1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Avenidas in Magdeburg für die Kunstfreiheit

Gesellschaftshaus Avenidas in Magdeburg für die Kunstfreiheit

Der Chef des Magdeburger Gesellschaftshauses bezieht Position. Er kritisiert, dass in Berlin ein Gedicht von einer Wand getilgt wird.

Von Martin Rieß 29.01.2018, 00:31

Magdeburg l Eugen Gomringer hat in den 1950er Jahren ein spanischsprachiges Gedicht verfasst, das in Berlin zu einem Politikum geworden ist. Der Streit darum hat nun auch in Magdeburg seine Spuren hinterlassen: Als persönliches Statement hat Carsten Gerth, Leiter des Magdeburger Gesellschaftshauses, das Gedicht auf einer Tafel im Eingangsbereich des Gebäudes in der Schönebecker Straße 129 aufgestellt. Er sagt: „Ich habe das getan, weil ich die Vorgänge in Berlin für unerträglich halte. Dort wird die Freiheit der Kunst mit Füßen getreten.“

Was war geschehen? Nachdem der schweizerisch-bolivianische Schriftsteller Eugen Gomringer im Jahr 2011 den Alice-Salomon-Poetik-Preis erhalten hat, wurde sein Gedicht „Avenidas“ auf eine Giebelwand der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin aufgebracht. In dem Gedicht werden die Wörter avenidas (spanisch für Alleen), flores (Blumen), mujeres (Frauen) und un admirador (ein Betrachter) miteinander in Beziehung gebracht. Da sie nur durch Zeilen­umbrüche und das Wörtchen y (und) miteinander verbunden sind, ist es am Leser, das Gedicht zu interpretieren.

Und eine dieser Interpretationen hat sich der Allgemeine Studierendenausschuss der Hochschule zu eigen gemacht: Das Gedicht reproduziere nicht nur eine patriarchale Kunsttradition, in der Frauen ausschließlich die schönen Musen sind, es erinnere zudem an sexuelle Belästigung, der Frauen alltäglich ausgesetzt sind. Der Senat hat dem Druck Ende Januar 2018 nachgegeben und beschlossen, dass das Gedicht gegen den ausdrücklichen Wunsch Eugen Gomringers überstrichen wird. Das Gedicht einer späteren Preisträgerin soll hier seinen Platz finden. Kritik gab es an dem Entschluss unter anderem vom Kulturrat.

Für den Magdeburger Carsten Gerth ist dieses Vorgehen gefährlich: „Gomringers Gedicht als Ausdruck von Sexismus zu sehen, halte ich für völlig überzogen.“ Vielmehr solle Kunst Interpretationsspielraum und Anlass für Diskussionen schaffen. Dies werde aber kaum funktionieren, wenn man die Kunst wie in einem totalitären Regime übertüncht.