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Informationsveranstaltung in Berge / Ab Montag Förderung für Schafhalter "Der Wolf steht bei uns schon im Haus"

Ein totes Kalb im Drömling hat im Altmarkkreis Salzwedel die Diskussion
über Wolfsrisse in Gang gebracht. Dazu gab es am Dienstag eine
Info-Veranstaltung des Kreisbauernverbandes in Berge.

Von Ilka Marten 12.09.2013, 03:09

Berge. Von 23 Wolfsrudeln und vier Einzelwölfen geht der WWF in Deutschland zurzeit aus. Vier Rudel und ein territorialer Einzelwolf sollen sich davon in Sachsen-Anhalt befinden. Wie sehr dieses Thema Jäger und Landwirte beschäftigt, zeigte sich bei der Informationsveranstaltung des Kreisbauernverbandes Salzwedel am Dienstag in Berge. 60 Zuhörer kamen, um von Andreas Berbig (Referenzstelle Wolf, Sitz in Arneburg) und Yvette Krummheuer (WWF-Projektbüro Wolf, Arneburg) Informationen über Tierzahlen und Hilfestellungen bei Rissfällen zu bekommen.

"Bis auf 2011 war die Anzahl der Risse sehr überschaubar"

Berbig, der einer von vier Rissgutachtern in Sachsen-Anhalt ist, betonte dabei: "Bis auf 2011 war die Anzahl der Risse sehr überschaubar." Allerdings werde sich die verstärkte Ausbreitung des Wolfes in Schadensfällen niederschlagen. 2011 gab es im Landkreis Anhalt-Bitterfeld 27 getötete Schafe, im Altmarkkreis Salzwedel im Jahr 2010 zwei. 2013 gab es bislang im Altmarkkreis einen Fall eines Risses eines Kalbes, "bei dem Wölfe als Verursacher nicht ausgeschlossen werden können". Genau das ist für Wolfgang Sender von der Naturparkverwaltung Drömling der springende Punkt: "Ich habe es sehr bedauert, dass man diese Sache mit genetischen Untersuchungen nicht auf den Punkt bringt." Bei vielen Fällen bleibe es daher unsicher, ob es wirklich ein Wolf gewesen sei, so Sender.

Ganz gleich, ob das tote Kalb aus dem Drömling vom Wolf gerissen wurde oder nicht, die Jäger und Landwirte sind allemal aufgeschreckt, das zeigten die Redebeiträge der Gäste.

"Wir kommen uns vor, dass wir im Drömling mit dem Problem allein gelassen werden", sagte Lutz Kulina aus Solpke, der Charolais-Rinder züchtet. "Muss das sein, dass wir den Wolf hier haben? Ist das Problem in fünf, sechs Jahren überhaupt noch in den Griff zu kriegen?", fragte der Landwirt. Er wolle keine Entschädigungszahlungen, "ich will meine Kälber vermarkten". Aufgebracht fügte er hinzu: "Die, die den Wolf haben wollen, die haben keine Nutztiere. Vielleicht muss erst ein Kind betroffen sein." Bis Ende Juni habe er in diesem Jahr seine Kälber drinnen gelassen und sie erst auf die Wiese gebracht, als sie groß genug waren.

Ob der Wolf erwünscht sei oder nicht, könne nicht Thema der Veranstaltung sein, betonte Yvette Krummheuer: "Nach EU-Recht steht der Wolf unter Schutz, bis ein Status X der Population erreicht wird." Sie konkretisierte, dass eine Population von 1000 Tieren im Bereich Westpolen/Deutschland erreicht werden solle. Eine Zahl, die unter den Zuhörern für Unmut sorgte. Für Jäger Günter Hakenholz aus Jerchel steht fest: "Das ist ein Generationsproblem, das wir uns da schaffen. Wir müssen den Wolf zum jagdbaren Wild aufnehmen, und dann geht das. Der Wolf ist nicht erst vor der Tür, er steht bei uns schon im Haus."

"Werden Sie aktiv. Bringen Sie das Thema in die Politik"

Für Redebeiträge in diese Richtung gab es mehrfach Applaus. "Das wird irgendwann ein Thema werden", so Krummheuer, die über viele Jahre für das Wolfsmonitoring in Brandenburg zuständig war. Mit viel Sachlichkeit begegnete sie am Dienstag den teils aufgebrachten Zuhörern. Und sie riet ihnen: "Werden Sie aktiv. Bringen Sie das Thema in die Politik." Geklärt werden müsse die Frage der Förderung von Präventionsmaßnahmen, die es in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen bereits gebe. Sie stellte zahlreiche Einzäunungsbeispiele aus Brandenburg vor, wie etwa Schafzüchter oder Gatterwildhalter ihre Herden besser schützen können. "Wenn guter Schutz da ist, geht es auch mit dem Wolf in der Nachbarschaft." Bewährt habe sich bei Schäfern der Einsatz von Herdenschutzhunden, "auch wenn dies sicherlich nur für große Betriebe möglich ist". Sie wandte ein, dass diese Schutzmaßnahmen etwa für Rinderzüchter nur schwerlich umsetzbar seien. "Für große Weideflächen ist das nicht machbar." Alternative: "Abkalben im Stall oder auf geeigneten Flächen."

Auf Anfrage teilte Jeanette Tandel vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt gestern mit, dass "die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen für Schafe in den Ansiedlungsgebieten des Wolfs in Sachsen-Anhalt am 16. September mit einer Informationsveranstaltung des Ministeriums in Bernburg beginnt." Dazu seien alle Schafe haltenden Unternehmen eingeladen worden, die ihren Sitz im Ansiedlungsgebiet des Wolfes und daran angrenzend haben. Die Förderung umfasse den Erwerb von Elektrozäunen nebst Zubehör und die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Dabei werde ein Anteil in Höhe von 60 Prozent der notwendigen Ausgaben finanziert, so Tandel. Damit würden Schafhalter eine Unterstützung für den Mindestschutz für ihre Herden erhalten. Aber: "Damit wird kein hundertprozentiger Schutz vor Wolfsrissen zu gewährleisten sein", so Tandel. Deshalb sei es wichtig, dass die Tierhalter sensibilisiert werden, der Hütesicherheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Die Förderung gelte jedoch ausschließlich für Schafzüchter, nicht für Rinderzüchter, präzisierte Tandel, da Schafe deutlich häufiger Beute seien. Das hatte auch Andreas Berbig bei der Versammlung in Berge betont: "Rinder stehen nicht im Mittelpunkt des Interesses des Wolfes." Krummheuer sagte: "Rehwild ist die Hauptbeute der deutschen Wölfe." (siehe Grafik)

Thematisiert wurde ebenfalls die Versicherungsfrage: Was passiert, wenn ein Wolf eine Herde so aufbringt, dass sie ausbricht und es zu Verkehrsunfällen kommt? Annegret Jacobs vom Kreisbauernverband sagte: "Dass muss geklärt werden, das beschäftigt die Landwirte." Zu den Wolfssichtungen in den Hellbergen sagte Berbig: "Es ist nicht bekannt, in welchem Status sich das Vorkommen in den Hellbergen befindet."

Er betonte, wie wichtig es sei, dass bei vermuteten Rissen möglichst innerhalb von 24 Stunden eine Meldung erfolgen sollte. Dann komme ein Gutachter und mache sich ein Bild von den Tieren und dem Umfeld. "Ich habe nicht die Beweispflicht", betonte Berbig. Er stelle nur fest, ob ein Wolfsriss wahrscheinlich sei oder nicht auszuschließen. Wenn dies der Fall ist, "richten sich die Entschädigungsleistungen nach dem jeweiligen Wert der Tierart und Rasse, der aufgrund aktueller Preis- und Angebotslisten vom Landesverwaltungsamt errechnet wird", informierte die Ministeriumssprecherin. Konkrete Zahlen nannte sie nicht.