"Elbeland" blickt auf 60 Jahre zurück / Ehemalige sind stolz auf ihren Betrieb Jubiläum: Genossenschaft arbeitet erfolgreich auf Feldern und im Stall
Milchkannen schleppen, mit der Forke ausmisten und Rüben per Hand verziehen - auch das gehört zur 60-jährigen Geschichte der Scharlibber Agrargenossenschaft, die sich heute ganz modern und mit mehreren Standbeinen in der Marktwirtschaft behauptet.
Scharlibbe l Wenn Geschäftsführer Ottmar Kapl am 25. Mai vor den geladenen Gästen des Hoffestes steht und die letzten 60 Jahre Revue passieren lässt, blickt er auf eine von vielen Umbrüchen und organisatorischen Veränderungen geprägte Zeit zurück. Am 5. März 1953 wurde die LPG "Leuchtender Morgen" in Scharlibbe mit dem Vorsitzenden Otto Rösicke und einen Monat später am 6. April die LPG "Neuer Weg" in Klietz unter Leitung von Otto Hoyda gegründet. Drei Gründungsmitglieder leben heute noch in Scharlibbe: Es sind Martha Pick, Arthur Zimmermann und Gerhard Kose.
Ganz am Anfang wird in den Ställen noch per Hand gemolken, die Gerätschaften zur Feldbearbeitung sind im Vergleich zu heute primitiv. Doch die Entwicklung schreitet voran, auch in der Schweinezucht. Die ersten Melkmaschinen halten Einzug in die Ställe, mit dem "ZT" wird die Feldarbeit leichter.
Gerhard Osten übernimmt 1974 die Pflanzenproduktion
Es gibt mehrere Umstrukturierungen. 1974 trennen sich Tier- und Pflanzenproduktion der LPG in Neuermark, Klietz, Scharlibbe, Schönfeld, Wulkau und Sandau und es wird eine kooperative Abteilung gebildet, aus der vier Jahre später die LPG-Pflanzenproduktion Scharlibbe entsteht. Deren Vorsitzender wird Gerhard Osten.
Der war 1961, frisch von der Uni in Rostock kommend, zunächst LPG-Vorsitzender in Schönfeld und dann noch kurz in Sandau, bevor er ab 1974 die Verantwortung der Kooperativen Abteilung Pflanzenproduktion (KAP) Scharlibbe übernahm. Ab 1979 war er dann Vorsitzender der LPG (P) Scharlibbe. "Der Start war nicht leicht. Denn alle waren skeptisch, dass die Trennung zwischen Tier- und Pflanzenproduktion auch sinnvoll ist. Es ist uns im Gegensatz zu anderen Betrieben nur so gut geglückt, weil wir mit den Vorsitzenden der LPG Tierproduktion so gut klar kamen." Einer der Partner war ab November 1982 Ottmar Kapl, der zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der LPG Tierproduktion "Elbeland" in Klietz wurde. "Es gab ein Niveaugefälle bei den LPGn, die Neuermark-Lübarser gehörten stets zu den Besten", erinnert sich Gerhard Osten. Seine Frau Mechthild war zusammen mit ihm in das Elbe-Havel-Land gekommen und hatte als Zootechnikerin in Scharlibbe begonnen, später wurde sie verantwortlich für die Läuferaufzucht. Mit der Wende ging sie in den Ruhestand, ihr Mann war zusammen mit Ottmar Kapl federführend bei der Umwandlung der LPG in die Agrargenossenschaft "Elbe land" gleich im Jahr 1990.
Mitarbeitern zu kündigen, war schwerste Aufgabe
"Auch das war wieder eine schwierige Zeit. Tier- und Pflanzenproduktion im Bereich Klietz/Scharlibbe mussten wieder zusammengeführt werden, am schlimmsten war das Aussprechen von Kündigungen", denkt Gerhard Osten zurück. Schrittweise mussten alle Anlagen auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Und die Anzahl der Beschäftigten musste reduziert werden, um die Genossenschaft überhaupt zu erhalten. Heute gibt es 26 Beschäftigte, früher waren es allein in der Tierproduktion rund einhundert, dazu kamen die 180 Mitarbeiter im Feldbau, die zwischen Neuermark-Lübars und Sandau insgesamt 5500 Hektar bewirtschafteten. Außerdem gab es eine Baubrigade mit Tischlern, Elektrikern und Heizern. Für die war der technische Leiter Erich Fischer zuständig. 73 Jahre alt ist er heute, denkt gern an früher zurück und schaut auch hin und wieder mal bei Ottmar Kapl vorbei. Dann wird über alte Zeiten geplaudert und wie schwer es war, an Material zu kommen. "Wie das früher so war: Die Material- und Ersatzteilbeschaffung war schwierig. Wenn wir irgendetwas brauchten, haben wir auch schon mal Spargel oder zwei Sack Weizen aus unserer Mühle mitgenommen. Dafür hat man dann auch mal Dinge bekommen, auf die man hätte ewig warten müssen, sogar Bretter waren Mangelware. Oder verzinkte Wasserrohre, die wir so dringend brauchten. Ersatzteile für die Technik waren auch schwer zu haben und man musste oft improvisieren." Mitte der 90er Jahre ist Erich Fischer in den Ruhestand gegangen, seit 14 Jahren lebt er in Dessau-Roßlau. Er besucht gern Bekannte in der alten Heimat - so wie Ostens, die immer mal wieder nach Scharlibbe kommen. Sie erzählen,
wie mühsam ihr Start hier war. "Die ersten sechs Wochen hausten wir in Schönfeld im alten Kulturraum, gewaschen haben wir uns im Pferdestall. Dann haben wir eine Ein-Raum-Wohnung zugewiesen bekommen und Mitte der 60er Jahre zogen wir dann in eine Hälfte der neuen Doppelhäuser, die damals wie vielerorts auch in Scharlibbe gebaut wurden."
Betrieb investiert mit Biogas und Solar in die Zukunft
Vor knapp drei Jahren sind Ostens zur Tochter nach Aaken gezogen. Aber sie halten Kontakt, gehören zu den Landsenioren des Altkreises Havelberg und gehen mit ihnen gern auf Reisen. Der 60. Geburtstag der Genossenschaft ist ein willkommener Anlass, das nächste Mal nach Scharlibbe zu kommen. Sowohl Erich Fischer als auch Ostens freuen es, dass sich "ihr" ehemaliger Betrieb wirtschaftlich gut entwickelt hat.
Denn "Elbeland" investiert in die Zukunft, setzt neben Feldwirtschaft, Milchviehhaltung und Läuferaufzucht auf Bioenergie. Biogas aus Gülle und Silage erzeugt Strom, der ins öffentliche Netz gespeist wird, die Abwärme heizt die Schweineställe. Die Photovoltaikanlagen auf den modernisierten Ställen erzeugen den Strom für die Stallanlage, "somit haben wir einen perfekten Kreislauf geschaffen", setzt Ottmar Kapl auf ein zukunftsträchtiges Modell mit sicheren Arbeitsplätzen. Beim Hoffest, das die Agrargenossenschaft in das Dorffest am letzten Maiwochenende integriert, kann man mehr davon erfahren.