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Tradition Junge Birken als Pfingstgruß verteilt

Viele Bräuche ranken sich im Drömling um das Pfingstfest. In Etingen haben Jugendliche die Freie Nacht wieder zum Leben erweckt.

Von Anett Roisch 06.06.2017, 01:01

Etingen l Ein altmärkischer Pfingstbrauch, der sich früher weit mehr als heute in den Dörfern des Drömlings großer Beliebtheit erfreute, ist die sogenannte Freie Nacht. In der Nacht vom Sonnabend auf den Pfingstsonntag tat sich die Dorfjugend damals zu allerlei Schabernack zusammen.

Hoftore, Haustüren, Handwagen, Mistkarren und Melkschemel – kurz alles, was nicht fest angebracht war, was sich bewegen ließ, wurde fortgebracht und irgendwo versteckt, wo es nicht leicht zu finden war, und zwar auf Dächer geschafft, im Teich versenkt oder an den Pfingstbaum gehängt.

Meist nur noch Ältere besinnen sich auf Gepflogenheiten, die nicht nur vergnügliche Stunden bereiteten, sondern auch die Dorfgemeinschaft festigten. Die Menschen in Etingen sind stets bemüht, die Bräuche ihrer Großeltern aufrechtzuerhalten. Vor ein paar Jahren war die Freie Nacht auch im kleinen Drömlingsort eingeschlafen. Doch das soll sich nun ändern.

Schon am Sonnabendnachmittag tuckert ein Traktor mit fröhlicher Besatzung durch Etingen. An einigen Ecken des Dorfes werden schon mal junge Birken abgeladen, die später als Pfingstgruß vor die Häuser gestellt werden. „Heutzutage dürfen auch Mädchen mitmachen“, verkündet Laura Beyer und erklärt: „Die Jungs kenne ich schon eine Ewigkeit. Wir haben unseren Spaß.“

Karsten Schüssling ist nicht mehr ganz so jung. Er lenkt den Traktor und erklärt: „Die jungen Leute haben sich im Kindergarten kennengelernt. Dann ist jeder in eine andere Schule gegangen. Pfingsten ist ein schöner Anlass, endlich mal wieder etwas zusammen zu unternehmen.“

Am Abend werden dann die jungen Bäume als grüner Hausschmuck verteilt. Als Dankeschön gibt es für die Pfingstgrußboten von den Hausbewohnern ein kleines Trinkgeld. Das Geld soll dann beim Volksfest, das vom 15. bis zum 18. Juni gefeiert wird, auf den Kopf gehauen werden.

Der Schabernack hält sich in der heutigen Zeit trotz Brauchtum in Grenzen. „Wir stehlen nichts und lassen auch nichts verschwinden. Wir sind anständig. Da kriegt man ja sonst heute gleich eine Anzeige an den Hals“, wissen die jungen Leute.

 „Ich möchte helfen, die Dorftradition am Leben zu erhalten. Außerdem gibt es was zu trinken“, sagt schmunzelnd Felix Schüssling, der gemeinsam mit seinem Vater den Transport der 180 Bäume organisiert hat. „Vom Prinzip her kriegt jeder Grundstücksbesitzer einen Baum – ob er den verdient hat oder nicht“, erklären die jungen Männer.

Wer knauserig ist, bekommt den ganz großen Baum - nämlich den Maibaum. „Der Maibaum wird in der Freien Nacht gefällt. Wer beim Wurstsingen geizig war, muss nun mit der Schmach und mit dem Kollos vor seiner Tür rechnen“, verraten die Akteure.

Das Wurstsingen ist nämlich ein weiterer Brauch der Etinger. Am Sonntag vor dem Rosenmontag zogen die Männer beim Wurstsingen durch das Dorf. Singend und tanzend sammelten sie, als gruselige Gestalten verkleidet, im Handwagen Eier, Speck, Wurst, Wein und Bier. Manchmal gab es auch Geld. Niemand wollte sich lumpen lassen oder als Geizkragen gelten. Und die Männer bereiteten eine große Pfanne Eierback zu, die sie gemeinsam leerten.

Damals an den Abenden vor dem ersten Pfingstfeiertag sahen die Bauern auf ihren Höfen noch einmal nach dem Rechten, ob alles niet- und nagelfest war, aber wohl wissend, dass man sich auf eine Überraschung gefasst machen musste. Und auch heute noch scheint es für manche Bewohner von Etingen verblüffende Entdeckungen am Pfingstmorgen zu geben.