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Protest Viele geben ihrer Stimme ein Gesicht

Vor dem Havelberger Krankenhaus haben viele Menschen für den Erhalt des Klinikums protestiert. Die Beteiligung war überwältigend.

Von Andrea Schröder 20.01.2020, 19:02

Havelberg l Über 600 Kinder und Erwachsene waren es, die am Montagvormittag für ihr Krankenhaus auf die Straße gegangen sind. Viele hatten Transparente mitgebracht. „Krankenhaus in Not, drum sind wir bedroht“, „Fridays for future – Mondays for Krankenhaus“, „Ihr Versagen kann unser Tod sein“ oder „Kyritz 32 Kilometer, Perleberg 36 Kilometer, Stendal 49 Kilometer – da bleibt manch einer auf der Strecke“ war darauf zu lesen. Vom Kita-Kind bis zum Senior war jedes Alter vertreten. Baumaschinen und Lkw standen in der Domherrnstraße. Auch die Feuerwehr war aufgefahren, sorgte mit dem Megaphon zudem dafür, dass sich Leute Gehör verschaffen konnten.

Rosemarie Busse aus Kamern, die den Stein im Rahmen einer Bürgeraktion ins Rollen gebracht hatte und mit einer kleinen Gruppe unter dem Motto „Gebt euren Stimmen ein Gesicht“ am Montag anlässlich der Betriebsversammlung mit der KMG Geschäftsführung vor dem Krankenhaus zeigen wollte, dass die Region zum Krankenhaus steht, zeigte sich überwältigt angesichts der großen Menschenmenge und bedankte sich für die große Anteilnahme. Das machten später auch die fünf Mitglieder des Betriebsrates des Havelberger KMG Klinikums. Vorsitzende Sandra Braun sprach zu den Teilnehmern der Kundgebung und bedankte sich mit tiefen Verbeugungen für diese große Solidarität.

Angelika Spautz, Gewerkschaftssekretärin bei Verdi in Berlin, berichtete, dass in den erst vor kurzem stattgefundenen Tarifgesprächen keine Andeutung von Seiten der KMG Geschäftsführung gekommen ist, dass das Krankenhaus bald schließen würde. Sie rief die Bürger dazu auf, Briefe ans Sozialministerium zu schreiben mit der Forderung, das Krankenhaus zu erhalten.

Havelbergs Bürgermeister Bernd Poloski berichtete vom Gesprächstermin am Donnerstag in Magdeburg, bei dem möglichst eine Lösung für den Erhalt gefunden werden soll. „Ich kann nichts versprechen, versichere aber, dass wir alles dafür tun werden, denn wir wollen das Krankenhaus auch in den nächsten Jahren in Havelberg haben.“

Landtagsabgeordneter Wulf Gallert (Linke), der bis nach der Wende in Havelberg zu Hause, als Kind auch mal im Krankenhaus Patient und später mit im Aufsichtsrat des Krankenhauses war, kritisierte die Privatisierung von Krankenhäusern, deren logische Folge ist, dass sich Kliniken rechnen müssen. Er berichtete, dass die KMG Kliniken erst jetzt vier weitere Kliniken gekauft haben – drei in Thüringen und eine in Brandenburg. „Über den Preis ist Stillschweigen vereinbart worden. Sie wollen noch rentabler werden, noch mehr Profit haben.“ Nur in öffentlicher Hand hat das Krankenhaus eine Zukunft, sagte der Landtagsabgeordnete und forderte den Landkreis auf, seiner Verantwortung für eine ordentliche medizinische Versorgung in Magdeburg gerecht zu werden. Als gutes Beispiel nannte er den Altmarkkreis Salzwedel, der zusammen mit dem Land und der Landesgesellschaft Salus die Krankenhäuser in Salzwedel und Gardelegen betreibt. „KMG hat kein Interesse, dass es einen Nachfolger gibt“, sagte er mit Blick darauf, dass es in Kyritz, Wittstock und Pritzwalk Kliniken gibt, die keine Konkurrenz aus Havelberg gebrauchen können. „Mit der Schließung geht nicht nur das Krankenhaus zugrunde, das führt auch dazu, dass Menschen wegziehen oder nicht hierher ziehen.“

Arno Bausemer, Kreistagsabgeordneter der AfD, sprach sich ebenfalls für die Rekommunalisierung des Krankenhauses aus. Die Fraktion will einen entsprechenden Antrag in der Kreistagssitzung im Februar stellen. „Ich hoffe, dass die anderen Parteien das unterstützen.“ Sie stützt sich auf die Rückfallklausel, die im damaligen Kaufvertrag zwischen Landkreis und KMG im Jahr 2002 für eine Zeit von 20 Jahren vereinbart worden ist.

Landtagsabgeordneter Chris Schulenburg (CDU), der im Havelberger Krankenhaus geboren wurde, appellierte an die KMG, die eine Verantwortung übernommen hat für die Region. Er erwarte eine Spezialisierung des Hauses, so wie sie an anderen KMG-Standorten auch geschehen ist. „Nur so kann das Krankenhaus gerettet werden.“

Als „Havelberger Kind“ ergriff die Seniorin Doris Stage das Wort und erinnerte an den Obermedizinalrat Dr. Krätzig, der das Krankenhaus 1946 gegründet und in den Siebzigern den Neubau veranlasst hatte. „Er würde sich im Grabe umdrehen.“ Auch Achim Müller, viele Jahrzehnte im Krankenhaus tätig, erinnerte an den Krankenhausgründer. Er sprach von 105 Krankenkassen in Deutschland. „Wir brauchen aber nur eine und alle Krankenhäuser sollten wieder staatlich werden. Für Havelberg sollte das Rückkaufrecht in Anspruch genommen werden.“

Gehofft hatten Mitarbeiter und auch die Protestierenden, dass der Vorstandsvorsitzende der KMG Kliniken Stefan Eschmann auch zu den Menschen spricht. Mit Sprechchören forderten sie ihn dazu auf. Das tat er allerdings nicht. Er war am Montag in Havelberg, um mit den Mitarbeitern über ihre Zukunft zu sprechen. Wie Sandra Braun berichtet, sei eindeutig erklärt worden, dass es mit KMG auf gar keinen Fall weiterhin ein Krankenhaus in Havelberg geben werde. Wenn sich jemand findet, der ein Krankenhaus an dieser Stelle betreiben möchte, werde die KMG dem nicht im Wege stehen. Zum März soll das Seniorenheim im ersten Teil eröffnet werden. Wie der Vorstandsvorsitzende gegenüber Volksstimme sagte, steht der Termin noch nicht fest, wann das Krankenhaus schließen soll.