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Früherer Baumarkt „Nein, wir werden kein Asylheim“

Die Bewältigung von Flüchtlingsströmen in Deutschland und deren Folgen führt zu teils eigenwilligen Auswüchsen.

Von Rainer Schweingel 17.09.2015, 01:01

Ottersleben l Das Gewerbegebiet am Werner-von Siemens-Ring ist vor allem bei Autobesitzern ein gefragtes Areal. Eine Tankstelle gibt es hier. Einen Schnellimbiss. Und Autohäuser. Auch für motorisierte Hobbyhandwerker war der Siemensring bisher ein lohnenswertes Ziel. Der „Praktiker“ hatte hier seinen Sitz - bis zu seiner Schließung, was viele Kunden ärgerte. Der Baumarkt ist nun erneut Stein des Anstoßes - weil er leer steht und offenbar eine potenzielle „Gefahr“ darstellt.

Anlass sind zwei nicht zueinander gehörende Entwicklungen, die zeitlich zufällig zusammenfallen. Einerseits gibt es seit ein paar Wochen Bewegung an und im Ex-Baumarkt. Andererseits strömen zeitgleich Tausende Flüchtlinge nach Deutschland und müssen in einigen Großstädten auch in Turnhallen oder in leerstehenden Baumärkten vorübergehend untergebracht werden.

Und genau darin sind wohl auch die Ursachen für die Probleme zu suchen, die der Investor bei seinem Engagement in Magdeburg überhaupt nicht erwartet hatte. Er musste sich plötzlich ständig gegenüber Passanten erklären, ob denn die leere Halle für die Aufnahme von Flüchtlingen vorbereitet werde.

Dabei ist an den Gerüchten nichts dran. Neuer Eigentümer des Ex-Baumarktes ist der auf Wohnmöbel spezialisierte Online-Händler heute-wohnen.de aus Baden-Württemberg. Und der will die Halle als Großlager nutzen.

„Schuld“ an den wilden Spekulationen dürften die Berichte über die Folgen der Unterbringung von Flüchtlingen in Baumärkten in anderen Städten, unter anderem Heidenau, gewesen sein. Folglich kochte die Gerüchteküche über. Arbeiten in einem leerstehenden Baumarkt und zeitgleich die verzweifelte Suche der Behörden nach Plätzen für Flüchtlinge - da muss der leere Markt doch zwangsläufig eine Flüchtlingsunterkunft werden, reimte sich so mancher Passant zusammen und wurde am ehemaligen Baumarkt vorstellig. In den sozialen Netzwerken nahmen die Spekulationen ebenfalls zu.

Daran konnte auch die zwischenzeitliche Aussage von OB Lutz Trümper (SPD) nichts ändern. Er hatte die Unterbringung von Flüchtlingen in Baumärkten ausgeschlossen. Doch den Investoren im Siemensring half das nicht. Sie sahen sich ständig fragenden Passanten gegenüber, die neugierige Blicke in die leere Immobilie warfen.

Tanja Mendler von der Geschäftsleitung des Online-Händlers, der den Baumarkt nutzen will, erklärt: „Mit dem Beginn unserer Arbeiten kamen immer wieder Leute, die uns fragten, was hier passiert und ob Flüchtlingen einziehen. Das wurde unseren Mitarbeitern vor Ort einfach zu viel. Deshalb sahen wir uns gezwungen, mit mehreren Aushängen auf die geplante Nutzung als Lager hinzuweisen, damit wir in Ruhe arbeiten können.“

Der Geschäftsleitung des in Baden-Württemberg ansässigen Unternehmens ist dieser Erklärungsnotstand sichtlich unangenehm. Mendler: „Es ist schon seltsam, dass man sich rechtfertigen muss.“ Schließlich wäre auch ein tatsächlicher Einzug von Flüchtlingen eine notwendige Hilfeleistung gegenüber den Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, so Mendler.

So verläuft der Start für das Unternehmen in Magdeburg unter eigenwilligen Umständen, denn eigentlich will sich die Firma lieber auf den Ausbau ihrer Geschäfte konzentrieren, statt ständig Gerüchten entgegenzuwirken.

Denn immerhin leistet das Unternehmen einen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Magdeburgs und investiert nach eigenen Angaben mehrere Hunderttausend Euro. Es will die Halle zu einem weiteren Drehkreuz für den Absatz seiner Möbel für ganz Deutschland und das Ausland ausbauen.

„Unsere Ware kommt in der Regel aus China und trifft in Hamburg ein. Aber die Lagerkapazitäten in und um Hamburg sind ausgebucht oder viel zu teuer. Magdeburg ist für uns eine hervorragende Alternative sowohl von den Kosten als auch von der Lage her“, erläutert Tanja Mendler die Entscheidung für Magdeburg.

Arbeitsplätze sind damit zudem auch verbunden. Vier Mitarbeiter sollen eingestellt werden. Deren Einstellungsgespräche vor Ort waren übrigens auch von fragenden Passanten gestört worden.