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Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Dirty Dancing beim Mauerfall - so landete ich in Magdeburg

Karina Schwarz ist erfolgreiche Anwältin und kam über Umwege nach Magdeburg. Sie lebt auch in Spanien und Schweden, hat ihren Mittelpunkt aber an der Elbe.

01.08.2025, 10:30
Karina Schwarz, Anwältin in Magdeburg.
Karina Schwarz, Anwältin in Magdeburg. Pro M Magdeburg

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Karina Schwarz, Anwältin.

Als sich am Berliner Grenzübergang Bornholmer Straße gegen 21.20 Uhr am 9. November 1989 die Öffnung der Mauer in Gang setzt, schaut sich Karina Schwarz im Kino gerade Dirty Dancing an. Als sie das Lichtspielhaus verlässt, sind die Straßen wie leergefegt. Es dauert einen Moment, bis die heutige Fachanwältin und Insolvenzverwalterin mit eigenen Kanzleien in Magdeburg, Hannover und Hildesheim weiß, warum. „Ich habe da gerade an der Ost-Berliner Humboldt-Universität begonnen, ‚Sozialistisches Recht‘ zu studieren“, sagt sie.

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Im Hörsaal droht man den Studentinnen und Studenten am nächsten Tag mit Exmatrikulation, würden sie das Land verlassen. „Wir wussten ja alle längst, dass die Mauer gefallen ist. Wir haben dann geschlossen den Saal verlassen. Die Humboldt-Uni musste sich auch irgendwie erst finden und stabilisieren.“ Kurze Zeit später geht sie nach Göttingen in Niedersachsen, weiterhin fokussiert auf ein Jura-Studium. „Ich wollte keine Zeit verlieren. Ich hatte schon genug verloren, weil die DDR eben war, wie sie war.“

Eltern betreiben eine Gärtnerei in Finsterwalde

Karina Schwarz wird in Finsterwalde in Südbrandenburg geboren, wo ihre Eltern eine Gärtnerei betreiben. Früh begeistert sie sich für Jura, doch ein Studienplatz scheint nahezu ausgeschlossen. „Es gab im Kreis nur einen zu vergeben und der war für die gleichaltrige Tochter des Kreisgerichtsdirektors reserviert“, erinnert sie sich. Doch sie und ihre Familie geben nicht auf. Mit Erfolg! „Meine Lebenslehre daraus: Traue nie dem Nein-Sager.“ Doch bevor es in Berlin losgehen kann, muss sie in der DDR eine zweijährige Arbeit in der Produktion absolvieren. „Für die Reife“, berichtet Karina Schwarz. „Und für Einblicke in die Wirtschaft.“

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24 Monate lang zählt sie in einem volkseigenen Schweißtechnik-Betrieb Elektroden, dann ist der „mehrjährige Kampf“ ums Studium geschafft. „Und dann kam die Wende und mit ihr eine große Irritation, gepaart mit Neugier. Ich war auch angstvoll, weil ich mich in der DDR schon beschützt gefühlt habe“, berichtet die begeisterte Sportlerin. „Aber ich habe auch die Chance gesehen, meinen Aufenthalts- und Berufsort jetzt frei wählen zu können.“

Wiedervereinigung zu einem guten Zeitpunkt

Karina Schwarz sagt heute, dass die Wiedervereinigung für sie zu einem guten Zeitpunkt gekommen ist. „Ich war jung, ich konnte umschwenken. Für meine Eltern mit ihrer Gärtnerei in Finsterwalde ging das alles kaum noch.“ Sie studiert in Göttingen erfolgreich Jura, macht ihre Referendariate in Magdeburg und Halle und schnuppert da zum ersten Mal ins Insolvenzrecht hinein.

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Sie geht in die Selbstständigkeit und entscheidet sich als Basis für den Magdeburger Stadtteil Sudenburg. Hier eröffnet sie ihre erste Kanzlei, baut sie aus, formt ein Team und überzeugt alle Zweifler mit Fleiß und Qualität „Ich war Frau und Ossi und bin damals oft genug auf Platzhirsche gestoßen“, sagt sie. Inzwischen gibt es Niederlassungen in Hannover und Hildesheim und ihre Insolvenzverwalter werden von den verschiedenen Gerichten, etwa in Bielefeld, Gifhorn, Magdeburg und Stendal bestellt. „Es war ein langer Weg, aber ich würde ihn immer wieder gehen.“

Magdeburg war eine verlorene Perle

Magdeburg ist sensationell, sagt Karina Schwarz, die auch zeitweise im spanischen Barcelona und in Schweden lebt. „Meine Zentrale ist hier. Die Menschen und das Stadtbild sind so viel freundlicher geworden. Magdeburg hat sich gefunden“, urteilt die Anwältin. Sie erlebe eine Verjüngung, die mit mehr Kreativität einhergeht. „Früher habe ich immer gesagt, Magdeburg ist die verlorene Perle zwischen Berlin, Potsdam und Hannover.“ Karina Schwarz wünscht sich für die Zukunft der Stadt, dass sie eine stabile, wirtschaftliche Basis für Handel und Handwerk sein kann. „Es braucht viele Füße, auf die sich eine Stadt stellen kann. Eine gute Mittelschicht ist enorm wichtig.“

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Die frühere Handballerin und Leichtathletin freut es sehr, dass Magdeburg auf dem internationalen Sportparkett große Erfolge feiern kann. „Ich sage immer, wir sind auch eine sportive Kanzlei; mit viel Biss und Kampfgeist.“ Und auch, wenn es Karina Schwarz immer wieder in die Welt hinauszieht, so ist eins für sie sicher: „Magdeburg bleibt mein Standort, weil hier Seele und Zuhause ist. Und das auch noch die nächsten Jahre.“