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Koch in Corona-Zeit Statt am Herd auf dem Spargelacker

Am Herd stehen und kochen - das ist das, was Marcus Wagener aus Hohengöhren mit Leidenschaft macht. Jetzt steht er auf dem Spargelacker.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 08.05.2020, 12:29

Hohengöhren l Die Lockerungen der Corona-Vorschriften machen Hoffnung, dass Koch  Marcus Wagener bald an seinen eigentlichen Arbeitsplatz zurückkehren kann.

Dafür aber Stecheisen und Kelle einfach fallen zu lassen, kommt für Marcus Wagener nicht in Frage. „Ich ziehe bis zum Ende der Spargelsaison am 24. Juni durch. Das habe ich versprochen und werde ich halten, ich kann mein Team hier ja nicht im Stich lassen.“ Während er im Gespräch mit der Volksstimme die letzten Stangen in den Korb legt, freut sich der Hohengöhrener auf den Feierabend. Acht lange Reihen liegen hinter ihm. Der Rücken tut weh. „Aber nicht mehr so wie am Anfang. Da habe ich schon nach ein paar Minuten gedacht, ,das hältst du nicht durch‘. Aber man gewöhnt sich tatsächlich dran. Und inzwischen sehen die Spargelstangen auch so aus, wie sie müssen“, denkt er an den ersten Tag zurück, als ziemlich viel Bruch und auch viel zu kurze Stangen im Korb lagen.

Das war auch kein Wunder, denn bis dato hatte Marcus Wagener noch nie Spargel gestochen. Aus der Not heraus trat er diesen Aushilfsjob an. Denn wie alle Restaurants musste auch der Hohengöhrener Gasthof „Stadt Braunschweig“ im März schließen. Seit Juni 2013 steht er hier seiner Mutter Karin Wagener zur Seite, hatte in den Jahren nach der Ausbildung Erfahrungen in anderen Häusern gesammelt, auch im Ausland. Zuletzt im Allgäu tätig, entschied er sich 2013, zurück in die Heimat zu kehren. Seitdem steht er in der Restaurantküche, bereichert das Angebot mit immer neuen Ideen. Seine Frau ist im Service tätig, Sohnemann Adrian geht in die 2. Klasse.

Die verordnete Schließung aller gastronomischen Einrichtungen war ein Schock. „Wie soll es weitergehen?“ Der Gasthof lebt hauptsächlich von Feiern im Saal und dem Liefern für Familienfeier. Mai, Juni, Juli, August... jedes Wochenende ausgebucht, teilweise sogar mit zwei Veranstaltungen. Alles abgesagt. Auch im Gastraum nehmen gerade am Wochenende gern Dorfbewohner und Durchreisende Platz.

Den Kopf in den Sand zu stecken, kam nicht in Frage. Also Außer-Haus-Verkauf, der ist gestattet. Lohnt sich aber nur sonnabends. Also feuert der Koch den Pizza-Ofen draußen auf dem Hof an, im Keller liegen noch die passenden Kartons. Nach zwei Pizza-Sonnabenden folgt Barbecue. Und am Sonnabend darauf Pasta. Die Stammgäste nehmen das Angebot gern an, geben die Bestellung telefonisch auf und holen zum vereinbarten Zeitpunkt ab. Heute steht Spargel auf der Speisekarte.

All die Einbußen kann dieser Außer-Haus-Service, für dessen Annahme Wagners den Kunden sehr dankbar sind, natürlich nicht wettmachen. „Aber wir werden nicht vergessen! Und es ist ein gutes Gefühl, das zu tun, was man gern macht“, begründet der 31-Jährige.

Ein Tag Arbeit pro Woche – das reicht ihm nicht. „Irgendwann fällt einem die Decke auf den Kopf. Natürlich ist es schön, Zeit für die Familie zu haben, mit dem Hund an der Elbe spazieren zu gehen – aber man will ja auch was tun.“ Deshalb kam Marcus Wagener die Idee, Spargel zu stechen. Schließlich suchen die Bauern händeringend nach Unterstützung, weil ausländische Saisonkräfte fehlen. Ein Anruf beim Spargelhof Peters bei Elversdorf nahe Tangermünde brachte sogleich eine freudige Zusage. Montags bis freitags, 7 bis etwa 11 Uhr, sind Marcus und drei weitere Spargelstecher im Einsatz. „Am Ende ist man zwar geschafft, aber auch froh, etwas geschafft zu haben. Ich fahre mit einem guten Gefühl nach Hause.“

Am Dienstag gab es nun die frohe Botschaft, dass demnächst Restaurants wieder öffnen dürfen. „Zum Glück!“ ist der Koch erleichtert, auch wenn er weiß, dass die großen Feiern den Sommer über nicht stattfinden. „Aber wir können hoffentlich nach und nach zum Normalbetrieb zurückkehren.“ Bei schönem Wetter bietet der Biergarten draußen genug Platz. Und drinnen hat der Saal auch genügend Fläche, um die Abstandsregeln zwischen den Tischen einzuhalten.

„Wir haben schon so viel durchgestanden, dann bewältigen wir auch diese Krise“, denkt Marcus Wagener an die Flut 2013 und den Ausbau der B 107 mit Vollsperrung für etliche Monate im Jahr 2017 zurück und bleibt optimistisch.