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Rassismus Umstrittene Büttenrede abgesagt

Nach der umstrittenen Büttenrede in Süplingen hat sich Präsident Uwe Urban entschuldigt. Redner Holger Brauns hat den Verein verlassen.

20.01.2020, 15:54

Süplingen l Es ist eine 180-Grad-Wende. Nach den Reaktionen auf die umstrittene Büttenrede vom Sonnabend hat sich der Süplinger Narrenbund vom Inhalt der Rede distanziert. Der Verein trage die „Regenbogenfahne im Herzen", sagte der Präsident Uwe Urban am Montag. Die Rede sei für alle kommenden Karnevalssitzungen aus dem Programm genommen. Urban hatte sich nach der Generalprobe noch dafür ausgesprochen, dass Holger Brauns seine Büttenrede halten darf. Im Wort „Neger" wollte er auch am Abend nach der ersten Sitzung am Sonnabend noch  keine rassistische Beleidigung erkennen. Auch das hat der Präsident nun revidiert. Ihm sei das nicht bewusst gewesen, er würde das Wort so nicht mehr verwenden, sagte er.

In seiner Büttenrede hatte Brauns am Sonnabend folgenden Witz erzählt: „Als Kind haben sie mir immer mit dem schwarzen Mann gedroht. Und ich dachte, die verarschen mich. Da geht ein Neger in den Supermarkt und kauft sich eine Packung Negerküsse. Beim Rausgehen fällt ihm die Packung runter und alle Negerküsse rollen raus. Da kommt eine Oma angelaufen, tritt alle Negerküsse kaputt und sagt: Du legst hier keine Eier, Freundchen, du nicht." Viele Zuschauer johlten und klatschten daraufhin. Lautstarke Buhrufe gab es nicht. Als rassistisch zu werten ist auch diese Passage der Rede: „Die EU hat die Ausbreitung von Waschbären verboten und zur Jagd freigegeben. Die Begründung: Das invasive Vordringen einer Spezies von einem anderen Kontinent könnte und würde die heimische Population beeinflussen oder sogar ausrotten. Und jetzt mal schön nachdenken."

Thema war die Rede auch im Polizeirevier Börde. Der polizeiliche Staatsschutz sei über die Rede informiert, berichtete Polizeisprecher Matthias Lütkemüller, der die Veranstaltung privat besucht hatte. Weitere Ermittlungen seien  zunächst nicht geplant. Auch die Stadt Haldensleben distanzierte sich klar von der Büttenrede: „Die Äußerungen sind weit jenseits dessen, was in der sogenannten fünften Jahreszeit akzeptabel ist", teilte Sabine Wendler mit, die stellvertretende Bürgermeisterin von Haldensleben. Außerdem kündigte sie an: „Die Stadt wird den Narrenbund zu einer Stellungnahme auffordern und prüfen, ob weitere Schritte notwendig sind, was die Nutzung des Dorfkruges als Ort für die Sitzungen des Narrenbundes angeht."

Reumütig gab sich auch der Redner selbst. „Ich konnte nicht absehen, welche Auswirkungen solche Witze haben können", sagte Holger Brauns gestern auf Nachfrage. Zu der von ihm vorgetragenen  Büttenrede sagte er: „Ich distanziere mich vom Inhalt." Die Witze habe er aus dem Internet. Mit Rechtsradikalismus wolle er nichts zu tun haben, dem Verein wolle er nicht schaden. Deshalb sei er ausgetreten. Für seine Rede wolle er sich „vollumfänglich   entschuldigen". Brauns hatte bereits zu DDR-Zeit Büttenreden für den Süplinger Narrenbund gehalten. Vor der diesjährigen Karnevalssession habe ihn der Verein angesprochen, ob er wieder eine Büttenrede halten wolle. Daraufhin sei er wieder Mitglied geworden. Der 57-Jährige betont, die Rede am Sonnabend sei definitiv seine letzte Büttenrede gewesen.

Hätte der Süplinger Narrenbund nicht eingelenkt, hätte ihm beim Karneval-Landesverband der Ausschluss gedroht. Weil sich der Verein nun distanziert habe, sehe der Landesverband von einem Ausschlussverfahren ab, sagte Dirk Vater, Präsident des Landesverbandes. Mit der Rede seien für ihn „defintiv Grenzen überschritten". Sie sei „verletzend" und „rassistisch", betonte Vater. An Fehltritte dieser Art könne er sich in Sachsen-Anhalt nicht erinnern. Vater ist seit acht Jahren  Präsident des Verbands. Trotz der Distanzierung des Vereins werde der Fall nun an den Bundesverband weitergeleitet, betonte Vater. Dort soll sich der Brauchtumsausschuss damit befassen. Zu möglichen Konsequenzen wollte sich Vater nicht äußern. Er stellte jedoch klar, dass er nicht verstehen könne, wieso der Präsident diese Büttenrede nicht verhinderte.

Dass es schon nach der Generalprobe vereinsinterne Diskussionen über die Büttenrede gab, bekräftigt Robert Knels. Der 42-Jährige ist Beisitzer im Vorstand. Nach der Generalprobe seien „etliche Vereinsmitglieder" auf den Präsidenten zugegangen, um ihm klarzumachen, dass er die Rede unterbinden müsse. Dafür habe auch er plädiert. Sie nicht zu verbieten, sei eine „klare Fehlentscheidung" gewesen. Knels sagt: Ein Rücktritt des Präsidenten „wäre jetzt sinnvoll".

Auch Ludwig Knels, der Bruder von Robert, kann nicht verstehen, wieso der Vereinspräsident die Rede zugelassen hat. „Ich ärgere mich, dass ich nicht genug Druck gemacht habe", sagte er gestern. Der 30-Jährige spielt in der Karnevalsband des Vereins mit.  Während einiger strittiger Passagen der Rede habe er aus Protest keinen musikalischen Karnevalstusch dazu gespielt, berichtet er. Im Nachhinein empfinde er diesen „stillen Protest" allerdings als „zu wenig". Die vergangenen beiden Nächte habe er deswegen nicht gut schlafen können. Sorgen mache ihm, dass einige bei der Rede geklatscht haben. „Diese Meinungen sind da", betont er.

Der Präsident des Narrenbundes, Uwe Urban, kündigt an, in der nächsten Sitzung ein Zeichen setzen zu wollen. Wie das genau aussehen solle, müsse noch beraten werden. Auf die Frage, wieso er seine Entscheidung, die Rede halten zu lassen, nun revidiert habe, sagt Urban, dass ihm die Tragweite vorher nicht bewusst gewesen sei. Was er nun gerade erlebe, mit den vielen Medienanfragen zur Büttenrede, das sei „nervig". Er habe deshalb überlegt, zurückzutreten. Mitglieder des Vereins hätten ihn aber bestärkt, es nicht zu tun. Aufhören wollte Urban nach der diesjährigen  Karnevalssession ohnehin. Er ist seit zehn Jahren Präsident des Vereins.  

Der Kommentar des Autoren zum Thema.