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Urteil Neun Monate Haft nach Todesfahrt

Neun Monate Haft auf Bewährung für einen früheren Polizeischüler. Das ist die Quittung nach einer Todesfahrt bei Blankenburg.

Von Dennis Lotzmann 06.06.2018, 01:01

Wernigerode l Letztlich brachte Helmut Hapke, der Vater des Unfallopfers mit wenigen Worten auf den Punkt, was wohl viele Besucher im Saal des Wernigeröder Amtsgerichtes mit Blick auf den Angeklagten Nikita G. dachten: „Haben Sie ein gutes Gefühl dabei?“ Dabei, sich bei konkreten Nachfragen der Hinterbliebenen immer wieder in Erinnerungslücken zu retten. So zerstob in der gut zweistündigen Verhandlung vor allem eines: Die Hoffnung der Hinterbliebenen, auf noch immer offene Fragen endlich Antworten zu bekommen.

Vater, Mutter und Schwester des 18 Jahre alten Opfers ging es als Nebenkläger insbesondere darum, Details rund um die tragischen Momente in der Nacht zum 11. Februar zu erhellen. Warum waren Nikita G. und ihr Sohn – beides Polizeischüler an der Fachhochschule in Aschersleben – trotz vorherigen Alkoholgenusses noch einmal gestartet? Warum hatten sie das Haus in der Stukenbreite in Blankenburg Hals über Kopf verlassen? Und: Warum musste ihr Sohn am Ende sterben?

Zumindest letztere Frage wurde – aus der Sicht des Angeklagten – aufgehellt. Man habe noch mal in die Stadt gewollt und wegen der Winterreifen sein Auto gewählt. Wenige hundert Meter vom Haus entfernt und in Höhe des Ortseingangs von Blankenburg der fatale Crash: Nikita G., sechs Wochen zuvor erst 18 Jahre alt geworden und von seinen Eltern mit deren Renault beschenkt, kommt in einer Rechtskurve nach links von der Fahrbahn ab, der Wagen kracht mit der B-Säule der Beifahrerseite gegen einen Baum.

Während das unstrittig ist, ranken sich um den Unfall bis heute viele Fragezeichen. So ist die exakte Unfallzeit unklar. Nikita G. will den Notruf vom Haus in der Stukenbreite abgesetzt haben. In gut sechs Minuten schildert der Polizeischüler vergleichsweise chaotisch, dass es einen Unfall mit wohl tödlichem Ausgang gegeben habe. Entscheidend dabei: Sein Kumpel – der Fahrer – sei wohl tot.

Eine Lüge, an der G. auch später gegenüber der Polizei festhält. Nicht er, sondern der getötete 18-jährige Jan Falko W. habe am Steuer gesessen. Eine Behauptung, die die ermittelnden Polizeibeamten und der hinzu gerufene Sachverständige schnell widerlegen. Allein wegen der schweren Verletzungen kann W. unmöglich auf dem Fahrersitz gesessen haben.

Dessen erlittene Verletzungen seien, heißt es vor dem Amtsgericht, sofort tödlich gewesen. Nikita G. indes wird nur leicht verletzt, muss nicht mal ins Krankenhaus.

Nun, in der Verhandlung, schiebt G. seinem Freund erneut eine gewisse Mitschuld zu. Der habe sich weit aus dem Beifahrerfenster gelehnt. „Ich wurde abgelenkt, so kam es zum Unfall.“ Ob das stimmt, kann niemand nachprüfen. Allein: Diese Version hören die Beteiligten vor Gericht zum ersten Mal.

Dort ringt sich G. eingangs auch dürre Worte der Entschuldung ab. Er will „ungefähr im März“ einen Brief an die Hinterbliebenen geschrieben haben. Was diese erneut überrascht. Einen solchen Brief hätten sie nie erhalten. Es gibt auch keine Kopie in der Akte oder einen Versandnachweis.

Dafür aber im Gericht immer wieder Fragen mit Blick auf die moralische Verfassung des Angeklagten. So spricht die 21 Jahre alte Schwester des Opfers davon, dass Nikita G. schon 14 Tage nach der Todesfahrt wieder Partybilder gepostet habe. Das deckt sich irgendwie mit Beobachtungen von Polizeibeamten. G. habe an der Unfallstelle teilnahmslos und abgebrüht gewirkt, heißt es.

Am Ende ringen Staatsanwalt und Pflichtverteidiger vor Gericht um die Frage, ob G. nach Jugend- oder dem schärferen Erwachsenen-Strafrecht zu verurteilen ist. Unstrittig ist nach einem späteren Geständnis, dass G. gefahren ist und er laut Blutanalyse zwei Stunden nach dem Crash 1,04 Promille Alkohol intus hatte. Deshalb hat die Polizeischule G. längst entlassen. Bei W. dürfte der Promille-Wert ähnlich gewesen sein – man habe in etwa gleich viel Bier und Whisky-Cola konsumiert, so G. Und letztlich, erinnert Staatsanwalt Thomas Rieder, habe W. natürlich gewusst, in wessen Auto er steigt.

Rieder überzeugt am Ende das Gericht: Es verurteilt Nikita G. wegen fahrlässiger Tötung und Straßenverkehrsgefährdung nach Erwachsenem-Strafrecht zu neun Monaten Haft, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden, und zwei Jahren Entzug der Fahrerlaubnis. Rieder und die Nebenkläger hatten mehr gefordert: ein Jahr und drei Monate Haft auf Bewährung und 300 Sozialstunden.

Ob gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt werden, ließ der Verteidiger offen. Die Staatsanwaltschaft tendiert dazu, dass Urteil anzuerkennen.

Der Kommentar "Klare Aufgabe für die Politik" zum Thema.