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Bangen um die Familie Ukrainerin Anna Knaus aus einem Gardelegener Ortsteil hat Angst um ihre Lieben

Anna Knaus aus Dannefeld erlebt derzeit die schwerste Zeit ihres Lebens. Sie stammt aus der Ukraine und hat Angst um ihre Landsleute. Was sie zu berichten weiß.

Von Markus Schulze Aktualisiert: 13.03.2022, 08:47
Anna Knaus und ihr Mann Dimitri haben eine eigene Spendenaktion ins Leben gerufen. Die Säcke und Kartons werden in Polen zwischengelagert und dann in die Ukraine gebracht. Ein Transport fand bereits statt, heute folgt ein zweiter.
Anna Knaus und ihr Mann Dimitri haben eine eigene Spendenaktion ins Leben gerufen. Die Säcke und Kartons werden in Polen zwischengelagert und dann in die Ukraine gebracht. Ein Transport fand bereits statt, heute folgt ein zweiter. Foto: privat

Dannefeld - „Mama, wie geht’s dir?“ Das ist das erste, was Anna Knaus nach dem Aufwachen durch den Kopf geht. Sie lebt ständig in Angst um ihre Familie in Odessa. Sie weiß, was die Menschen in der Ukraine jetzt brauchen.

Nun, diese Frage stellen sich bestimmt viele Töchter auf der Welt. Doch die meisten brauchen sich keine Sorgen zu machen. Im Falle von Anna ist das ganz anders. Denn ihre Mama wohnt in der Ukraine. Und dort herrscht Krieg.

Anna stammt selbst aus der Ukraine, genauer gesagt aus Odessa. Dort lernte sie auch ihren Mann kennen: Dimitri. Er ist aus Russland und kam vor mehr als 20 Jahren als Spätaussiedler nach Deutschland. Anna folgte ihm 2014. Sie lernte Deutsch, fand einen Job. Geheiratet wurde ebenfalls in Deutschland. Zunächst lebte das Paar in Wolfsburg, dann schuf es sich in Dannefeld ein Heim. Dort sind Anna und Dimitri seit 2016 zu Hause, ebenso wie Theodor, der zweijährige Sohn.

Alles könnte so schön sein. Anna hat sich als Kosmetikerin selbstständig gemacht. Ihr Mann arbeitet bei Volkswagen. Der kleine Theodor wächst heran. Und in Dannefeld fühlen sich die drei pudelwohl. „Hier ist es perfekt. Alle sind so unglaublich nett“, schwärmt Anna.

Doch am 24. Februar marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Seither ist nichts mehr, wie es einmal war. Anna lebt in ständiger Furcht. Sie bangt um ihre Landsleute, vor allem um ihre Eltern, ihren Bruder und viele alte Freunde, die noch in Odessa sind.

Dort war es lange ruhig. Aber Anfang der Woche ereignete sich dort eine schwere Explosion, „nur ein paar Kilometer von unserem Haus entfernt“.

Nur zu gerne würde Anna zumindest ihre Eltern nach Deutschland holen. „Aber sie wollen nicht. Sie wollen Haus und Heimat nicht verlassen“, erzählt die 32-Jährige mit zittriger Stimme. Um ihr Nervenkostüm, so gesteht sie, ist es nicht zum besten bestellt. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als die Daumen zu drücken.

Und jeden Morgen, gleich nach dem Aufwachen, schreibt sie ihrer Mama eine Nachricht: „Wie geht’s dir?“

Menschen sitzen in Kellern fest

Mit ihrer Familie und den alten Freunden in Odessa hält Anna ständig Kontakt, über Whatsapp und Instagram. Sorgen macht sie sich auch um ihren Bruder. Der arbeitete einst in Afrika, infizierte sich dort mit Malaria und ist infolgedessen eigentlich vom Militärdienst befreit. Eigentlich. Denn um die Ukraine zu verteidigen, wird jeder Mann gebraucht.

Anna steckt in einer Achterbahn der Gefühle. „Das muss man sich mal vorstellen“, schildert sie. „Da sitzen Menschen in der U-Bahn oder in Kellern fest, suchen Schutz, haben Hunger und geben das Bisschen, was sie haben, ihren Kindern.“ Hinausgehen können sie nicht. Jederzeit drohen Angriffe. „Alle haben Angst.“

Dass es tatsächlich zum Krieg kommt, sagt Anna, „hat in der Ukraine niemand gedacht. Darum stehen alle unter Schock.“ Kurz hält sie inne. Dann fährt sie fort: „Mama hat Flugzeuge gehört. Ein Bombardement. Die ganze Erde hat gebebt.“

Ihr Mann kann es auch nicht glauben, berichtet sie. „Er ist an meiner Seite. Keiner möchte Krieg. Warum? Das haben die Menschen in der Ukraine nicht verdient.“ Diejenigen, die eine andere Meinung haben, die Putin glorifizieren und Unwahrheiten verbreiten, „finde ich am schlimmsten“, schluchzt Anna. Es ist zu hören, wie nahe ihr das alles geht.

Um sich abzulenken und zu helfen, setzte sie mit ihrem Mann eine Spendenaktion in Gang. Erst überlegte das Paar, Geld in die Ukraine zu schicken. „Aber Geld nützt nichts“, die Supermärkte sind leer, „da kann man nichts kaufen.“

Stolz auf Deutschland

Gebraucht werden vor allem Lebensmittel, Medikamente, Windeln und Babynahrung, weiß Anna. Von der Resonanz – Unterstützung leistete beispielsweise der „Tauschrausch“ in Kusey – ist sie schier überwältigt. „So viele Leute haben gespendet. Danke, danke, danke. Ich bin so stolz auf Deutschland!“

Kürzlich wurden die gesammelten Spenden mit zwei Autos und Anhängern nach Polen gebracht. Von dort ging es weiter in die Ukraine. Heute fahren drei Autos nach Polen.

Dann ist mit der Spendenaktion zunächst Schluss. Weitermachen möchte Anna damit nicht. „Ich habe keine Kraft mehr, muss auch wieder arbeiten“, erklärt sie.

Das Telefongespräch mit ihr neigt sich dem Ende entgegen. Es ist Abend. Der kleine Theodor muss ins Bett. Und auch Anna möchte versuchen, ein wenig Schlaf zu finden. Denn in aller Frühe will sie aufstehen, um eine Nachricht in die Ukraine zu senden: „Mama, wie geht’s dir?“

Anna Knaus aus Dannefeld. Sie stammt aus der Ukraine und bangt um ihre Landsleute.
Anna Knaus aus Dannefeld. Sie stammt aus der Ukraine und bangt um ihre Landsleute.
Foto: privat