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Nach dem Orkan Vier Tage lang ohne Strom

Vier Tage nach dem Orkan "Xavier" waren zwei Gehöfte nahe dem Havelberger Ortsteil Müggenbusch noch immer ohne Strom.

Von Andrea Schröder 09.10.2017, 18:14

Havelberg l Wolfgang Smolka ist sauer. Vier Tage nach dem Orkantief rattert am Montagvormittag auf dem im Wald kurz hinter Müggenbusch gelegenen Grundstück, das er mit seiner Frau Edelgard, seinem Sohn Olaf Smolka und dessen Kindern Pia und Amelie bewohnt, noch immer das Notstromaggregat. Die Stromversorgung ist seit Donnerstagnachmittag unterbrochen. „Vier Tage ohne Strom sind eine Zumutung. Und das nur, weil hier über Jahre nichts an den Strommasten aus Holz gemacht wurde. Nebenan wohnt Familie Gädeke, die haben zwei kleine Kinder. Sie hatten kein Strom und kein Wasser“, erzählt er.

„Xavier“ hat dafür gesorgt, dass ein Holzpfahl, rund 500 Meter im Wald gelegen, umgekippt ist. „Der ist verfault“, sagt Wolfgang Smolka. Seine Kritik richtet sich an die Stadtwerke Havelberg als Energieversorger. Sie hätten schon längst was tun müssen. „Ein Erdkabel muss hierher.“

Sebastian Horn, Geschäftsführer der Stadtwerke, hat am Montag eine Mail von Olaf Smolka im Briefkasten seines Rechners, kurz danach bittet ihn die Volksstimme um Stellungnahme zu dem Problem. Er berichtet, dass Bert Sturm, Meister Energie- und Wasserversorgung, seit dem Morgen vor Ort ist, damit auch diese beiden außerhalb gelegenen Gehöfte wieder mit Strom versorgt werden können. Er bietet sofort an, mit der Volksstimme zu den betroffenen Familien zu fahren, um mit ihnen zu sprechen.

„Der Krach ist nicht auszuhalten“, sagt Edelgard Smolka und schaut zum Notstromaggregat rüber. Das hat sich die Familie vor einigen Jahren zugelegt, weil es öfter schon Stromausfälle gab. Es rattert in einer Tour, damit wenigstens die Heizung und die Wasserpumpe laufen. Mittag gab es aus der Mikrowelle oder es wurde gegrillt. Wäschewaschen ist nicht möglich. Das Aggregat schluckt Super-Benzin im Wert von 45 Euro pro Tag, sagt Olaf Smolka und hofft, dass er es bald ausstellen kann.

Nachbarin Nadine Gädeke will mit Töchterchen Mathilda (neun Monate) gerade wieder auf Tour gehen. Um im Haus zu bleiben, dafür ist es zu kalt. „Wir hatten uns zwar ein Aggregat ausgeborgt, doch konnten wir es nicht nutzen. Es war zu klein, um Wasserpumpe und Heizung zu betreiben“, erzählt die junge Frau. „Am Freitag ging das alles noch. Am Sonnabend haben wir uns dann einen Gaskocher besorgt, um Essen und Milch warm machen zu können. Auf der Toilette haben wir mit Regenwasser nachgespült. Wir waren viel unterwegs, um nicht zu Hause in der Kälte sitzen zu müssen.“ Ihr Mann und der zweijährige William gehören mit zur Familie, die hofft, bald wieder eine warme Stube zu haben.

Dafür sorgen Bert Sturm und weitere Mitarbeiter seit Montagfrüh am Ortseingang von Wöplitz. Denn es ist nicht nur der umgefallene Holzmast im Wald, der den Stromausfall verursacht hat. In Wöplitz ist eine große Eiche umgekippt und hat einen weiteren Mast um- und die Elektrokabel – die Fachleute sprechen von Seilen – abgerissen. „Wir mussten zunächst die Seile unter dem Holz herausholen und den Mast wieder aufstellen. Das Problem ist, dass die Seile nur oben angebunden werden können. Dafür brauchten wir eine Hebebühne, die konnten wir erst am Montag bekommen“, erklärt Bert Sturm. Er hatte am Freitag mit Familie Smolka gesprochen und angekündigt, dass die Reparatur erst am Montag geschehen kann. Da sie Notstrom hatten, schien das Problem nicht ganz so groß.

Hauptaugenmerk lag zunächst darauf, die Stromversorgung im Ortskern Havelbergs wieder herzustellen. Denn „Xavier“ hatte das Netz komplett lahm gelegt. Donnerstag und Freitag mussten die Mittelspannungsleitungen wieder in Gang gebracht werden.

Dass in Havelberg der Strom ausgefallen war, lag an umgekippten Bäumen nahe der Sporthalle in Sandau, auch ein Umschalten auf eine andere Leitung war nicht möglich. Am Freitagmorgen gegen 1.30 Uhr war der Stadtkern wieder versorgt. Richtung Müggenbusch waren drei Eichen umgekippt. Wöplitz und Müggenbusch waren dann Freitagabend gegen 23 Uhr wieder am Netz, berichtet Sebastian Horn.„Teilweise mussten wir uns erst eine Trasse frei räumen, um an die Leitungen im Wald gelangen zu können. Dafür waren wir mit Radlader und Motorsägen unterwegs“, sagt Bert Sturm. Einen weiteren Einsatz gab es dann Samstag gegen 16.30 Uhr, nachdem in Wöplitz ein Baum in Folge des Sturmes in die Mittelspannungsleitung gekracht war. Gegen 19 Uhr war dieser Schaden behoben.

Übers Wochenende hatten fünf Stadtwerkemitarbeiter außerdem damit zu tun, sämtliche Anlagen, zu denen auch die des Wasserverbandes gehören, wieder in Gang zu bringen. Ob Wasser, Abwasser oder Biogasanlage – sämtliche Steuerungen laufen mit Uhren, die neu gestellt werden mussten. Bei der Wohnbau betraf dies die Heizungsanlagen.

Auf eine Erdkabelverlegung zu entlegenen Grundstücken angesprochen, macht der Geschäftsführer auf die Kosten aufmerksam. Für drei Grundstücke entstünden bei rund einem Kilometer Länge quer durch den Wald Kosten in Höhe von mehreren zehntausend Euro, die alle Kunden im Netzgebiet mit tragen müssten. „Es ist ja nicht so, dass wir dort noch gar nichts getan haben“, ergänzt Bert Sturm. „Bis 1996 führte zu den Grundstücken nur Lichtstrom. Inzwischen führen vier Seile dorthin. Ein Teil der Freileitungen wurde durch Erdkabel ersetzt. Anstelle von Holzmasten haben wir auch schon Betonmasten gesetzt, aber auch davon ist einer umgekippt“, erklärt der Netzmeister und sagt weiterhin: „Unsere Netze sind gut, wir haben nur noch wenige Freileitungen. Was im Übrigen nichts ungewöhnliches ist. Problematisch ist es dort, wo die Leitungen durch den Wald gehen. Und auch die Grundstücksbesitzer sollten an die Bepflanzung denken und unter Freileitungen keine Bäume setzen, damit die Äste nicht in die Leitungen ragen.“

Am frühen Nachmittag gegen 13.30 Uhr hatten Smolkas und Gädekes wieder Strom. Bei den Arbeiten am Holzmast im Wald hatte Bert Sturm festgestellt, dass dieser nicht morsch war. Für ihn und weitere Stadtwerkemitarbeiter stehen auch in den nächsten Tagen weitere Reparaturarbeiten an. Dazu zählen die weitere Bestandsaufnahme von Schäden, die Neukalibrierung der Tarifschaltgeräte von Heizungsanlagen, die Überprüfung der Ortsnetztrafos und die Beseitigung von Provisorien sowie Reparaturen an abwassertechnischen Anlagen, speziell an elektronischen Bauteilen wie der Steuerungstechnik.

Beim Energieversorger Avacon gab es ebenfalls zahlreiche Stromausfälle im Bereich der Elb-Havel-Region. Bis zum späten Freitagabend waren fast alle Anschlüsse wieder hergestellt. Zum Teil durch den Einsatz von Aggregaten und Umschaltung auf andere Leitungen. In Neukamern und Elshof waren noch 20 Haushalte betroffen, die ab Sonnabendvormittag wieder mit Strom versorgt wurden. „Die Reparaturarbeiten liefen über das ganze Wochenende und werden auch noch mindestens in der ersten Wochenhälfte weiter andauern“, sagt Pressesprecherin Corinna Hinkel.