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Nachhilfe Flüchtlinge lernen in Calvörde deutsch

Flüchtlingskinder wollen schnell die deutsche Sprache kennenlernen. Pädagogen und Schüler der Calvörder Sekundarschule helfen ihnen.

Von Anett Roisch 12.09.2015, 01:01

Calvörde l „Mein Name ist Nawaz. Ich komme aus Afghanistan. Mein Bruder und ich sind mit dem Boot geflüchtet. Wir leben jetzt in Calvörde. Ich möchte viel lernen, Ingenieur werden und später in meiner Heimatstadt Häuser bauen.“ Diese Sätze kommen langsam und holprig über seine Lippen. Und doch ist der Neuntklässler stolz, diese Sätze in Deutsch aussprechen zu können. Nawaz ist einer von 13 Kindern und Jugendlichen, die im Deutschunterricht unter dem Dach der Calvörder Sekundarschule an einem großen Tisch sitzen.

Mehrmals in der Woche kommen die neuen Schüler neben dem offiziellen Kernunterricht zusammen, um gemeinsam Deutsch zu lernen.

Lehrerin Eva Manske unterrichtet die Flüchtlingskinder mit ihren Kolleginnen Angela Zausig, Roswitha Hilbricht und Ute Nothnagel. Vor den Lehrerinnen sitzen Kinder und Jugendliche aus Syrien, Afghanistan, Albanien, Kosovo und Tschetschenien - eine babylonische Sprachverwirrung bisweilen. Der Vorteil ist, dass die gemeinsame Sprache Deutsch ist. Zunächst eint die Kinder aber genau das Gegenteil: Den meisten fehlen deutsche Sprachkenntnisse. Das ist eine sehr große Herausforderung für die Lehrer.

Flamur kommt aus dem Kosovo und ist seit acht Monaten in Deutschland. „Ich möchte Deutsch lernen. Die Schule macht Spaß“, betont der 16-Jährige. Auch Hadis ist mit seinem Vater aus dem Kosovo geflüchtet. Der Junge macht sich große Sorgen, denn seine Mutter ist noch in der Heimat.

Die Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 16 Jahren haben vorerst in Weferlingen eine Bleibe gefunden. Ein Teil der Flüchtlinge lebt in Wohnungen in Calvörde. Necime aus Afghanistan gehört zu den jüngsten Schülerinnen. Sie liebt Musik und Tanzen.

„Das ganz Besondere an diesen Schülern ist, dass sie sehr höflich und nett sind. Sie wollen lernen. Das ist bei unseren Schülern nicht immer so. Geredet wird auf Englisch, Russisch und manchmal hilft nur Pantomime. „Einmal habe ich mich vor die Tafel auf den Fußboden gelegt, um das Verb liegen zu beschreiben und dann zu deklinieren. Wir haben alle gelacht. Spaß gehört auch dazu“, weiß Eva Manske. Und dann gibt es noch Wörterbücher und moderne Hilfsmittel. „Manche haben ein Handy, und es ist auch in Ordnung, wenn sie es zum Übersetzen benutzen“, sagt die Lehrerin. Den Kindern Geborgenheit und ein wenig Normalität zu geben, ist auch das Ziel der Pädagogen. Den kulturellen Unterschieden zwischen den neuen und den alteingesessenen Schülern begegnet die Schule mit Toleranz. Eine junge Muslimin, die ein Kopftuch trägt, ist kein Problem.

Schulleiter Claudio Kühn zieht Bilanz: „Wir haben Stunden vom Land für den Deutschunterricht dazu bekommen. Aber die Anzahl der Schüler hat sich weiter erhöht. Wir brauchen zusätzliche Stunden. Manche kommen ohne Deutschkenntnisse an. Die Sprache eines Schülers der neunten Klasse, der aus Afghanistan kommt, ist Dari. Das kann von uns niemand sprechen. Ähnlich ist es mit den Kindern aus Syrien. Wir müssen zusehen, dass sie schnell die deutschen Grundbegriffe lernen.“ Eines verbindet anscheinend die Kinder. „Sie kommen mit ganz großem Interesse in die Schule und wollen sich mit einbringen“, lobt der Schulchef. „Die Kinder sind sehr dankbar“, sagt Lehrer Friedhelm John, der vier Flüchtlingskinder im Fach Mathematik unterrichtet. „Für die Kinder unserer Wohlstandsgesellschaft ist vieles selbstverständlich. Sie können von den neuen Mitschülern zum Beispiel höfliches Auftreten lernen“, erklärt Kühn. „Bei uns wird die Willkommenskultur gelebt“, versichert John.