Ausblick nach See-Restaurierung Blaualgen in Magdeburg: Warum der Barleber See empfindlich bleiben wird
Eine große Restaurierungsmaßnahme hat im Jahr 2019 der Barleber See erfahren. Beteiligt war auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Was das Neue war und warum der See auf lange Sicht wieder behandelt werden muss, erklärt Professor Martin Schultze, der heute auch einen Vortrag im Rathaus in Magdeburg hält.

Magdeburg - Dass beim Barleber See in Magdeburg auch in der Zukunft wieder eine Behandlung notwendig werden könnte, hat auch eine ganz natürliche Ursache. Bereits im Jahr 2017 hatte es die ersten Probleme mit einer starken Vermehrung von Cyanobakterien – oft auch Blaualgen genannt - gegeben und wurden zeitweise Badeverbote notwendig. Daraufhin ging die Stadt auf das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung zu und bat um Hilfe bei der Untersuchung.
Die Hauptgrundlage an Daten stellte der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft zur Verfügung, das Helmholtz-Zentrum ergänzte die Datenlage um weitere Untersuchungen. Die Stadt hätte gern auch die Maßnahme vom Helmholtz-Zentrum umsetzen lassen. „Aber das überstieg unsere Kompetenzen“, sagt Martin Schultze. Das Helmholtz-Zentrum werde an Publikationen in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften und an der Einwerbung von zusätzlichen Forschungsgeldern gemessen und soll nicht in Konkurrenz zu Unternehmen treten, die Aufträge akquirieren müssen. „Außerdem sind wir keine Planer, sondern Wissenschaftler in einer Forschungseinrichtung – Chemiker und Biologen zum Beispiel, nur vereinzelt gibt es bei uns Ingenieure“, betont er.
Ungewöhnlich war, den See im Sommer zu behandeln

Was schließlich im Barleber See gemacht wurde, ist, Phosphat aus dem Wasser zu binden, um das Wachstum von Algen und Cyanobakterien zu hemmen. Dafür wurde Polyaluminiumchlorid als Lösung in den See eingebracht. Ein neues Verfahren war das nicht, erinnert Martin Schultze. Schon 1986, als der See erstmals behandelt wurde, sei das Prinzip in Deutschland und weltweit bereits erprobt gewesen. Neu war aber, dass die Maßnahme im Sommer durchgeführt wurde, um wenigstens noch einen Teil der Badesaison zu retten.
Warum das normalerweise vermieden wird? Weil die Phosphate im Sommer überwiegend in den im Wasser befindlichen Mikroorganismen gebunden sind. Die Effektivität einer solchen Maßnahme sei im Frühjahr oder Herbst, wenn die Phosphate im Wasser gelöst sind, viel höher. Und es stand die Frage im Raum: Geht das überhaupt im Sommer und wenn ja, wie gut?
Neben dem guten Gefühl, etwas für die Stadt tun zu können, in der das Institut beheimatet ist, „passte die Maßnahme zu dem, was wir tun sollen und wollen, und hat aus Forschungssicht eine zunächst unerwartete Attraktivität für uns entfaltet“, sagt Schultze. „Man hat jetzt ein Beispiel, dass es auch im Sommer funktioniert, auch wenn dafür ein höherer Aufwand betrieben werden muss.“
Zusätzlicher Aufwand mit Booten
Der zusätzliche Aufwand besteht darin, das Wasser mit Booten immer wieder mechanisch in Bewegung zu bringen. Denn die Algen und Bakterien produzieren Sauerstoff. Ab einer bestimmten Menge kann dieser sich nicht mehr im Wasser auflösen und bildet stattdessen Blasen an der Oberfläche. Sie verhindern, dass die Flocken mit dem gebundenen Phosphat zum Grund des Sees sinken. Durch das Umwälzen des Wassers konnte der Sauerstoff entweichen und die gebundenen Phosphate hinabsinken. Die Maßnahme war also erfolgreich. Und das hat sich auch in den vergangenen Jahren bereits bestätigt, in denen eine zum Baden gut geeignete, stabile Wasserqualität zu beobachten war.
Herausragend sei bei dieser Maßnahme auch das Engagement der Stadt Magdeburg gewesen, die sich nicht allein auf die Ergebnisse der Planer und ausführenden Firma verlassen wollte, sondern umfassende Voruntersuchungen veranlasste und außerdem das Helmholtz-Zentrum als unabhängige Instanz hinzuzog, berichtet Martin Schultze weiter. Stadt, Stadtrat und auch die ausführenden Firmen seien mit einer bemerkenswerten Entschlossenheit vorgegangen.
Untersuchungen im vorliegenden Umfang seien selten: Oftmals ist man da sehr viel zurückhaltender, auch bei der nachträglichen Erfolgskontrolle: „Das ist einer der Gründe, warum nicht selten solche und andere Restaurierungs- oder Sanierungsprojekte nicht so gut funktionieren“, erläutert Schultze.
Ein Fragezeichen bleibt bestehen
Was im Rahmen der Untersuchungen nicht abschließend geklärt werden konnte, sei die Herkunft des Phosphors. „Da steht nach wie vor ein Fragezeichen“, sagt Schultze. Lebewesen brauchen Kohlenstoff, Stickstoff und ein bisschen Phosphor zum Leben.
Steht eine Komponente nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung, wird das Wachstum gehemmt. In Gewässern sei diese Komponente, über die sich das Wachstum normalerweise recht einfach regulieren lässt, der Anteil von Phosphor. Dessen massenhaftes Auftreten werde von vielen Faktoren unterstützt: Vögel, die ins Wasser koten, Menschen, die hineinpullern, Staub, der eingetragen wird und natürlich das zufließende Grundwasser.
Der Phosphor im Wasser des Barleber Sees stammte in den Jahren 2016-19 vor allem aus dem bereits im See vorhandenen Sediment. „Geklärt ist aber nicht, was dazu führte, und es konnten nicht alle Phosphorquellen entdeckt werden“, sagt er.
Flache Seen sind besonders anfällig
Aus wissenschaftlicher Sicht sei es unbefriedigend, aber aus kommunaler Sicht „nicht unvernünftig und schon gar nicht schlecht begründet“, wenn diese Frage vor einer Restaurierung nicht bis ins letzte Detail geklärt wird. „Man kommt dann irgendwann an einen Punkt, wo die Kosten für die entsprechenden Untersuchungen so hoch liegen oder noch darüber wie die Kosten für die gesamte Behandlung des Sees“, sagt Schultze.
Über etwas anderes müsse man sich aber auch im Klaren sein: Seen sind junge Naturelemente. Alle Seen haben eines gemeinsam: Sie verschwinden nach einer Zeit wieder. „Das ist ein völlig natürlicher Prozess“, sagt Schultze. Die Seen der Saaleeiszeit etwa, die bis in die Magdeburger Börde reichte, sind bereits verschwunden. Das gleiche Schicksal wird die Seen der jüngsten Eiszeit in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Schweden und so weiter ereilen.
„Seen neigen dazu, zu verlanden“, sagt Schultze. Nicht in ein paar Hundert Jahren, aber in einigen Jahrzehntausenden. Und der Prozess geht umso schneller, je flacher ein See ist. Der Barleber See ist in den 1930er Jahren als künstlicher See entstanden und relativ flach. Mit großflächig circa sechs und nur in der Spitze elf Metern Tiefe sei er besonders empfindlich gegen diese Prozesse, die natürliche Eutrophierung. Eutrophierung heißt das massenhafte Wachstum insbesondere Photosynthese treibender Organismen. Und sie produzieren so viel Biomasse, dass ein See nach und nach verlandet.
Bestenfalls hält die Restaurierung des Barleber Sees länger als geplant
Damit ist er ein empfindliches Gewässer und wird es bleiben. „Dafür muss niemand etwas Böses machen, es gibt dafür auch eine naturwissenschaftliche Begründung und die Empfindlichkeit gegen Eutrophierung liegt nicht nur daran, dass man nicht gut mit dem See umgeht.“ Die Restaurierung 2019/20 ist für 30 Jahre ausgelegt, bestenfalls hält sie länger.
Wer mehr wissen möchte, ist am 21. Februar 2022 zu einem Vortrag von Dr. Martin Schultze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in einer neuen Folge von „Wissenschaft im Rathaus“ willkommen.
Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Alten Rathaus. Um telefonische Voranmeldung unter der Rufnummer 0391/535 47 70 wird gebeten. Eine Teilnahme ist nur unter der Einhaltung der 2G-Regel möglich, informiert die Landeshauptstadt Magdeburg in einer Pressemitteilung.