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Bestattungen Der Tod in schweren Zeiten

Trauerfeiern in der Corona-Krise: Wie Bestatter, Kirchen und Trauerredner versuchen, Angehörigen Verstorbener beizustehen.

Von Martin Rieß 27.03.2020, 00:01

Magdeburg l Es sind erschreckende Bilder, die dieser Tage aus Italien gezeigt werden: Mit Lkw werden Verstorbene zu auswärtigen Krematorien gebracht, da die an den Brennpunkten der Corona-Krise mit ihrer Arbeit nicht mehr hinterherkommen. Für Pietät, für die Würde der Toten, für die Gefühle von Angehörigen ist da nur bedingt Platz.

Von einer solchen Situation ist Deutschland derzeit weit entfernt und ein jeder hofft, dass eine solche Situation hierzulande mit restriktiven Regeln verhindert werden kann.

Doch bei den Bestattungen muss auch hier derzeit völlig neu gedacht werden. Trauerfeiern sind nur noch im engsten Rahmen möglich. Seit Donnerstag vergangener Woche beispielsweise sind in den Friedhofskapellen des Eigenbetriebes Stadtgarten und Friedhöfe Magdeburg bis auf weiteres keine Trauerfeierlichkeiten mehr möglich. Zudem gelten auch hier Regeln, die für die geforderte soziale Distanz zwischen den Menschen derzeit gültig sind: Sich nicht in großen Gruppen zusammenfinden, Abstand halten.

Marco Rotte ist in der Großen Diesdorfer Straße Filialleiter bei Helmut Schmidt Bestattungen, die zur Ahorn AG gehören. Er berichtet. „In Magdeburg müssen wir seitdem die Bestattungen völlig neu gestalten.“ Zum Ersten: die Größe der Feiern. Bestattungen, die bereits vor geraumer Zeit organisiert worden sind, müssen nun beispielsweise von 50 auf 10 Trauergäste umgeplant werden. „Die Angehörigen haben sehr großes Verständnis, dass wir dazu keine andere Möglichkeit haben“, sagt Marco Rotte. Zum Zweiten: die Lokalität. Da die Trauerhallen und -kapellen gesperrt sind, schaffen die Bestatter einen würdigen Rahmen im Freien vor den Hallen und Kapellen oder direkt am Grab. Zum Dritten: die Abstände. Denn auch auf dem Weg zum Grab gilt es, möglichst einen Sicherheitsabstand von anderthalb bis zwei Metern zum Nachbarn einzuhalten oder auf Umarmungen oder das Händeschütteln zu verzichten. Auch daran hielten sich die Trauergäste, so Marco Rotte.

Neben den neuen Regeln, die die Bestatter in ihre Arbeit einbinden müssen, gibt es dann aber auch die innerbetrieblichen Abläufe. Denn die Bestatter sind jene, die die Verstorbenen auch von ihrem letzten Lebensort abholen. „Natürlich haben wir dazu auch für den Fall der Fälle die entsprechende Ausrüstung in den Fahrzeugen“, sagt Marco Rotte. Das heißt: Falls ein Corona-Toter in Magdeburg transportiert werden muss, kommt der Ganzkörper-Schutzanzug zum Einsatz.

Wichtige Helfer in Zeiten der Trauer sind auch die Geistlichen. Stephan Hoenen, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Magdeburg, berichtet im Gespräch mit der Volksstimme: „Auf den kirchlichen Friedhöfen gelten die gleichen Regeln wie für die kommunalen Friedhöfe.“ Doch diese Regeln seien eben nicht alles. „Für uns ist klar, dass das seelsorgerische Gespräch trotz aller Einschränkungen persönlich erfolgen soll.“ Darauf und wie dies unter gegebener Vorsicht möglich ist, sind die Pfarrer vorbereitet.

Neben der eigentlichen Bestattung stellt sich für den Superintendenten auch die Frage, wie unter all den Einschränkungen Trauerarbeit geleistet werden kann. „Dazu ist es ganz wichtig, sich mit der Pfarrerin oder dem Pfarrer intensiv auszutauschen“, sagt er. So sei es gut denkbar, nach der Corona-Krise einen Gottesdienst zu gestalten, an dem Angehörige und Freunde teilnehmen können, die aufgrund der Beschränkungen jetzt nicht dabei sein können. „Zudem gedenken wir evangelische Christen jedes Jahr zum Ewigkeitssonntag der Verstorbenen“, so Stephan Hoenen.

Was der landläufig auch Totensonntag genannte Termin der Protestanten am letzten Sonntag vor Advent ist, ist für die Katholiken Allerseelen am 2. November eines jeden Jahres.

Doch wäre es nicht auch möglich, die Beisetzung zumindest von Urnen auf die Nachkrisenzeit zu verschieben? Die Stadtverwaltung verweist auf das Landesgesetz, aber auch auf die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung. Die Kontaktdaten sind im Internet unter www.magdeburg.de/sfm zu finden.

Eine Möglichkeit, die auch der freie Trauerredner Tino Grosche gemeinsam mit Bestattern und Familien zunehmend nutzt. Er sagt: „Dies ist ein nachvollziehbarer Weg.“ Bestatter Marco Rotte hält dem entgegen: „Auf der anderen Seite wird damit ein wichtiger Punkt in der Trauerbewältigung verschoben. Und vor allem: Um welchen Termin soll es denn gehen? Wir wissen ja nicht, wann die Corona-Krise vorbei ist.“

Trauerredner Tino Grosche schlägt den Angehörigen eine Alternative vor. Er zeichnet auf Wunsch die Trauerrede auf, so dass neben den Trauernden am Grab auch andere Menschen teilnehmen können. „Zudem kann man dieses Element sehr gut einbinden, wenn man später die eigentliche Trauerfeier nachholen möchte oder später einmal am Geburtstag oder am Todestag des Verstorbenen seiner gedenken möchte“, so Tino Grosche.

Und wie geht es weiter? Das weiß keiner genau. Dass es aber auch in Magdeburg Corona-Tote geben wird, ist anzunehmen. Und wohl auch mit dem Blick auf die Bilder aus Italien hat der Bundesverband Deutscher Bestatter, in dem 81 Prozent der deutschen Bestatter organisiert sind, gefordert, dass das Bestattungswesen auch als systemrelevant eingestuft wird.