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Enrico Reumann Seit 25 Jahren auf Sommerschulbühne

Wenn das Sommerschultheater am 3. August mit dem „Zerbrochenen Krug“ Premiere feiert, steht Enrico Reumann seit 25 Jahren auf der Bühne.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 29.07.2017, 01:01

Volksstimme: Kann ich Sie als Rampensau bezeichnen?

Enrico Reumann: Ja klar, es ist schon so. Seit ich klein bin, zieht es mich auf die Bühne. Es macht mich glücklich, in andere Rollen zu schlüpfen und die Zuschauer zu begeistern.

Wann hat das angefangen?

Eigentlich schon als siebenjähriger Steppke. Da habe ich zu Weihnachten beim Krippenspiel mitgemacht. Pfarrer Karlheinz Stephan war sozusagen mein erster Lehrer und seinen Leitspruch habe ich verinnerlicht: langsam, laut und deutlich sprechen! Wenn in der Schule zum bunten Elternabend Theater gespielt wurde, war ich immer mit dabei.

Da kam die Sommerschule mit dem Barackentheater ja ganz gelegen. Wie haben Sie es hier auf die Bühne geschafft?

Als Wuster hab ich natürlich schon bei der ersten Sommerschule mitgemacht, um mein Englisch zu verbessern. Bei der zweiten im Jahr 1992 ist mir mittags im Essenraum ein Zettel an der Tür aufgefallen „Wer will beim Theater mitmachen?“ Meinen Namen habe ich als Erster in die Liste eingetragen. Natürlich musste ich zum Casting für „My fair Lady“. Ich hab die beiden Regisseure Arthur Shettle und Oliver Haller wohl überzeugt und zumindest eine kleine Rolle bekommen.

Welche denn?

Die war für mich als 15-Jähriger ein ganz großes Ding: Ich durfte Freddy, den Liebhaber von Eliza Doolitte, spielen. Wir sind für Tonaufnahmen sogar in ein Studio nach Berlin gefahren. Das alles hat mich wahnsinnig beeindruckt.

Sagt Arthur Shettle deshalb zu Ihnen noch heute Freddy?

Genau. Es war einfach ein ganz besonderes Stück und mit Arthur verbindet mich seitdem eine besondere Freundschaft, die im Laufe der Jahre gewachsen ist. Nicht umsonst war ich bei ihm und er jetzt bei unserer Hochzeit unser Trauzeuge.

Heute genießen Sie das Privileg, nicht mehr zum Casting zu müssen, Sie bekommen auf jeden Fall eine Rolle.

Das ist schon eine Ehre und Bestätigung. Jedoch gehe ich gern zum Casting, da es doch zuweilen Überraschungen bei der Besetzung gibt. Ich war nämlich in 2014 eher für die Rolle des Faust vorgesehen. Im Endeffekt habe ich dann aber Mephisto gespielt. Seit dem fünften, sechsten Stück war schon von Anfang an klar, dass ich mitmache.

Immer in großen Rollen?

Ich hatte auch Hauptrollen, aber nicht immer. Auch Nebenrollen können spannend sein, ich muss zum Charakter der Figur passen. Bei „Ten“, dem Stück, das Arthur zum 10. Sommerschultheater geschrieben hat, war ich die ganze Zeit über auf der Bühne – eine riesige Herausforderung.

Heißt aber auch, viel Text auswendig lernen zu müssen?

Das ist mir schon als Kind leicht gefallen. Ich bekomme rechtzeitig meine Rolle und kann mich mit dem Stück vertraut machen. Vom „Zerbrochenen Krug“ hab ich mir mehrere Versionen angehört und mich so gut in meine Rolle reingefunden.

Eine Hauptrolle?

Ja, ich spiele den Dorfrichter Adam.

An welche Rollen erinnern Sie sich gern?

Ach, wo soll ich da anfangen? 1994 habe ich auf Wunsch von Dr. Maria von Katte im „Mittsommernachtstraum“ meine erste Hauptrolle als Nick Bottom/ Pyramus gespielt. Es war die erste und einzige Open-Air-Aufführung auf dem Wuster Schulhof. Im Publikum saß auch der damalige Kultusminister von Sachsen-Anhalt Karl-Heinz Reck. Auch „Der Besuch der alten Dame“ unter Regie von Adam Woodis ist mir bestens in Erinnerung. Und „Der Kirschgarten“, mit dem sich Arthur Shettle nach ein paar Jahren Pause wieder in Wust zurückgemeldet hat. Auch die West Side Story oder letztes Jahr Frühlingserwachen haben Spaß gemacht.

Im Jahr 2002 haben Sie im Stück „Cabaret“ einen Nazi gespielt?

Das war eine großartige Produktion. Dass Ernst Ludwig ein Nazi ist, konnte der Zuschauer erst erkennen, als ich meinen Mantel ausgezogen habe. Da war es muxmäuschen still im Saal, man hätte die Stecknadel fallen hören können. Und immer, wenn ich, der Nazi, auf die Bühne gekommen bin, war die Stimmung im Publikum ganz bedächtig – das war mal eine andere Erfahrung.

Sonst haben Sie ja die Lacher immer auf Ihrer Seite?

Stimmt. Es ist schön, die Menschen zum Lachen zu bringen.

Machen Sie deshalb beim Karneval mit?

Ja, auch. Es ist schön zu erleben, wie sich der Karneval hier in Wust entwickelt. Unsere Programme haben einen hohen Anspruch und können sich mehr als sehen lassen. Das zeugt davon, dass alle vier Sitzungen ausverkauft sind.

Sie sitzen ja nicht nur im Dreigestirn, sind der Präsident und führen durch das Programm, sondern stehen als Gemeindediener auch in der Bütt. Schreiben Sie die Texte selbst?

Jetzt ja. Anfangs hat Sabine Stimmung sie noch geschrieben und ich nur vorgetragen. Aber sie hat mich dann gebeten, das zu machen. Ihr Rat: bei einer Flasche Rotwein ­schreiben! Das hab ich getan und meine erste Bütt ist ganz gut angekommen. Seitdem behalte ich dieses Ritual bei.

Geht auch mal ein Scherz daneben?

Das ist das Los des Künstlers Es kommt mit Sicherheit vor. Hier versuche ich mich dann kritisch zu hinterfragen, an was es gelegen hat und arbeite dann daran.

Einmal waren Sie auch als gestrenger Ausbilder der Bundeswehr zu erleben, der gegenüber seiner Frau ganz klein mit Hut war...

Ja herrlich, eine meiner Lieblingsrollen in der Comedy-Crew.

Da sind wir ja gleich beim nächsten Thema: Sie gehören mit Edgar-Peter Kuß und Mario Menzel zur Comedy-Crew, die vom Herbst bis zum Frühling durch die neuen Bundesländer tourt und mit den verschiedensten ­Parodien die Säle füllt.

Stimmt, seit 2011 bin ich dabei. Das macht uns richtig viel Spaß. Inzwischen sind es sechs Rollen, in die ich schlüpfe.

Also das ganze Jahr über Spaß?

Kann man tatsächlich so sagen. Das geht im Januar/Februar los mit Karneval, dann Sommerschule, dann Comedy-Dinner, Karnevalabschluss. Und ich werde auch für Familienfeiern oder Betriebsfeste gebucht.

Die Familie macht da mit?

Ja, und dafür bin ich meiner Frau Sina sehr dankbar. Ohne ihr Verständnis wäre das nicht möglich.

Und Ihre Mädels, haben die Papas Schauspiel-Gene geerbt?

Die Große, Amber, ist jetzt neun. Sie lernt Gedichte mühelos. Und bei den Sommerschulproben ist sie immer dabei, hat meine Texte in der Hand, letztes Jahr konnte sie am Ende auch fast alles auswendig.

Auch wenn mit all den Hobbys der Tag fast ausgebucht scheint, haben Sie ja auch noch einen Beruf: selbstständiger Versicherungskaufmann. Ist Schauspiel/Comedy ein guter Ausgleich zur Schreibtischarbeit?

Ausgleich würde ich nicht sagen – Ausgleich findet man auch beim Rasenmähen oder dergleichen. Für mich ist das einfach Passion. Menschen zu beobachten und ihre Reaktionen auf mich zu spüren, ist wirklich spannend.

Legen Sie auch mal die Beine hoch?

Selten. Ich muss kein Fernsehen gucken. Da setze ich mich lieber hin, mache mir Notizen für die nächsten Parodien oder lerne Texte. Das gibt mir viel mehr. Und wenn ich mal richtig abschalten will, setze ich mich aufs Motorrad. Unsere Biker-Partys sind übrigens auch legendär.

Das schon traditionelle Wuster Oktoberfest organisieren Sie ja auch noch ...

Richtig. Schön, dass es so gut von der Bevölkerung angenommen wird. Auch hier steht die gesamte Familie hinter mir. Die Vorbereitung macht zwar eine Heidenarbeit, aber wenn das Fass Freibier angestochen wird, weiß ich, dass sich die Mühe lohnt.

Sommerurlaub. Andere fahren an die Ostsee oder fliegen nach Malle – Sie bleiben in Wust.

Der beste Urlaub überhaupt! In meinem Büro wissen alle bereits seit Jahren, dass ich zur Sommerschule Urlaub haben muss. Außerdem haben wir dann auch immer einen Dozenten als Gast bei uns. Ich kann Theater spielen, hab meine Familie und Freunde um mich – was will ich mehr?

Mehr zu Enrico Reumann auf seiner Homepage www.enricoreumann.de