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Kirchturm Turm- und Wanderfalken sind Nachbarn

Auf dem Haldensleber Marienkirchturm spielt sich eine tierische Besonderheit ab. Hier leben Turm- und Wanderfalken einträchtig zusammen.

Von Julia Schneider 10.05.2019, 01:01

Haldensleben l Ein Greifvogel zieht seine Runden über dem Haldensleber St. Marien-Kirchturm. Er stößt schrille Rufe aus, denn gerade sind Männer auf den Turm geklettert und nähern sich den Vogeljungen. Sie wollen ihnen nichts tun, ganz im Gegenteil: unter ihnen ist der von der Unteren Naturschutzbehörde eingesetzte Betreuer aus Haldensleben. Er wird die vier Jungvögel beringen.

Seinen Namen möchte der Mann nicht unbedingt in der Zeitung lesen (der Redaktion ist er bekannt), aber sein Fachwissen gibt er gerne weiter. Denn als langjähriges Mitglied des Verbandes Deutscher Falkner weiß er sehr genau einzuordnen, was sich auf dem Haldensleber Kirchturm abspielt.

„Dass Turmfalken auf hohen Gebäuden brüten, ist häufig zu beobachten. Wanderfalken gibt es seltener. Sie waren in den 60er und 70er Jahren schließlich in Deutschland so gut wie ausgestorben. Aber dass Turm- und Wanderfalken sich zum Brüten den gleichen Turm aussuchen, das passiert wirklich nicht oft“, sagt der Falkenkenner. Was bereits 2017 dazu führte, dass Haldensleber wochenlang vor dem Kirchturm stehenblieben und hinaufblickten, ist nämlich auch 2019 wieder so: an einer Seite des Turmes, der zum Kirchenschiff gewandten, hat sich ein Wanderfalkenpärchen niedergelassen, am Giebel gleich nebenan nistet ein Turmfalke.

Normalerweise, so erklärt der Falkenbetreuer, könnte der Wanderfalke den wesentlich kleineren Turmfalken angreifen. Denn während Turmfalken sich von Beutetieren wie Mäusen ernähren, jagen Wanderfalken als größte unter den Falken kleinere Vögel im Flug. Bis zu 400 Stundenkilometer können sie im Sturzflug erreichen und sind damit die schnellsten Tiere der Erde.

Die Falkenkenner wissen übrigens ganz genau, mit wem sie es in Haldensleben zu tun haben: Das Weibchen, das im März vier Jungvögel ausgebrütet hat, wurde 2011 in Bernburg beringt. Die Vogeldame ist also acht Jahre alt und hat sich mit einem Vogelmann aus Haldensleben oder Umgebung eingelassen. Normalerweise suchen sich die Terzel, so heißen die männlichen Falken, nämlich ein Revier, das nicht weiter als 30 Kilometer von ihrer Kinderstube entfernt liegt.

Das Wanderfalkenpärchen findet also das Wahrzeichen der Stadt gemütlich. 2018 ließ es sich trotzdem nicht blicken. „Da hatten wir unsere Bauarbeiten“, erinnert Pfarrer Matthias Simon. Zwar bauten die Experten den Wanderfalken damals extra einen Kasten auf die entgegengesetzte Seite zur Turmsanierung, damit er nicht gestört wird. Aber kein Wanderfalke war weit und breit in Sicht. Dafür fand der Turmfalke Gefallen an dem Heim und brütet dort auch in diesem Jahr wieder. „Meine Frau hatte schon Sorge, dass der Wanderfalke nicht wieder zurück kommt“, verrät Matthias Simon. Nun aber atmen die Kirchenmitglieder auf, denn beide Falkenpaare sind zurück.

Dass sie den Kirchturm ziemlich schmutzig hinterlassen, stört den Pfarrer nicht. „Die Wanderfalken stehen unter Naturschutz, da ist es sowieso keine Frage, ob sie hier brüten dürfen. Aber selbst, wenn das nicht so wäre: es ist doch ein echter Schatz, dass sie hier sind“, sagt Matthias Simon über die tierischen Bewohner.

2017 sorgten die übrigens für einige Aufregung: Ein Jungtier purzelte immer wieder aus dem Nest. Oder wurde vielmehr von seinen Geschwistern hinaus gedrängelt, erklärt der Haldensleber Falkenbetreuer. Deshalb bauten er und seine Kollegen eine Art Balkon an den Brutkasten. Falls es aber in diesem Jahr trotzdem wieder einen Absturz geben sollte, hat der Experte einen Rat: Passanten können die Jungvögel ruhig aufnehmen und beispielsweise ins Rathaus bringen. Die Mitarbeiter dort wissen genau, wen sie anrufen müssen.