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Corona-Krise Magdeburger Café-Betreiberin in Sorge

In der Corona-Krise kämpfen viele Selbstständige ums wirtschaftliche Überleben. Eine Magdeburgerin Café-Betreiberin berichtet.

Von Ivar Lüthe 02.05.2020, 12:21

Magdeburg l Jacqueline Lindecke ist eine lebensfrohe Frau, stets mit einem Lächeln, ihr Herz trägt sie auf der Zunge. Doch die vergangenen Wochen haben der selbstständigen Cafébesitzerin hart zugesetzt. Ihr Café „Kaffeetasse“ in Magdeburg-Stadtfeld kann sie seit Wochen nicht so betreiben wie vor der Corona-Krise. Seit dem 23. März 2020 hält sie das Geschäft und damit auch die Arbeit ihrer beiden Angestellten mit Außerhausverkäufen wenigstens noch ein wenig am Laufen. Kaffee, Kuchen, Torten, selbst gemachten Eierlikör und Mittagsbestellungen zum Mitnehmen sind alles, was Jacqueline Lindecke derzeit noch machen kann.

„Irgendwie muss es doch wenigstens ein bisschen weitergehen. Ich habe mir gesagt, ich entlasse niemanden“, sagt die alleinerziehende Mutter zweier Töchter. Dass sie ihre Stundenkräfte nach Hause schicken musste, sei schon sehr schwer gewesen, ihre beiden festangestellten Mitarbeiter wollte sie jedoch solange es geht halten, eine Mitarbeiterin ist ebenso alleinerziehend.

 „Wir haben jetzt auch noch Eis zum Außerhausverkauf aufgenommen, um noch ein bisschen Einnahmen zu haben“, sagt die Unternehmerin. Doch trotz aller Bemühungen reichte es hinten und vorn nicht. Mit dem vom Land aufgelegten Corona-Soforthilfe-Programm erhoffte sie sich schnelle Hilfe. Doch schnell musste sie feststellen, dass „Sofort“ eben nicht sofort bedeutet.

„Gleich am ersten Tag habe ich per Mail meinen Antrag abgeschickt. Das war am 30. März“, erinnert sich die Magdeburgerin. Am 3. April bekam sie dann eine Lesebestätigung, dass ihre Mail geöffnet worden war. Mehr nicht. Die Verzweiflung wuchs von Tag zu Tag. „In der Zwischenzeit flatterten bei mir schon Vollstreckungsankündigungen ein“, erzählt die Unternehmerin und muss schlucken, um nicht zu weinen.

Das Finanzamt schrieb, zog aber schnell wieder zurück, ihre Krankenkasse drohte mit Vollstreckung. „Ich habe so oft mit denen telefoniert und die Situation geschildert. Ich dachte, das darf doch wohl nicht wahr sein. Haben die nicht begriffen, was gerade los ist?“, sagt sie. All die Tage in der Ungewissheit, ob ihr Antrag auf Soforthilfe bewilligt wird.

Am 9. April fasste sie sich ein Herz und fragte schriftlich bei der Investitionsbank, die die Bearbeitung des Soforthilfe-Programms erledigt, nach. Erst dann bekam sie die schriftliche Mitteilung, dass ihr Antrag „in der nächsten Bearbeitungsstufe“ angelangt sei – was auch immer dies heißen sollte. Am übernächsten Tag dann die erlösende Nachricht: Der Antrag ist bewilligt. Am 16. April war die Soforthilfe dann auf dem Konto. Mehr als zwei Wochen nach Antragstellung. „Dieses Warten und die Ungewissheit haben ganz schön an der Psyche geknabbert“, gibt Jacqueline Lindecke zu.

Mit dem Geld, das sie ausschließlich für das Geschäft einsetzen darf, kommt sie nun zunächst über die Runden, sagt sie. Den Höchstsatz für die Größe ihres Unternehmens hat sie gar nicht beantragt. „Ich habe sehr spitz gerechnet, was ich tatsächlich an finanzieller Hilfe brauche, um zu überleben. Mehr wollte ich gar nicht.“

Die Verwendung der Gelder wird überprüft, nicht benötigtes Geld muss zurückgezahlt werden. „Das Geld ist ausschließlich für die Geschäftsausgaben zu verwenden. Aber wie es privat gehen soll, wenn man keine Einnahmen erzielen kann, das sagt einem keiner“, kritisiert die Selbstständige.

Dass in der zuletzt beschlossenen Lockerung die Gastronomie überhaupt nicht berücksichtigt wurde, macht die Magdeburger Unternehmerin fassungslos. „Wenigstens die Außengastronomie hätte man doch erlauben können. Oder wie kurz vor der Schließung mit Abstandsauflagen. Ich begreife es nicht. Beim Einkaufen kommen sich die Kunden teils näher, als es hier im Café oder davor wäre“, sagt Jacqueline Lindecke und setzt nun auf eine Lockerung im Mai. „Ansonsten weiß ich langsam auch nicht mehr, wie es weitergehen soll. Viele von uns werden nach der Krise nicht mehr da sein“, meint die Unternehmerin.

Wie Jacqueline Lindecke haben zahlreiche Soloselbstständige, Freiberufler und Unternehmen bis 50 Mitarbeiter aus Magdeburg die Corona-Soforthilfe des Landes beantragt. Nach Angaben eines Sprechers der Investitionsbank (IB) lag mit Stand Montagabend, 27. April, für die Landeshauptstadt die Anzahl der bearbeiteten Anträge bei 2087. Dies entspreche einem Soforthilfe-Volumen von knapp 17,7 Millionen Euro. Täglich würden neue Anträge eingehen, so der IB-Sprecher.

Vor allem mit Start des Soforthilfe-Programms ging bei der IB eine Flut von Anträgen ein. Landesweit waren es 5600 am ersten Tag. Dass die IB damit überfordert war, zeigt nicht nur das Beispiel von Jacqueline Lindecke, sondern auch, dass im April die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich ausschließlich mit der Soforthilfe befassen, auf mehr als 200 aufgestockt, Mehrarbeit angeordnet und das Verfahren nach Auskunft der Geschäftsleitung nochmals verschlankt wurde. Zusätzlich wurden Mitarbeiter vom Wirtschaftsministerium mit abgeordnet.

Der Sprecher der IB sagte auf Volksstimme-Nachfrage: „Wir haben jetzt an Tempo zugelegt. Wir versuchen, die Dauer der Bearbeitung täglich zu minimieren.“ Aktuell würden pro Tag etwa 1400 Anträge bearbeitet. Ab sofort können Unternehmen auch ein Online-Antragsverfahren zur Beantragung von Soforthilfen bei der Investitionsbank nutzen, das jetzt auf den Internetseiten der Bank freigeschaltet ist.

Was man außerdem geändert hat, ist, dass Antragsteller nun wenigstens eine automatische Eingangsbestätigung erhalten - auch rückwirkend, hieß es . Darauf habe man „in den ersten Tagen nach dem Programmstart zunächst verzichtet, um die Server der Bank nicht zu überlasten“, wie es in einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministeriums hieß.

Mit 83 Prozent die meisten Anträge haben kleine Unternehmen mit ein bis fünf Mitarbeitern gestellt. Die bislang bewilligten Anträge entfallen vor allem auf die Branchen Dienstleistungen (41 Prozent), Handel (14 Prozent, Gastgewerbe (14 Prozent), Baugewerbe (7 Prozent) und verarbeitendes Gewerbe (4 Prozent), hieß es vom Wirtschaftsministerium.