Familienbetrieb schließt Mit Video: Aus für letzte Drogerie in Magdeburg
Mit der Lindenhof-Drogerie der Familie Hobohm gibt das letzte inhabergeführte Geschäft dieser Art in Magdeburg endgültig auf.

Magdeburg - Die Hobohms aus Magdeburg sind als Personen genau wie die von ihnen geführte Drogerie eine Institution. Und das nicht nur im Hopfengarten, wo sie an der gleichnamigen Straße an der Ecke zur Leipziger Straße seit 72 Jahren und in dritter Generation eine Drogerie führen.
Vor allem zu DDR-Zeiten waren das Geschäft als auch die Familie stadtweit bekannt: fürs umfangreiche Sortiment, für gute Kundenberatung, für die Schlangen, wenn es mal wieder seltenen Apfelwein gab, und für den Schwatz über die Ladentheke sowieso.
Mit alldem wird es zum Jahresende vorbei sein. Schweren Herzens räumt Silke Hobohm als Chefin in dritter Generation demnächst die Regale und schließt den Laden ab. „Es tut mir sehr leid. Es geht nicht mehr“, erklärt die 59-Jährige sichtlich mitgenommen dem Volksstimme-Reporter.
Lindenhof-Drogerie Magdeburg: Jahresumsatz sackt immer mehr ab
Ihr Opa Helmut Hobohm hatte den Laden am schicksalsträchtigen sechsten Jahrestag des Bombenangriffs auf Magdeburg am 16. Januar 1951 und damit vor gut 72 Jahren aus der Taufe gehoben. Seine Tochter Ute übernahm die Lindenhof-Drogerie dann 1966. Und deren Tochter Silke stand erst als Kind, dann als Lehrling und danach als Drogistin im Geschäft und ist nun als angestellte Chefin bei ihrer 88-jährigen Mutter die gute Seele hinterm Ladentisch und hat demzufolge viel erlebt.
„Es gab viele gute Zeiten“, erinnert sie sich. In der DDR sei die Drogerie gut gelaufen. Obwohl immer in Privathand, seien sie vom Staat damals in Ruhe gelassen worden. Es gab sogar zeitweise bis zu vier Angestellte und mehrere Lehrlinge. Auch nach der politischen Wende 1989 habe noch viele Jahre der Umsatz gestimmt. Aber dann sei es Schritt für Schritt mit der Nachfrage abwärts gegangen. Sackte der Jahresumsatz kurz vor der Pandemie schon auf 40.000 Euro ab, fiel er jetzt noch tiefer auf 25.000 Euro.
Dass der Laden überhaupt noch läuft, ist dem Engagement und einer gewissen Selbstausbeutung von Silke Hobohm zu verdanken. Für ein paar Hundert Euro im Monat – dafür aber wenigstens sozialversichert – steht sie noch hinterm Ladentresen – und ist dabei allerdings sehr oft allein. „Es gibt Tage, da kommt nicht ein Kunde“, gibt sie wehmütig zu Protokoll. Auch beim einstündigen Volksstimme-Termin lässt sich niemand im Geschäft blicken.
Den endgültigen Ausschlag fürs Laden-Aus sei dann ein Besuch des Finanzamtes im vergangenen Jahr gewesen. Die hätten zwar bei Prüfungen nichts gefunden. Aber die Auflage zum Kauf neuer Kassentechnik wurde erteilt, so Silke Hobohm. Doch die koste mindestens einen vierstelligen Betrag. Zu viel, viel zu viel, um weiterzumachen angesichts des sinkenden Umsatzes, so die Drogistin. Sie fühlt sich zumindest in diesem Punkt mit Blick auf fliegende Händler ganz ohne Kasse nicht fair behandelt, sucht aber ansonsten die Schuld fürs Laden-Aus nicht bei anderen.
Nischenprodukte und Kaufzurückhaltung
Und so geht nicht nur die Familientradition der Hobohms und die Drogerie im Hopfengarten ihrem Ende entgegen, sondern auch die Geschichte privat geführter Drogerien in Magdeburg. Um 1990 herum habe es in der Stadt noch knapp 60 private Drogerien gegeben. Doch die seien nach und nach aus ähnlichen Gründen verschwunden, so Silke Hobohm. Dabei sei die Konkurrenz durch große Ketten wie Rossmann oder dm gar nicht der ausschlaggebende Punkt, so Silke Hobohm. Ihre Lindenhof-Drogerie handele ohnehin nicht so stark mit kosmetischen Produkten.

Vielmehr habe sich die Drogerie auf Spezial- und Nischenprodukte wie spezielle Reinigungs- oder Unkrautbekämpfungsmittel sowie Spezialdünger konzentriert – für deren Vertrieb eine besondere fachliche Qualifikation notwendig sei, die große Ketten oft nicht vorweisen könnten. Und so hätten sich die Hobohms in den letzten Jahren vor allem mit solchen Produkten einigermaßen über Wasser halten können. Doch schon vor der Pandemie sei eine immer weiter um sich greifende Kaufzurückhaltung zu spüren gewesen.
Nun sei ein Punkt erreicht, an dem es nicht mehr weitergehe. Die Aussicht auf das Ende des Drogeriebetriebes sorge zwar für ein schweres Herz, aber auch für ein wenig Erleichterung. Noch könne sie den Betrieb ohne Schulden oder andere große finanzielle Verpflichtungen einstellen.
DDR-Klassiker wie Fit, Domal oder Cekasin
Bis zum Jahresende aber werden noch die Drogeriewaren verkauft. Im Regal stehen viele Produkte, die einst schon in der DDR gefragt waren. Die Reinigungsmittel Fit und Domal oder das Gardinenwaschmittel Cekasin gehören genauso dazu wie der Unkrautvernichter „Wegerein“.
Obendrauf gibt’s beim Besuch in der Drogerie neben Beratung und einem Schwatz übrigens auch noch ungewohnte Atmosphäre zu erleben. Die Ladeneinrichtung versprüht noch immer den besonderen Charme der 1980er Jahre. Investitionen waren in den vergangenen 33 Jahren schlicht und ergreifend nicht finanzierbar.