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  7. Auswandern: So lebt Magdeburgs Ex-Angelpark-Chef in Paraguay

Auswandern Was ist aus dem Magdeburger Ex-Angelpark-Chef geworden? Eine Spurensuche in Paraguay

Zehn Jahre lang konnten Angler in Sachsen-Anhalt im Angelpark am Neustädter See in Magdeburg ihrer Leidenschaft nachgehen. Dann schloss der Park 2019 und viele Angelfreunde fragten sich, was passiert war. Die Volksstimme konnte mit Ex-Chef Andreas Kindling reden. Er lebt heute in Paraguay - und ist jetzt Buch-Autor.

Von Maria Kurth 09.12.2022, 05:30
Andreas Kindling und seine Frau Conny stehen auf dem zehn Hektar großen Grundstück, das beide 2019 inmitten der paraguayischen Pampa gekauft haben.
Andreas Kindling und seine Frau Conny stehen auf dem zehn Hektar großen Grundstück, das beide 2019 inmitten der paraguayischen Pampa gekauft haben. Fotos: privat

Magdeburg - Caaguazú ist die Hauptstadt des Holzes. Zum Leidwesen der Natur. Durch unkontrollierte Abholzung sind große Teile des Dschungels in der paraguayischen Region verschwunden. Heute sind die meisten Menschen in Caaguazú und Umgebung in der Agrarwirtschaft tätig. Vor allem in den umliegenden Regionen leben viele Paraguayer als einfache Bauern. Genau dieses Leben wollten auch Andreas Kindling und seine Lebensgefährtin führen – und setzten ihren Plan 2019 in die Tat um.

Acht Kilometer nordöstlich von Caaguazú, mitten im Dschungel, kaufte Kindling ein rund zehn Hektar großes, verwildertes Grundstück. Ein Wagnis. Immerhin hatte der gebürtige Magdeburger in seiner Heimatstadt etwas zurückgelassen, das damals in Sachsen-Anhalt einzigartig war: einen großen, bei vielen Anglern im Land beliebten Angelpark am Neustädter See. „Der Angelpark Magdeburg war mein Lebenswerk“, sagt Kindling noch heute. Und dennoch entschloss er sich, vor drei Jahren gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin alles zurückzulassen und auszuwandern. „Aufgrund der Entwicklungen in Europa haben wir uns schon längere Zeit mit einer Auswanderung befasst“, so Kindling, der von einem „riesigen Konfliktpotenzial in Europa und besonders in Deutschland“ spricht.

Er und seine Familie wollten als Selbstversorger autark leben. „Wir haben uns bewusst für ein dünn besiedeltes Land mit schwacher Infrastruktur entschieden, damit wir möglichst autark und eigenverantwortlich leben können.“

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Ex-Angelpark-Chef aus Magdeburg wandert aus: Geringe Hürden in Paraguay

Das subtropische Klima in Paraguay mit ganzjähriger Vegetation bot dafür die perfekte Grundlage. Zudem gilt Paraguay als besonders auswanderfreundlich. Vergleichsweise geringe bürokratische Hürden und niedrige Lebenshaltungskosten bieten ideale Voraussetzungen. Während der Pandemie zog es vor allem viele deutsche Impfgegner nach Paraguay. Dort leben sie in eigenen Kolonien auf dem Land.

Allein im vergangenen Jahr haben sich laut der paraguayischen Migrationsbehörde 3440 Deutsche in Paraguay niedergelassen, wie der „stern“ berichtet. Das alles, so sagt Kindling, wollten er und seine Familie nicht. „Wir sind keine nostalgisch verklärten Spinner, die sich vergangenen Zeiten zurückwünschen.“ Bewusst hätten er und seine Familie sich für ein Grundstück fernab der Großstädte oder deutscher Kolonien entschieden. Natur, zahlreiche Hunde, vier Kühe, Gemüseanbau – der Magdeburger und seine Familie leben unter paraguayischen Bauern und führen ein Landleben. Ihr Einkommen erzielen sie durch den Verkauf von Obst und Gemüse in der Stadt.

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Nach dem Aufstehen widmet sich Kindling erst einmal seinen Tieren, bevor mehrere kleine Bauprojekte am Haus und Arbeiten auf dem Feld anstehen. Ob Weidezäune oder Kultivierung von Feldfrüchten wie Mais oder Manioka – fast den ganzen Tag verbringt Kindling draußen. Nur ab und zu zieht er sich zurück, um weiter an seinen Buchprojekten zu schreiben. Mittlerweile ist der Magdeburger nämlich auch Buchautor.

Erst vor kurzem erschien mit „Wissensdurstler“ sein erster Roman. Der Protagonist in seinem Buch verliert erst seinen Job und dann auch noch seine Frau. Bei seinem Neustart betritt er auch beruflich neue Pfade und begegnet dabei so einigen Abenteuern. Ein Roman mit autobiografischen Zügen, denn auch Kindling hat ein ums andere Mal in seinem Leben neu angefangen. Begonnen als Facharbeiter für Malerprodukte, schulte Kindling 2003 zum Medienberater für Printmedien um. Nach mehreren Beschäftigungen erfüllte er sich dann 2009 den Traum vom eigenen Angelpark am Neustädter See. Noch heute spricht Kindling vom „schönsten Arbeitsplatz der Welt“. Damals, vor drei Jahren, habe er den Angelpark nicht aufgegeben, weil er keinen Spaß mehr an seinem Job hatte. „Aber alles hat seine Zeit im Leben“, so Kindling.

Aus des Angeparks in Magdeburg: Kein neuer Pächter in Sicht

Eigentlich sollte der Angelpark damals weiter bestehen, es gab zwei Interessenten mit ernsthaften Absichten. Doch der Deal platzte und der bestehende Pachtvertrag für weitere 15 Jahre fand keinen neuen Besitzer. Vereinbarungen seien nicht eingehalten worden „und ich ging leer aus“. Er glaubt, der Wegfall des Angelparks habe bei vielen Anglern eine Lücke gerissen. „Ich weiß, dass viele seit meinem Weggang gar nicht mehr angeln.“ Viel Kontakt hat Kindling nicht mehr zu ehemaligen Anglern im Land, „die Kontakte beschränken sich auf wirklich enge Freunde“.

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Oft kommt Kindling nicht mehr nach Magdeburg, die Preise für Flugtickets haben sich in den vergangenen Jahren verdoppelt. Von diesem Geld können Kindling und seine Familie in Paraguay ein Jahr leben. Zudem müssen Tiere verpflegt und die Felder bewirtschaftet werden. „Wir sind hier sehr glücklich“, sagt Kindling. „Aber natürlich gibt es auch hier Menschen und Dinge, die wir vermissen, zum Beispiel so köstliche Dinge wie Bautzener Senf oder Schwarzbrot“.

Noch bis Jahresende will Kindling einen selbstgebauten Brotbackofen aus Stein fertiggestellt haben. Schwarzbrot in Paraguay – vielleicht schlummert da schon das nächste Projekt.