Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Alle haben auf etwas Neues gewartet
Kirstin Pahl ist heute Geschäftsführerin, Ihr Weg begann in der DDR, auf die sie auch heute noch eine ganz spezielle Sicht hat.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Kirstin Pahl, Ingenieurin und Geschäftsführerin.
Eifrig und mit einem klaren Ziel im Kopf, steckt Kirstin Pahl mitten im Studium an der Universität „Otto von Guericke“ in Magdeburg, als am 9. November 1989 die Mauer fällt. Top ausgebildet in Maschinenbau/Verfahrenstechnik, will sie danach gern Karriere im Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“ (Sket) oder dem VEB Schwermaschinenbau „Karl Liebknecht“ (SKL) machen – seinerzeit die Wirtschaftsschwergewichte in ihrer Wahlheimatstadt Magdeburg. „Das war zumindest mein Plan“, sagt die gebürtige Harzerin heute mit einem Schmunzeln.
Abitur in Wernigerode
Die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten lässt die Vorhaben von Kirstin Pahl, die in Benneckenstein aufgewachsen ist und in Wernigerode Abitur gemacht hat, null und nichtig werden. „Aber ich habe zu Ende studiert, das war mir wichtig. Sehr viele in meinem Umfeld haben den Umbruch genutzt, um sofort etwas völlig anderes zu tun. Aber ich hatte bisher keine berufliche Ausbildung, also habe ich das Studium durchgezogen.“
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1993 wird sie fertig – und findet sich in einer sehr angespannten Arbeitsmarktsituation wieder. Kirstin Pahl bekommt erst einmal keinen Job. Über das Arbeitsamt entschließt sie sich zu einer Umschulung beziehungsweise Weiterbildung. „Der Maschinenbau in Magdeburg war ja inzwischen komplett zusammengebrochen. Da bin ich in Richtung Versorgungstechnik gegangen, was ein absolut richtiger Schritt war“, berichtet die Diplom-Ingenieurin über ihre berufliche Neuorientierung. Und die hat auch mental stattgefunden. „Ich denke, wir haben in der DDR in geordneten Verhältnissen gelebt.
Erst limitierter Konsum, dann Überfluss
Doch wir haben alle auf etwas Neues gewartet“, sagt Kirstin Pahl. Als die Mauer fällt, machen sich „berechtigte Ängste“ unter den Menschen breit. „Gerade die Arbeitswelt stand plötzlich Kopf. Das habe ich ja selbst auch erlebt.“ Doch statt limitierter Konsum ist da jetzt Überfluss. „1992 haben wir als Familie unsere erste Flugreise nach Tunesien gemacht. Unvergesslich. Die neue Reisefreiheit war wirklich etwas tolles.“
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Auch beruflich geht es für die heute dreifache Mutter ab Mitte der 1990er Jahre bergauf. Sie arbeitet zunächst für sieben Jahre in einem kleinen Ingenieurbüro in Westeregeln im Salzlandkreis und kommt im Jahr 2000 zur IWB Ingenieurgesellschaft mbH (heute IWB Ingenieure Energie GmbH & Co. KG) nach Magdeburg. In dem bundesweit agierenden Unternehmen mit acht Standorten klettert Kirstin Pahl die Karriereleiter hoch – von der Konstrukteurin zur Geschäftsführerin.
Beteiligt an Stdthalle und Ikea
Mittlerweile arbeiten in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt 20 Männer und Frauen, die sich um alle Objekt- und Fachplanungen der technischen Ausrüstung kümmern. Am sich stetig verändernden Magdeburg haben die Expertinnen und Experten von IWB tüchtig mitgewirkt.
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Die Chefin nennt ein paar bekannte Beispiele: „Mitbeteiligt waren oder sind wir am Bau des Jahrtausendturms, an der Renaturierung der Deponie Cracauer Anger, der Modernisierung der Beimssiedlung, am Neubau von Ikea, an der aktuell laufenden Sanierung der Stadthalle und an der Quartiersentwicklung in der Innenstadt rund um den Dom.“ Als Unternehmen legt IWB großen Wert auf ein soziales, gesellschaftliches, kulturelles und sportliches Engagement.
Oft in Berlin oder Hamburg, aber lieber in Magdeburg
Magdeburg habe als Stadt in den vergangenen Jahren einen tollen Entwicklungsprozess mitgemacht. „Es ist viel neu gebaut, und auch viel saniert und erhalten worden“, bekräftigt Kirstin Pahl, die seit nunmehr 25 Jahren in einem Haus im Stadtteil Alt-Olvenstedt wohnt. „Magdeburg hat auch diese gesunde Größe. Alles ist überschaubar, doch niemals langweilig.“ Die Diplom-Ingenieurin schätzt das breite kulturelle Angebot, das viele Grün und die guten Einkaufsmöglichkeiten. „Ich bin oft in Berlin oder Hamburg, aber tauschen möchte ich nicht. Ich genieße hier in Magdeburg die Übersichtlichkeit und kurzen Wege in der Stadt und auch das ruhigere Fahrwasser.“
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35 Jahre nach der Wende sieht Kirstin Pahl eine „große Annäherung“, trotzdem noch keine endgültige Vereinigung. „Wenn die Menschen nicht mehr da sind, die über das frühere Ost und West sprechen, dann wird das sicher ganz schnell gehen.“ Und ergänzt, dass sie froh ist, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem die Herkunft überhaupt keine Rolle spielt. Und ganz sicher wird auch Magdeburg als „kleine Großstadt“ aus dem Osten weiter ihren positiven Weg machen.