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Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Mit Video: Gespannt auf die Realität im Osten

Afra Waterkamp, Präsidentin des Finanzgerichtes Sachsen-Anhalt, kam aus Münster nach Magdeburg. Das ist ihre Bilanz nach 30 Jahren an der Elbe.

Aktualisiert: 25.07.2025, 19:43
Afra Waterkamp, Präsidentin des Finazgerichtes in Sachsen-Anhalt.
Afra Waterkamp, Präsidentin des Finazgerichtes in Sachsen-Anhalt. Foto: Pro M Magdeburg

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Afra Waterkamp, Präsidentin des Finanzgerichtes Sachsen-Anhalt.

Afra Waterkamp, Präsidentin des Finanzgerichtes in Sachsen-Anhalt.

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Prof. Dr. Afra Waterkamp ist in Münster geboren und aufgewachsen. Mit dem Osten verbindet sie eine ganz besondere Erinnerung aus ihrer Kindheit: „Für mich begann die Weihnachtszeit immer mit dem Packen der Ostbackpakete mit den Backzutaten für die Verwandtschaft in Ostdeutschland; voller Freude auf das Weihnachtspaket aus dem Osten mit den Ostbriefmarken und den Weihnachtsartikeln aus dem Erzgebirge.“

Richterin auf Probe

Erstmals nach Magdeburg gekommen ist sie im Sommer 1994 nach Abschluss ihres Studiums und des Referendariats in Hamburg. „Es hat mich elbaufwärts von Hamburg nach Magdeburg gezogen“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

Hier hatte sie eine Anstellung als Richterin auf Probe, wurde allerdings nach einer Woche an das Finanzgericht nach Braunschweig abgeordnet. „Zum Glück war die Bahnverbindung damals noch besser, so konnte ich in Magdeburg wohnen bleiben und jeden Tag fahren.“

Zu der Zeit sah Magdeburg noch ganz anders aus, vor allem wenn man aus dem Bahnhof kam. „Es war alles so grün und sehr weitläufig.“ Außerdem musste sie sich daran gewöhnen, dass man in Magdeburg samstags früh aufstehen musste, um noch „frische Backwaren“ zu bekommen.

In 30 Jahren viel verändert

Auch beruflich hat sich in den letzten 30 Jahren viel verändert. „Zu der Zeit war das Steuerrecht und insbesondere die Finanzgerichtsbarkeit absolut männerdominiert“, erinnert sie sich. Trotzdem wurde sie als Frau und dann noch aus dem Westen sehr nett aufgenommen. Eine Kollegin sagte damals zu ihr: „Wir müssen doch hier im Kollektiv zusammenhalten.“

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Diese Offenheit und Herzlichkeit hat sie von Anfang an begeistert. Zudem hatte sie sich schon immer für Frauenrechte engagiert und auch viel über die Berufstätigkeit von Frauen in der DDR gelesen. Daher war sie gespannt auf die Realität in der Arbeitswelt. Als sie 2016 Präsidentin des Finanzgerichts Sachsen-Anhalt wurde, war sie in der Position aber noch immer eine absolute Rarität.

Steuerrecht und Lehre in Leipzig

Mittlerweile hat sie sich nicht nur große Anerkennung in dieser Funktion erworben, sondern ist auch noch Honorarprofessorin für Steuerrecht der Universität Leipzig.

„Das war früher meine eigentliche Intention, ich wollte unbedingt Dozentin werden und lehren“, blickt sie zurück. Daher freut sie sich heute umso mehr über diese Möglichkeit.

Darüber hinaus arbeitet sie in vielen Gremien, engagiert sich in Vereinen und Verbänden, unter anderem im Rotary Club „Otto von Guericke“ in Magdeburg. „Wenn man in einer Stadt lebt, muss man sich dort auch einbringen“, das war schon immer ihre Devise.

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„Außerdem ist es unheimlich bereichernd, Menschen in verschiedenen Funktionen kennenzulernen.“ Dies hilft ihr auch als Richterin, weil sie so nicht nur in ihrer „beruflichen Blase“ lebt, sondern Kontakte zu ganz unterschiedlichen Personengruppen und persönlichen Schicksalen hat.

„Über den eigenen Horizont hinaus zu schauen, viele soziale und zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, das gibt einem auch sehr viel Kraft und neuen Input“, ist sie überzeugt. Um dies alles unter einen Hut zu bekommen, ist sie sehr froh, in Magdeburg nicht nur ihre neue Heimat gefunden zu haben, sondern auch so viel Unterstützung in ihrem Umfeld.

Fall der Mauer als größtes Geschenk

Was die Entwicklung der Stadt angeht, so sieht sie positiv in die Zukunft: „Die Stadt hat schon so viele Umbrüche und Rückschläge gemeistert und das größte Geschenk für uns alle war doch, dass der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung ohne einen einzigen Schuss stattgefunden haben.“

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Bei der Erinnerung daran hat sie noch immer ein Tränchen im Auge, wenn sie über die A2 nach Marienborn fährt. Als „Kind des kalten Krieges“, wie sie es formuliert, freut sie sich umso mehr, heute in Magdeburg zu Hause zu sein. Hier liebt sie vor allem die Lage an der Elbe und das viele Grün.

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Sie ist ganz begeistert von der Gesamtarchitektur des Domplatzes, von der Grünen Zitadelle, als letztem Objekt von Friedensreich Hundertwasser, und von der neuen Verbindung von Post und Justizzentrum im historischen Gebäude.

Darüber hinaus hat Magdeburg so viele Sympathieträger, gerade auch im Sportbereich, die das neue Image der Stadt in die Welt tragen. Und zudem lebt sie nach dem Motto: „Wer nicht optimistisch ist, kann auch nicht die Zukunft gestalten.“