Tasse Kaffee Lehren um zu lernen

Wenn Svetlana Pimenov kreative Techniken lehrt, hat sie einen Hintergedanken. Mit den Kursen will sie ihre Deutschkenntnisse verbessern.

Von Sandra Reulecke 18.06.2016, 10:32

Halberstadt l Svetlana Pimenov ist ehrenamtlich tätig, aber nicht uneigennützig. „Ich gebe die Kurse, um selbst zu lernen“, verrät die 41-Jährige. Sie gibt Kreativstunden in Halberstadt, im Jugendclub Globali und jeden Dienstag im Mehrfamilienhaus Burchardikloster.

Während sie den Teilnehmern das Zeichnen und Gestalten näherbringt, verbessern die Schüler ihre Sprachkenntnisse. „Sie haben Geduld mit mir, wenn ich etwas falsch ausspreche.“ Den richtigen Artikel zu verwenden, falle ihr oft schwer. „Und ich verwechsele mir und mich.“

Svetlana Pimenov stammt aus Russland – ihr Geburtsort Syktywkar liegt etwa 4000 Kilometer entfernt von der Domstadt. Was hat sie 2004 in den Vorharz verschlagen? „Wir sind Spätausssiedler. Als sich damals die Möglichkeit bot, nach Deutschland zu kommen, wollte meine Familie das unbedingt machen.“ Sie selbst wäre in der Heimat geblieben. „Aber nicht allein, dass hätte ich nicht gekonnt.“ Und ein wenig Abenteuerlust hatte sie doch, Neugier auf das fremde Land.

Ihre erste Zeit in Halberstadt ist Svetlana Pimenov in guter Erinnerung geblieben. „Das war wie Urlaub. Wir haben uns gefühlt wie Touristen“, berichtet die 41-Jährige. „Aber dann kam die Bürokratie. Wir mussten viel telefonieren und die Papierberge wuchsen“, erinnert sie sich. Schon die Kinder in der Schule anzumelden war wegen der Sprachbarriere kompliziert.

„Oma konnte Deutsch und hat uns viel geholfen. Aber manche Wörter, wie Kühlschrank, kannte sie nicht, die gab es damals noch gar nicht, als sie nach Russland kam.“

Svetlana Pimenov lernte Deutsch in der Schule und hatte gute Noten, doch die Sprache im Alltag zu nutzen, sei etwas ganz anderes. Erschwerend hinzu kam, dass ihre Abschlüsse und die Berufserfahrung in Deutschland nicht anerkannt wurden.

In Russland arbeitete sie als Holzgestaltungskunstlehrerin – ein Beruf, den es in Deutschland nicht gibt. Sie gestaltete aufwendige Bühnenbilder und Kostüme für Theater und Opern. „In Deutschland habe ich mich viel beworben, aber leider keinen Erfolg gehabt.“

Oft habe die dreifache Mutter anfangs deshalb mit dem Gedanken gespielt, zurückzukehren. „Aber meine Töchter wollten das nicht. Sie gingen und gehen hier zur Schule, die Älteste studiert Jura.“ Die zweite Tochter wurde in Halberstadt eingeschult, die jüngste hier geboren. Beide sprechen Russisch, können es jedoch nicht schreiben. „Meine Kinder fühlen sich hier zu Hause.“

Und so arrangierte sich Svetlana Pimenov mit dem Leben in Deutschland. Sie und ihr Mann haben Freunde gefunden, fühlen sich wohl. Nur, dass sie beruflich nicht Fuß fassen konnte, ärgert Svetlana Pimenov. Sprachkurse, Praktika, Minijobs und Ein-Euro-Anstellungen – aber keine richtige Anstellung, schon gar nicht in dem erlernten Beruf. „Wenigstens durch die Kreativkurse habe ich noch Verbindung zu meinem alten Job, deshalb sind sie mir wichtig.“