Theater Eine Parodie voller Glut

Mit lang anhaltendem Beifall hat das Publikum die Premiere "Der Liebestrank" von Gaetano Donizetti im Großen Haus Quedlinburg gefeiert.

Von Renate Petrahn 13.11.2018, 17:47

Quedlinburg l Ebenso glutvoll wie parodisierend präsentiert, noch dazu in Originalsprache gesungen mit deutschen Übertiteln, vermittelt die Aufführung ein musikalisches Feeling-Well–Erlebnis.

Die Verlegung der Handlung in ein Sanatorium eröffnen Regisseurin wie Ausstatterin (Andrea Kaempf) opulente Möglichkeiten, den allerorts grassierenden Zwang zur Selbst- optimierung ordentlich auf die Schippe zu nehmen. Denn das ist das Problem von Nemorino, er genügt nicht.

Hoffnungslos in die kapriziöse Adina verliebt, hat er (zunächst) keine Chance, von ihr erhört zu werden. Statt seiner scheint ein Macho, der smarte Fitnesstrainer, das Rennen bei der Schönen zu machen. Da erscheint zur rechten Stunde Doktor Dulcarama, ein Quacksalber, der Mittelchen für alle und alles hat und natürlich auch ein „Elisir d’Amore“. Nemorino sieht seine Chance gekommen und erwirbt zunächst eine Flasche des Liebestrankes, dessen Wirkung mit einem Tag Verzögerung einsetzen soll. Um ganz sicher zu gehen, kauft Nemorino noch eine zweite Flasche.

Schließlich hat Adina in ihrer rührenden Version von Tristan und Isolde ein Elixir erwähnt, durch dessen Zauber Isolde sich Tristan zuwendet. Warum soll das nicht auch bei ihm funktionieren?

Und da der Glaube Berge versetzen kann, geschieht das Wunder, wobei offen bleibt, ob es der Liebestrank war oder die unerwartete Erbschaft, die Nemorino zu einem reichen Mann macht. Wie auch immer, Adina wendet sich ihm zu, dem Happy End steht keiner mehr im Wege.

„Der Liebestrank“ am Nordharzer Städtebundtheater ist ein Abend der schönen Stimmen, lebhafter Aktion, vor allem des Chores, und eines harmonischen Szenenflusses.

Die Adina von Bénédicte Hilpert klingt so frisch, natürlich und mühelos, wie man es sich für diese Partie nur wünschen kann. Selbst die halsbrecherischen Koloraturen tönen bei ihr wie eine Selbstverständlichkeit. Ihr Timbre unverwechselbar. Ihre Präsenz, ihr ausdrucksstarker Wandel von einer Umworbenen zu einer Werbenden ist beeindruckend. Eine Paraderolle für die Sängerin.

Verdienten Jubel und Bravorufe erntet ebenso Max An als Nemorino. Er lebt den jungen und naiven Mann geradezu auf der Bühne mit einer Stimme, die berührt und begeistert. Der Tenor singt in den Höhen vollkommen unangestrengt. Höhepunkt des Abends ist Nemorinos weltberühmte Arie „Una furtiva lagrima/Heimlich aus ihrem Auge sich eine Träne stahl“, begleitet von Harfe und Englischhorn, die so richtig unter die Haut ging. Genau wie die Geste beim Abschlussapplaus, als Max An seinen Blumenstrauß seiner Frau im Publikum zuwarf.

Den Dulcamara als einen Verkäufer von Illusionen singt Gijs Nijkamp souverän und mit einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit in Ausdruck und Stimme.

Sein „Verkaufsgespräch“ mit Nemorino ist ein köstliches Kabinettsstückchen .

Juha Koskela als Belcore gibt überzeugend einen gestandenen Macho im Gewand des Fitnesstrainers, immer direkt ohne Umwege auf seine Ziele zusteuernd.

Bettina Pierags singt eine bewusst kokette Giannetta, die die Strippen zu ziehen weiß.

Im Unterschied zu anderen Inszenierungen wird dem Chor (Einstudierung Jan Rozenahl) einiges mehr als „nur“ vokale Leistung abverlangt. Die Damen und Herren, vor allem letztere, präsentieren sich als eifrige Fitnessteilnehmer, mit Liegestütz, Kniebeugen und angedeuteten chinesischen Fitnessübungen.

Die musikalische Leitung der Aufführung hat Kari Kropsu, der das bestens aufgelegte Orchester mit italienischem Esprit spielen lässt und präzise Solisten wie Chor durch den Premierenabend führt.

Auch für ihn und die Orchestermusiker gibt es viel Applaus

Seit seiner Uraufführung im Jahr 1832 begeistert die komische Oper „Der Liebestrank“ das Publikum, die Inszenierung am Nordharzer Städtebundtheater setzt die Erfolgsgeschichte fort.

Die nächste Aufführung im Großen Haus in Halberstadt findet am Sonnabend, 24. November statt.