaßnahmen gegen politische Gewalt stelle die Kulturförderung kein Geld zur Verfügung. Das sei Sache des Innenministeriums. Das aber nicht zuständig ist für Kultur-einrichtungen.

Ob aus Denkmalschutzmitteln Geld fließen könnte? Immerhin heißt es in der Denkmalpflegerichtlinie Sachsen-Anhalts unter Punkt 2.4: „Folgende Maßnahmen an Kulturdenkmalen (können) anerkannt werden: ... Sicherung gegen Zerstörung (Feuer, Blitz, Wasser) und Einwirkungen (Sachbeschädigung) durch Unbefugte (Sicherung gegen Einbruch)…“ Eine Antragstellung dafür müsste allerdings bereits bis zum 1. August erfolgen.